08.09.2015

Rechtsanwalt muss Handakten herausgeben

Das anwaltliche Berufsrecht verpflichtet einen Rechtsanwalt, nach der Beendigung eines Mandats die von ihm geführten Handakten herauszugeben, wenn der Mandant diese zur weiteren Verfolgung seiner Rechtsangelegenheiten benötigt und die dem Anwalt zustehende Vergütung entrichtet hat.

Anwaltsgerichtshof NRW, 29.5.2015, 1 AGH 1/15
Der Sachverhalt:
Der berufsrechtlich angeschuldigte, heute 45-jährige Rechtsanwalt aus Neuss vertrat ein Ehepaar aus Neuss in drei gerichtlichen Verfahren. 2008 wechselte der Anwalt in eine Kanzlei nach Krefeld, seine Mandanten entrichteten die ihm zustehenden Gebühren und Auslagen. Außerdem beauftragten sie einen anderen Rechtsanwalt in Neuss mit der weiteren Verfolgung ihrer Rechtsangelegenheiten. Dieser forderte den angeschuldigten Anwalt von Juni 2008 bis September 2012 vergeblich auf, ihm die Mandanten-Handakten zur Weiterführung des Mandats herauszugeben.

Der Anwaltsgerichtshof NRW wies die Klage zunächst ab. Auf die Berufung der Kläger hob der BGH das Urteil auf und verwies die Sach an den Anwaltsgerichtshof NRW zurück. Im zweiten Rechtsgang gab dieser der Klage nun statt. Das Urteil ist rechtskräftig.

Die Gründe:
Neben der zivilrechtlichen ist - nach nunmehr geänderter Rechtsprechung - jetzt auch eine berufsrechtliche Pflicht zur Herausgabe von Handakten zu bejahen. Der angeschuldigte Rechtsanwalt war insoweit wegen Verletzung seiner berufsrechtlichen Pflichten mit einem Verweis zu belegen sowie zur Zahlung einer Geldbuße i.H.v. 2.000 € zu verurteilen.

Das anlasslose Zurückhalten von Handakten stellt ein gravierendes Fehlverhalten des angeschuldigten Rechtsanwalts dar. Denn der Mandant übergibt dem Rechtsanwalt seine Unterlagen in dem Vertrauen, das sich der Rechtsanwalt für ihn einsetzt und dabei rechtmäßig verhält. Wird das Mandat - warum auch immer - vorzeitig beendet und verfolgt der Mandant seine Rechtsangelegenheiten mit einem anderen Rechtsanwalt weiter, kann er mit Fug und Recht erwarten, dass er die seinem früheren Bevollmächtigten ausgehändigten Unterlagen zurückerhält.

Ist sein früherer Bevollmächtigter hinsichtlich seiner Gebühren und Auslagen befriedigt, gibt es keinen irdgendwie gearteteten Grund, der das Zurückhalten von Handakten rechtfertigen könnte. Ein solches Verhalten ist dann mit der gewissenhaften Berufsausübung eines Rechtsanwalts unvereinbar und widerspricht im hohen Maße dem Vertrauen, welches der frühere Mandant in den zuerst beauftragten Rechtsanwalt gesetzt hat.

Linkhinweis:

OLG Hamm PM vom 8.9.2015
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