01.07.2019

Rechtswegverweisung wegen Anspruch auf Aufhebung einer Sperre auf einer kirchlichen Facebook-Seite

Zur Entscheidung eines Rechtsstreits um die Ausübung des "virtuellen Hausrechts" auf einer kirchlich verantworteten Facebook-Seite sind die Zivilgerichte berufen. Die Konstellation der von einer Religionsgemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts unter Einschaltung einer juristischen Person des Privatrechts betriebenen Öffentlichkeitsarbeit auf einer "Social media"-Plattform ist nicht mit den Facebook-Auftritten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vergleichbar.

BVerwG v. 9.4.2019 - 6 B 162.18
Der Sachverhalt:
Der Kläger begehrte von dem als Körperschaft des öffentlichen Rechts verfassten Beklagten die Aufhebung der Sperre seines Accounts für die Kommentarfunktion der Facebook-Seite "www.facebook.com/katholisch.de". Er war Ansicht, dass die Seite von der "Allgemeinen Gemeinnützigen Programmgesellschaft mbH" im Auftrag des Beklagten betrieben werde und dessen amtliche Unternehmenspräsenz bei Facebook darstelle. Der Beklagte bediene sich dieser Internetpräsenz für die kirchliche Medienarbeit, aber auch zur Mitgliederwerbung und damit mittelbar zur Erhöhung seines Steueraufkommens. Er greife mit der ihm zuzurechnenden Sperrung rechtswidrig in das Grundrecht des Klägers auf Meinungsfreiheit ein.

Das VG erklärte den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig und verwies den Rechtsstreit auf den Zivilrechtsweg. Die Parteien stünden mit Blick auf die Nutzung der genannten Facebook-Seite weder in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung zueinander, noch bediene sich der Beklagte hier besonderer Rechtssätze des öffentlichen Rechts. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers blieb vor dem OVG erfolglos. Das galt auch für die weitere Beschwerde vor dem BVerwG.

Die Gründe:
Für den Rechtsstreit ist der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten eröffnet, von denen die Zivilgerichte gem. § 13 GVG zuständig sind.

Ob eine Streitigkeit bürgerlich-rechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Art ist, beurteilt sich nach der Natur der Rechtsnormen, die das Rechtsverhältnis prägen, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird. Bei dem Betrieb einer Facebook-Seite und der Sperrung der Kommentarfunktion in Ausübung eines "virtuellen Hausrechts" handelt es sich nicht um eine herkömmliche, den Kirchen im Rahmen ihres Rechts auf Selbstverwaltung (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV) zustehende Angelegenheit. Denn die Öffentlichkeitsarbeit des Beklagten - die Zurechenbarkeit des Handelns der mit der Geschäftsbesorgung beauftragten "Allgemeinen Gemeinnützigen Programmgesellschaft mbH" unterstellt - fällt nicht in die Bereiche kirchlichen Handelns, in denen einer als Körperschaft des öffentlichen Rechts verfassten Religionsgesellschaft der Zugriff auf öffentlich-rechtliche Handlungsformen eröffnet wäre.

Die Vorinstanzen haben es auch zu Recht abgelehnt, die Seite www.facebook.com/katholisch.de als kirchlich gewidmete Einrichtung i.S. einer "res sacra" zu betrachten, aus deren Benutzung sich eine öffentlich-rechtliche Beziehung zwischen Kläger und Beklagtem herleiten ließe. Hiergegen spricht bereits, dass sich der Beklagte für sein Auftreten ausdrücklich der privatrechtlichen Form bedient.

Die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte nach § 40 VwGO ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Rechtsprechung Streitigkeiten, die um die Nutzung behördlicher Internetauftritte geführt wurden, mehrfach als öffentlich-rechtlich behandelt hat. Dabei sind auch Facebook-Auftritte der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten unter Verweis auf deren Grundversorgungsauftrag als öffentliche Einrichtungen angesehen worden. Damit ist die vorliegende Konstellation der von einer Religionsgemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts unter Einschaltung einer juristischen Person des Privatrechts betriebenen Öffentlichkeitsarbeit auf einer "Social media"-Plattform aber nicht vergleichbar. Denn die korporierten Religionsgemeinschaften erfüllen keinen staatlichen Auftrag und nehmen keine Staatsaufgaben wahr, zu deren Erfüllung der Facebook-Auftritt dienen könnte.

Linkhinweis:

Auf den Webseiten des BVerwG finden Sie den Volltext der Entscheidung.

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