12.06.2024

Rechtsschutzversicherungsbedingungen zum Schiedsgutachterverfahren sind rechtswirksam

Die von einem Versicherer in seinen Rechtsschutzversicherungsbedingungen verwendeten Klauseln über das Schiedsgutachterverfahren nach Ablehnung des Rechtsschutzes sind wirksam. Die Teilklauseln halten einer Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB stand und weichen nicht i.S.d. § 129 VVG von § 128 Satz 1 VVG ab.

BGH v. 12.6.2024 - IV ZR 341/22
Der Sachverhalt:
Bei dem Kläger handelt es sich um den Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, der als qualifizierte Einrichtung nach § 4 UKlaG eingetragen ist. Der beklagte Versicherer verwendet Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2019), die Klauseln zum Schiedsgutachterverfahren nach Ablehnung des Rechtsschutzes wegen mangelnder Erfolgsaussichten oder wegen Mutwilligkeit der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen enthalten. Diese lauten auszugsweise wie folgt:

"§ 3a Ablehnung des Rechtsschutzes wegen mangelnder Erfolgsaussichten oder wegen Mutwilligkeit - Schiedsgutachterverfahren
...
(2) 1Mit der Mitteilung über die Rechtsschutzablehnung ist der Versicherungsnehmer darauf hinzuweisen, dass er, soweit er der Auffassung des Versicherers nicht zustimmt und seinen Anspruch auf Rechtsschutz aufrechterhält, innerhalb eines Monates die Einleitung eines Schiedsgutachterverfahrens vom Versicherer verlangen kann. 2Mit diesem Hinweis ist der Versicherungsnehmer aufzufordern, alle nach seiner Auffassung für die Durchführung des Schiedsgutachterverfahrens wesentlichen Mitteilungen und Unterlagen innerhalb der Monatsfrist dem Versicherer zuzusenden. ...
...
(4) 1Schiedsgutachter ist ein seit mindestens fünf Jahren zur Rechtsanwaltschaft zugelassener Rechtsanwalt, der von dem Präsidenten der für den Wohnsitz des Versicherungsnehmers zuständigen Rechtsanwaltskammer benannt wird. 2Dem Schiedsgutachter sind vom Versicherer alle ihm vorliegenden Mitteilungen und Unterlagen, die für die Durchführung des Schiedsgutachterverfahrens wesentlich sind, zur Verfügung zu stellen.
..."

Der Kläger hielt die Klauseln für unwirksam. Er verlangte vom Beklagten es zu unterlassen, diese in Verträgen mit Verbrauchern zu verwenden und sich auf sie zu berufen. Das LG hat der Klage teilweise stattgegeben und den Beklagten verurteilt, die Verwendung der Klauseln in § 3a Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 Satz 1 und 2 ARB 2019 zu unterlassen. Das OLG das Urteil im Berufungsverfahren abgeändert und den Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Unterlassung der Verwendung der Klausel in § 3a Abs. 2 Satz 1 ARB 2019 verurteilt. Der BGH hat die hiergegen gerichtete Revision des Klägers zurückgewiesen. Auf die Revision der Beklagten hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben, soweit zu ihrem Nachteil entschieden worden war, und die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Gründe:
Alle vom Kläger angegriffenen Teilklauseln halten einer Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB stand und weichen nicht i.S.d. § 129 VVG von § 128 Satz 1 VVG ab.

Die Klausel in § 3a Abs. 2 Satz 1 ARB 2019 bestimmt, wie ihre Auslegung ergibt, eine Ausschlussfrist und verstößt insoweit nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Sie ist insbesondere nicht deshalb intransparent, weil sie dem Versicherungsnehmer nicht verdeutlicht, welche Folgen es für seinen Anspruch auf Durchführung des Schiedsgutachterverfahrens hat, wenn der Versicherer in der Mitteilung eine Fristsetzung unterlässt. Eine solche ausdrückliche Regelung von Rechtsfolgen, die sich für den Fall ergeben, dass der Verwender von AGB einer sich in den Bedingungen selbst auferlegten Verpflichtung zuwiderhandelt, fordert das Transparenzgebot nicht. Es bedurfte auch keiner ausdrücklichen Regelung dazu, dass die Fristversäumung das Recht des Versicherungsnehmers unberührt lässt, den Anspruch auf Rechtsschutz im Wege der Deckungsklage geltend zu machen.

