Qualifizierte Container-Signatur genügt nicht mehr den Anforderungen
BGH v. 15.5.2019 - XII ZB 573/18
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte an die Beklagte Gewerberäume vermietet. Aufgrund rückständiger Miete und Nebenkosten nahm sie die Beklagte auf Zahlung von insgesamt 48.449 € nebst Zinsen in Anspruch. Mit der Beklagten am 18.5.2018 zugestelltem Urteil hat das LG der Klage in vollem Umfang stattgegeben.
Hiergegen hat die Beklagte durch ihren Prozessbevollmächtigten mit einem am 18.6.2018 um 11.36 Uhr an das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) übermittelten elektronischen Dokument vom selben Tag Berufung eingelegt. Die dabei verwendete qualifizierte elektronische Signatur (qeS) bezog sich nach dem Transfervermerk nicht auf dieses elektronische Dokument selbst, sondern auf den Nachrichtencontainer (sog. Container-Signatur) mit den Inhaltsdaten "nachricht.xml, nachricht.xsl, visitenkarte.xml, visitenkarte.xsl, herstellerinformation.xml" und zwei Anhängen jeweils im PDF-Format, bei denen es sich um den Berufungsschriftsatz sowie einen Scan des angefochtenen Urteils handelte.
Im Anschluss an einen nach Eingang der Berufungsbegründung erteilten Hinweis des OLG zu Bedenken gegen die Zulässigkeit einer Container-Signatur hat die Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der Berufungsfrist beantragt und nochmals erklärt, Berufung einzulegen.
Das OLG hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der Beklagten verworfen. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Beklagten blieb vor dem BGH ohne Erfolg.
Gründe:
Die Beklagte hatte nicht innerhalb der am 18.6.2018 abgelaufenen einmonatigen Berufungsfrist formgerecht Berufung eingelegt.
Nach § 519 Abs. 1 ZPO ist die Berufung binnen der gem. § 517 ZPO mit Zustellung des erstinstanzlichen Urteils beginnenden einmonatigen Berufungsfrist mittels Berufungsschrift einzulegen. Zwar kann die Berufungsschrift nach § 130 a ZPO - wie hier - auch als elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht werden. Das elektronische Dokument muss dabei mit einer qeS der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person (einfach) signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (§ 130 a Abs. 3 und 4 ZPO). Ein mit einer qeS versehenes Dokument darf lediglich auf einem sicheren Übermittlungsweg oder an das EGVP übermittelt werden (§ 4 Abs. 1 ERVV). Mehrere elektronische Dokumente dürfen hingegen nicht mit einer gemeinsamen qeS übermittelt werden (§ 4 Abs. 2 ERVV).
Diesen rechtlichen Vorgaben wurde die am 18.6.2018 beim OLG eingegangene Berufungsschrift der Beklagten allerdings nicht gerecht, weil die nicht auf einem sicheren Übermittlungsweg i.S.v. §§ 130 a Abs. 3 und 4 ZPO, 4 Abs. 1 Nr. 1 ERVV, sondern an das EGVP übermittelte Berufungsschrift nicht mit der erforderlichen qeS versehen war. Die sog. Container-Signatur, die sich auf den mehrere Dateien umfassenden Nachrichtencontainer bezog und in der Papierwelt einer Unterschrift auf der Rückseite eines verschlossenen Briefumschlags entsprach, war nicht ausreichend.
Zwar hat der BGH für die vor dem 1.1.2018 geltende Rechtslage entschieden, dass die im EGVP-Verfahren eingesetzte qualifizierte Container-Signatur den Anforderungen des § 130 a Abs. 1 Satz 2 ZPO a.F., wonach die verantwortende Person das Dokument mit einer qeS versehen sollte, genügte. Doch kann diese Rechtsprechung für die seit dem 1.1.2018 geltende Rechtslage keine Geltung mehr beanspruchen. Denn wegen der in §§ 130 a Abs. 3, Abs. 2 Satz 2 ZPO, 4 Abs. 2 ERVV getroffenen Regelung ist eine Container-Signatur nicht mehr zulässig.
Zwar ist die Reichweite des § 4 Abs. 2 ERVV streitig. Die überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur versteht die Regelung allerdings als generelles Verbot der Container-Signatur und dieser Auffassung schließt sich auch der Senat an. Die Vorschrift des § 4 Abs. 2 ERVV untersagt nach ihrem Wortlaut die Verwendung einer qeS für mehrere elektronische Dokumente. Gemäß dem ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers sollte mit der Neuregelung die nach der bis dahin geltenden Rechtslage zulässige Möglichkeit, mehrere elektronische Dokumente mit einer Container-Signatur zu versehen, ausgeschlossen werden. Andernfalls wäre eine Überprüfung der Authentizität und Integrität der elektronischen Dokumente im weiteren Verfahren vor allem für den Prozessgegner oder andere Verfahrensbeteiligte regelmäßig nicht mehr möglich, weil nach der Trennung der elektronischen Dokumente die "Container-Signatur" nicht mehr überprüft werden könne.
