18.04.2018

Räumung und Herausgabe des Rennbahngeländes in Frankfurt a.M.

Der BGH hat über die Klage der Stadt Frankfurt a.M. auf Räumung und Herausgabe des Rennbahngeländes in Frankfurt a.M. entschieden.

BGH 18.4.2018, XII ZR 76/17
Der Sachverhalt:
Die klagende Stadt verlangt von dem beklagten Verein die Räumung und Herausgabe des Galopprennbahngeländes in Frankfurt a.M. Widerklagend begehrt der Beklagte die Feststellung der Unwirksamkeit eines zwischen der Klägerin als Vermieterin und der FH-GmbH als Mieterin des Rennbahngeländes geschlossenen Mietaufhebungsvertrags und eines zwischen der Klägerin und dem Zeugen H als alleinigem Gesellschafter der FH-GmbH geschlossenen Vertrags über die Übertragung der Geschäftsanteile an der GmbH auf die Klägerin.

Mit Mietvertrag vom 6.9.2010 vermietete die Klägerin das Rennbahngelände als Pferde-, Golf- und Freizeitsportfläche bis zum 31.12.2024 an die FH-GmbH. In dem Mietvertrag verpflichtete sich die FH-GmbH jährlich mindestens fünf Renntage mit jeweils sechs Pferderennen zu veranstalten. Da die FH-GmbH nicht Mitglied im "Direktorium für Vollblutzucht und Rennen e.V." war und daher keine konzessionierten Pferderennen durchführen konnte, übertrug sie mit einem auf den 6.12.2010 datierten Geschäftsbesorgungsvertrag diese Verpflichtung zur Durchführung von Pferderennen auf der Galopprennbahn auf den Beklagten, der hierfür eine jährliche Vergütung von 216.000 € erhalten sollte.

Am 5.8.2014 schlossen die Klägerin, der Alleingesellschafter und Geschäftsführer der F-H-GmbH H und die durch ihn vertretene FH-GmbH einen notariell beurkundeten Kauf- und Abtretungsvertrag über die Geschäftsanteile des H an der FH- GmbH sowie eine Vereinbarung über die Aufhebung des Mietvertrags zwischen der Klägerin und der FH-GmbH. Unter dem 4.3.2015 erklärte H namens der FH-GmbH gegenüber dem Beklagten die Kündigung des Geschäftsbesorgungsvertrags zum 30.6.2015. Mit Schreiben vom 29.6.2015 forderte ein Mitarbeiter der Klägerin den Beklagten zur Herausgabe des Rennbahngeländes zum 30.9.2015, hilfsweise zum 31.12.2015, auf und erklärte vorsorglich nochmals die Kündigung des Geschäftsbesorgungsvertrags zu diesen Zeitpunkten.

Das LG gab der Klage statt und verurteilte den Beklagten u.a. dazu, das von ihm in Besitz gehaltene Gelände der Galopprennbahn in Frankfurt a.M. sowie die dort von ihm genutzten Geschäftsräume zu räumen und an die Stadt Frankfurt a.M. als Klägerin herauszugeben. Die auf Feststellung der Unwirksamkeit des Mietaufhebungs- und Geschäftsanteilskaufvertrags gerichtete Widerklage des Beklagten wies das LG ab.

Das OLG wies die Berufung des Beklagten zurück, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Räumung und Herausgabe gerichtet hat. Auf seine Widerklage stellte es die Unwirksamkeit des Mietaufhebungsvertrags im Verhältnis zum Beklagten fest. Im Übrigen hat es die Berufung des Beklagten verworfen. Nach Einlegung der Revision beantragte der Beklagte, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des OLG sowie aus dem Urteil des LG einstweilen einzustellen. Der BGH wies mit Beschluss vom 20.9.2017 den Antrag des Beklagten zurück.

Die Revision des Beklagten, mit der er seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt hat, hatte vor dem BGH keinen Erfolg. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Urteil des OLG auf, soweit darin die Unwirksamkeit des Mietaufhebungsvertrags im Verhältnis zum Beklagten festgestellt worden ist, und wies die Widerklage insgesamt ab.

Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des OLG ist der zwischen der Klägerin und der FH-GmbH am 5.8.2014 abgeschlossene Mietaufhebungsvertrags nicht wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) gegenüber dem Beklagten unwirksam.

Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit können die Parteien eines Mietvertrags unabhängig von einer vereinbarten Mietzeit das Mietverhältnis jederzeit auch dann durch einen Aufhebungsvertrag vorzeitig beenden, wenn der Mieter einem Dritten die Mietsache zur Nutzung überlassen hat. Ein Mietaufhebungsvertrag kann allerdings sittenwidrig sein, wenn für den Vermieter und den Mieter kein vernünftiger Grund für die Beendigung des Mietverhältnisses besteht, der Zweck des Mietaufhebungsvertrags allein darin liegt, dass der Eigentümer wieder Alleinbesitz an dem Mietobjekt erlangt und durch die Aufhebung des Mietvertrags die Rechtsstellung des Dritten tatsächlich verschlechtert wird.

Im Streitfall bestanden sowohl für die Klägerin als auch für die FH-GmbH vernünftige Gründe dafür, den Mietvertrag vorzeitig aufzuheben. Denn der Rennbahnbetrieb war in der Vergangenheit defizitär. Zudem stand der FH-GmbH das Recht zu, den Geschäftsbesorgungsvertrag, wie geschehen, mit Wirkung zum 31.12.2014 zu kündigen. Im Hinblick darauf begründen auch die weiteren vom OLG herangezogenen Umstände nicht den Vorwurf eines verwerflichen Verhaltens der Klägerin und der FH-GmbH zum Nachteil des Beklagten. Der zwischen der FH-GmbH und dem Beklagten abgeschlossene Geschäftsbesorgungsvertrag vom 6.12.2010 enthielt nur die Verpflichtung des Beklagten, für die FH-GmbH jährlich mindestens fünf Renntage mit jeweils sechs Pferderennen (davon mindestens ein Listenrennen) gegen eine jährliche Vergütung von 216.000 € durchzuführen. Nutzungsrechte an dem Mietgegenstand waren dem Beklagten nur an einem Büroraum eingeräumt, den die FH-GmbH dem Beklagten unentgeltlich für seine Vereinszwecke zur Verfügung stellen sollte.

Zusätzlich sollte der Beklagte an den Renntagen kostenlos einen weiteren Raum für Mitglieder und Gäste nutzen können. Ein darüberhinausgehendes eigenes Recht des Beklagten, das Rennbahngelände für Vereinszwecke zu nutzen, sah der Geschäftsbesorgungsvertrag nicht vor. Dem Beklagten stand somit weder ein Anspruch gegen die FH-GmbH auf Durchführung der in § 1 Nr. 1 des Geschäftsbesorgungsvertrags genannten Rennsportveranstaltungen noch auf eine weitergehende Nutzung des Rennbahngeländes zu. Gegenüber der Klägerin bestanden ebenfalls keine vertraglichen Beziehungen, die den Beklagten zu einer Nutzung des Rennbahngeländes berechtigt hätten. Auch die von der Klägerin in dem Geschäftsanteilskauf- und Mietaufhebungsvertrag vom 5.8.2014 gegenüber dem Zeugen H eingegangenen Zahlungsverpflichtungen rechtfertigen nicht die Annahme der Sittenwidrigkeit des Mietaufhebungsvertrags.

Schließlich wird durch diese Zahlungen auch nicht der Anspruch des Beklagten auf Auszahlung eines von der FH-GmbH erwirtschafteten Überschusses vereitelt. Nach dem Geschäftsbesorgungsvertrag traf die FH-GmbH zwar die Verpflichtung, jeglichen erwirtschafteten Überschuss, soweit dieser nicht für die Bildung von Rückstellungen erforderlich ist, als Sonderzahlung an den Beklagten zu überweisen. Um einen von der FH-GmbH erwirtschafteten Überschuss im Sinne dieser Bestimmung handelt es sich jedoch bei diesen beiden Zahlungen nicht. Da der Mietaufhebungsvertrag vom 5.8.2014 mangels Sittenwidrigkeit wirksam war und damit der zwischen der Klägerin und der FH-GmbH abgeschlossene Mietvertrag zu diesem Zeitpunkt sein Ende fand, war der Beklagte unabhängig von der Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigungen des Geschäftsbesorgungsvertrags nach § 546 Abs. 2 BGB zur Räumung und Herausgabe des Rennbahngeländes verpflichtet.

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BGH PM Nr. 76 vom 18.4.2018
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