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer entnimmt bereits dem Wortlaut der Klausel, wonach er die Durchführung des Schiedsgutachterverfahrens verlangen "kann", dass diese für ihn ein Recht, nicht aber eine Pflicht begründet. Die Klausel weicht auch nicht von der halbzwingenden Bestimmung des § 128 Satz 1 VVG ab, die keine konkreten Vorgaben für das durchzuführende Verfahren enthält und dem Versicherer insoweit einen Ausgestaltungsspielraum belässt. Deshalb benachteiligt sie den Versicherungsnehmer auch nicht unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Auch die Klausel in § 3a Abs. 2 Satz 2 ARB 2019 hält einer Inhaltskontrolle stand. Ihr war keine Ausschlusswirkung zu entnehmen. Dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer erschließt sich vielmehr aus dem für ihn erkennbaren Sinn und Zweck der Verpflichtung, alle nach seiner Auffassung für die Durchführung des Schiedsgutachterverfahrens wesentlichen Mitteilungen und Unterlagen innerhalb der Monatsfrist dem Versicherer zuzusenden, dass es darum geht, dem Schiedsgutachter eine Tatsachengrundlage zur Verfügung zu stellen, die ihm eine möglichst zeitnahe Entscheidung ermöglicht. Er wird daraus weder folgern, dass nach Fristablauf dem Versicherer übersandte Mitteilungen und Unterlagen nicht auch dem Schiedsgutachter zur Verfügung zu stellen sind, noch wird er daraus schließen, dass er dem Schiedsgutachter seinerseits für die Durchführung des Verfahrens wesentliche Mitteilungen und Unterlagen nicht mehr übermitteln kann.

Die Klausel in § 3a Abs. 4 Satz 1 ARB 2019 ist ebenfalls wirksam. Sie ist insbesondere nicht intransparent, weil sie dem Versicherungsnehmer nicht ausdrücklich die Möglichkeit vorbehält, den Schiedsgutachter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer erwartet im Rahmen dieser Klausel, die das Bestellungsverfahren regelt und dabei generell-abstrakte Kriterien für die Auswahl des Schiedsgutachters festlegt, keine Regelung dazu, ob und unter welchen Voraussetzungen ihm im Einzelfall das Recht vorbehalten bleibt, Einwände gegen die Auswahl des Gutachters vorzubringen. Er entnimmt bereits dem Umstand, dass der Schiedsgutachter durch den Präsidenten der für seinen Wohnsitz zuständigen Rechtsanwaltskammer - und damit durch einen neutralen Dritten - aus dem Kreis der seit mindestens fünf Jahren zur Rechtsanwaltschaft zugelassenen Rechtsanwälte zu bestimmen ist, dass der Schiedsgutachter die Gewähr für eine unparteiliche Entscheidung bieten muss.

Letztlich war auch die Wirksamkeit der Klausel in § 3a Abs. 4 Satz 2 ARB 2019 zu bejahen. Sie ist insbesondere nicht deshalb unwirksam, weil sie dem Versicherer das Recht eröffnet, dem Schiedsgutachter die Übermittlung solcher Mitteilungen und Unterlagen vorzuenthalten, die er zwar vom Versicherungsnehmer erhalten hat, aber selbst nicht für wesentlich hält. Bereits dem Wortlaut der Klausel entnimmt der durchschnittliche Versicherungsnehmer, dass der Versicherer dem Schiedsgutachter alle ihm vorliegenden Mitteilungen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen hat, die für die Durchführung des Verfahrens - objektiv - wesentlich sind. Die Klausel gibt dem Versicherungsnehmer demzufolge keine Anhaltspunkte dafür, dass der Versicherer berechtigt ist, im Wege einer "Vorauswahl" nur das an den Gutachter weiterzuleiten, was er selbst - subjektiv - für wesentlich hält.

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