03.04.2023

Rechtmäßigkeit der an eine Fluggesellschaft im Zusammenhang mit Covid-19-Pandemie gewährten Beihilfe

Der EuGH hat die Klage gegen den Beschluss, mit dem die Kommission die der Fluggesellschaft Blue Air von Rumänien im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie gewährte Beihilfe genehmigt hat, in vollem Umfang abgewiesen.

EuGH v. 29.3.2023 - T-142/21
Der Sachverhalt:
Am 18. August 2020 teilte Rumänien der Europäischen Kommission eine Beihilfemaßnahme zugunsten der Fluggesellschaft Blue Air Aviation S. A. (im Folgenden: Blue Air) mit, die in Form eines zinsvergünstigten Darlehens über rund 62 Mio € gewährt und durch den rumänischen Staat gesichert wurde.

Die mitgeteilte Maßnahme umfasste zwei verschiedene Beihilfen, die auf zwei unterschiedliche Rechtsgrundlagen gestützt waren, wobei jede Beihilfe jeweils einen bestimmten Betrag abdeckte. Bei der ersten handelte es sich um ein Darlehen in Höhe von 28 Mio € als Ersatz für die Schäden, die Blue Air im Zeitraum vom 16. März bis zum 30. Juni 2020 im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie unmittelbar durch die Streichung und Verschiebung ihrer Flüge infolge der Einführung von Reisebeschränkungen entstanden waren (im Folgenden: Maßnahme zum Ersatz von Schäden). Die zweite Beihilfe betraf ein Darlehen in Höhe von 34 Mio € zur teilweisen Deckung des durch die Betriebsverluste nach dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie entstandenen dringenden Liquiditätsbedarfs von Blue Air (im Folgenden: Rettungsbeihilfe).

Ohne Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens nach Art. 108 Abs. 2 AEUV stellte die Kommission mit Bescheid vom 20. August 2020 fest, dass es sich bei der mitgeteilten Maßnahme um eine staatliche Beihilfe handele, deren beiden Teile mit dem Binnenmarkt vereinbar seien. Die Kommission erklärte die Maßnahme zum Ersatz von Schäden daher für gemäß Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar. Die Rettungsbeihilfe wurde gemäß Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV in Verbindung mit den Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten (im Folgenden: Leitlinien) für vereinbar erklärt.

Die von der Fluggesellschaft Wizz Air Hungary Zrt. gegen diesen Beschluss erhobene Nichtigkeitsklage hat der EuGH abgewiesen. Das Gericht bestätigt mit seinem Urteil das Ergebnis der von der Kommission vorgenommenen Prüfung der Vereinbarkeit der mitgeteilten Maßnahme mit dem Binnenmarkt.

Die Gründe:
Der auf eine fehlerhafte Anwendung von Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV gestützte Nichtigkeitsgrund ist zurückzuweisen. Damit warf die Klägerin der Kommission u.a. vor, sie habe den Schaden, der Blue Air durch die im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie verhängten Reisebeschränkungen entstanden sei, fehlerhaft bemessen.

Nach Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV dürfen nur Schäden, die unmittelbar durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind, ausgeglichen werden. Daraus folgt, dass Beihilfen, die die von ihren Empfängern erlittenen Verluste übersteigen könnten, nicht unter Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV fallen. Das schadensbegründende Ereignis, wie es im angefochtenen Beschluss festgestellt wurde, muss der entscheidende Grund für den durch die in Rede stehende Beihilfe zu beseitigenden Schaden sein und diesen unmittelbar verursacht haben.  

Die Kommission musste also, um die Maßnahme zum Ersatz von Schäden für gemäß Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar erklären zu dürfen, ein besonderes Augenmerk auf die Frage richten, ob die im Rahmen der Covid-19-Pandemie verhängten Reisebeschränkungen wirklich der entscheidende Grund für den Schaden waren, der durch diese Maßnahme beseitigt werden sollte, oder ob vielmehr ein Teil dieses Schadens den bereits vorher bestehenden Schwierigkeiten von Blue Air geschuldet war.