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Die Klägerin hatte an die Beklagte Gewerberäume vermietet. Aufgrund rückständiger Miete und Nebenkosten nahm sie die Beklagte auf Zahlung von insgesamt 48.449 € nebst Zinsen in Anspruch. Mit der Beklagten am 18.5.2018 zugestelltem Urteil hat das LG der Klage in vollem Umfang stattgegeben.
Hiergegen hat die Beklagte durch ihren Prozessbevollmächtigten mit einem am 18.6.2018 um 11.36 Uhr an das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) übermittelten elektronischen Dokument vom selben Tag Berufung eingelegt. Die dabei verwendete qualifizierte elektronische Signatur (qeS) bezog sich nach dem Transfervermerk nicht auf dieses elektronische Dokument selbst, sondern auf den Nachrichtencontainer (sog. Container-Signatur) mit den Inhaltsdaten "nachricht.xml, nachricht.xsl, visitenkarte.xml, visitenkarte.xsl, herstellerinformation.xml" und zwei Anhängen jeweils im PDF-Format, bei denen es sich um den Berufungsschriftsatz sowie einen Scan des angefochtenen Urteils handelte.
Im Anschluss an einen nach Eingang der Berufungsbegründung erteilten Hinweis des OLG zu Bedenken gegen die Zulässigkeit einer Container-Signatur hat die Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der Berufungsfrist beantragt und nochmals erklärt, Berufung einzulegen.
Das OLG hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung der Beklagten verworfen. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Beklagten blieb vor dem BGH ohne Erfolg.
Gründe:
Die Beklagte hatte nicht innerhalb der am 18.6.2018 abgelaufenen einmonatigen Berufungsfrist formgerecht Berufung eingelegt.
Nach § 519 Abs. 1 ZPO ist die Berufung binnen der gem. § 517 ZPO mit Zustellung des erstinstanzlichen Urteils beginnenden einmonatigen Berufungsfrist mittels Berufungsschrift einzulegen. Zwar kann die Berufungsschrift nach § 130 a ZPO - wie hier - auch als elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht werden. Das elektronische Dokument muss dabei mit einer qeS der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person (einfach) signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (§ 130 a Abs. 3 und 4 ZPO). Ein mit einer qeS versehenes Dokument darf lediglich auf einem sicheren Übermittlungsweg oder an das EGVP übermittelt werden (§ 4 Abs. 1 ERVV). Mehrere elektronische Dokumente dürfen hingegen nicht mit einer gemeinsamen qeS übermittelt werden (§ 4 Abs. 2 ERVV).
Diesen rechtlichen Vorgaben wurde die am 18.6.2018 beim OLG eingegangene Berufungsschrift der Beklagten allerdings nicht gerecht, weil die nicht auf einem sicheren Übermittlungsweg i.S.v. §§ 130 a Abs. 3 und 4 ZPO, 4 Abs. 1 Nr. 1 ERVV, sondern an das EGVP übermittelte Berufungsschrift nicht mit der erforderlichen qeS versehen war. Die sog. Container-Signatur, die sich auf den mehrere Dateien umfassenden Nachrichtencontainer bezog und in der Papierwelt einer Unterschrift auf der Rückseite eines verschlossenen Briefumschlags entsprach, war nicht ausreichend.
Zwar hat der BGH für die vor dem 1.1.2018 geltende Rechtslage entschieden, dass die im EGVP-Verfahren eingesetzte qualifizierte Container-Signatur den Anforderungen des § 130 a Abs. 1 Satz 2 ZPO a.F., wonach die verantwortende Person das Dokument mit einer qeS versehen sollte, genügte. Doch kann diese Rechtsprechung für die seit dem 1.1.2018 geltende Rechtslage keine Geltung mehr beanspruchen. Denn wegen der in §§ 130 a Abs. 3, Abs. 2 Satz 2 ZPO, 4 Abs. 2 ERVV getroffenen Regelung ist eine Container-Signatur nicht mehr zulässig.
Zwar ist die Reichweite des § 4 Abs. 2 ERVV streitig. Die überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur versteht die Regelung allerdings als generelles Verbot der Container-Signatur und dieser Auffassung schließt sich auch der Senat an. Die Vorschrift des § 4 Abs. 2 ERVV untersagt nach ihrem Wortlaut die Verwendung einer qeS für mehrere elektronische Dokumente. Gemäß dem ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers sollte mit der Neuregelung die nach der bis dahin geltenden Rechtslage zulässige Möglichkeit, mehrere elektronische Dokumente mit einer Container-Signatur zu versehen, ausgeschlossen werden. Andernfalls wäre eine Überprüfung der Authentizität und Integrität der elektronischen Dokumente im weiteren Verfahren vor allem für den Prozessgegner oder andere Verfahrensbeteiligte regelmäßig nicht mehr möglich, weil nach der Trennung der elektronischen Dokumente die "Container-Signatur" nicht mehr überprüft werden könne.
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