Das Argument der Klägerin, dass die Kommission den infolge der Covid-19-Pandemie erlittenen Schaden überbewertet habe, weil sie die Verluste nicht ausgenommen habe, die bereits vorher bestehenden Schwierigkeiten von Blue Air geschuldet gewesen seien, ist zurückzuweisen. Insoweit ist zu präzisieren, dass die Kommission die tatsächliche finanzielle Lage von Blue Air mit einer kontrafaktischen Fallgestaltung, wie sie ohne die Reisebeschränkungen eingetreten wäre, verglichen und sich dabei auf die im Budget 2020 für den Zeitraum vom 16. März bis zum 30. Juni 2020 veranschlagten Einnahmen und Ausgaben gestützt habe. Für diese kontrafaktische Fallgestaltung berücksichtigte die Kommission die bereits vor der Covid-19-Pandemie bestehenden Schwierigkeiten von Blue Air. Da sich diese Schwierigkeiten auch in den von Blue Air tatsächlich erzielten Ergebnissen widerspiegelten und folglich in beiden von der Kommission miteinander verglichenen Szenarien zum Ausdruck kamen, ist festzustellen, dass sich die Auswirkungen bei der Berechnung des Schadens, der Blue Air durch die im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie verhängten Reisebeschränkungen entstanden ist, gegenseitig aufhoben.

Zweitens ist der Nichtigkeitsgrund zurückzuweisen, der auf eine im Licht der Leitlinien fehlerhafte Anwendung von Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV gestützt wird. Die Klägerin machte insoweit u.a. geltend, die Kommission habe fälschlicherweise angenommen, dass die Rettungsbeihilfe ein Ziel von gemeinsamem Interesse im Sinne von Rn. 43 der Leitlinien verfolge.

Die mitgeteilte Beihilfe gemäß Rn. 43 der Leitlinien, muss insofern ein Ziel von gemeinsamem Interesse verfolgen, als sie soziale Härten verhindern oder ein Marktversagen beheben soll, damit sie nach diesen für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden kann. Dafür spricht auch Rn. 44 dieser Leitlinien, wonach die Mitgliedstaaten nachweisen müssen, dass der Ausfall des begünstigten Unternehmens zu schwerwiegenden sozialen Härten oder zu schwerem Marktversagen führen würde, indem sie insbesondere nachweisen, dass die Gefahr einer Unterbrechung der Erbringung eines wichtigen Dienstes gegeben ist, der nur schwer zu ersetzen ist, wobei es für Wettbewerber schwierig wäre, die Erbringung der Dienstleistung einfach zu übernehmen.

Aus dem Beschluss der Kommission ergibt sich in Bezug auf die Frage, ob die von Blue Air erbrachte Dienstleistung wichtig ist, dass diese die Anbindung Rumäniens sicherstellte, da sie nationale und internationale Strecken flog und dabei auf zwei spezifische Gruppen von Fluggästen abzielte, die auf Billigflugverbindungen angewiesen seien, nämlich die lokalen Kleinunternehmen und die im Ausland lebenden rumänischen Bürgerinnen und Bürger. Nach Auffassung der Kommission wären die Luftverkehrsdienstleistungen von Blue Air zudem auch deshalb schwer zu ersetzen, weil die anderen Billigfluggesellschaften auf den meisten von Blue Air bedienten Strecken kaum oder gar nicht vertreten seien und Blue Air daher eine Nische besetze, die auf dem rumänischen Markt nicht von anderen Billigfluggesellschaften bedient werde.

Keines der von der Klägerin vorgebrachten Argumente vermag diese Feststellungen zu entkräften, weshalb im Ergebnis die Kommission zutreffend davon ausgegangen ist, dass im Fall eines Marktaustritts von Blue Air eine konkrete Gefahr bestünde, dass bestimmte als wichtig erachtete Beförderungsdienste für Fluggäste unterbrochen würden, die unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles schwer zu ersetzen gewesen wären, und daher die Beihilfe zu einem Ziel von gemeinsamem Interesse beitrage.

Da auch die anderen von der Klägerin vorgebrachten Klagegründe unbegründet waren, war die Klage insgesamt abzuweisen.

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EuGH PM Nr. 53 vom 29.3.2023
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