29.01.2019

Regelmäßige Erhöhungen der Versicherungssumme bei dynamischen Lebensversicherungen können provisionspflichtig sein

Vermittelt der Versicherungsvertreter dynamische Lebensversicherungen, bei denen sich die Versicherungssumme nach dem Inhalt des Versicherungsvertrags in regelmäßigen Zeitabständen erhöht, wenn der Versicherungsnehmer nicht widerspricht, gehen die Erhöhungen auf die Vermittlungstätigkeit bei Abschluss des Versicherungsvertrags zurück und sind gem. § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB im Zweifel provisionspflichtig.

BGH v. 20.12.2019 - VII ZR 69/18
Der Sachverhalt:

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Erteilung von Provisionsabrechnungen für näher bezeichnete, von ihm vermittelte Lebensversicherungsverträge in Anspruch. Der Kläger war auf der Grundlage des im April 2008 geschlossenen Consultantvertrags bis Ende November 2013 als Versicherungsvertreter für die Beklagte tätig. Im Rahmen des Consultantvertrags vermittelte der Kläger u.a. die streitgegenständlichen Lebensversicherungsverträge, nach deren vertraglichen Bestimmungen während der Vertragslaufzeit planmäßig Erhöhungen der Beiträge und Versicherungsleistungen eintreten, wenn der Versicherungsnehmer nicht widerspricht (dynamische Lebensversicherungen).

Nach den mit den Kunden vereinbarten Versicherungsbedingungen wird ein konkludenter Widerspruch unwiderleglich vermutet, wenn der Versicherungsnehmer die erhöhte Prämie nicht zahlt. Mit Ausnahme von fünf Verträgen wurden die streitgegenständlichen Verträge nach Beendigung des Consultantvertrags weiter vom Kläger betreut, wobei streitig ist, ob der Kläger tatsächlich Betreuungsleistungen erbrachte. Der Kläger erhielt während der Vertragslaufzeit monatlich und auch nach Vertragsende einzelne Abrechnungen, mit denen ihm zustehende Provisionen gutgeschrieben und mit etwaigen Provisionsrückforderungen verrechnet wurden. Im Juli 2015 forderte der Kläger die Beklagte auf, Auskunft darüber zu erteilen, für welche von ihm als Untervertreter vermittelten Versicherungsverträge sie nach Beendigung des Consultantvertrags Dynamikprovisionen erhalten habe und in welcher Höhe. Die Beklagte lehnte die Erteilung dieser Auskunft ab.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte sei zur Erteilung entsprechender Provisionsabrechnungen verpflichtet, weil ihm für nach Vertragsende eintretende Summenerhöhungen eine Abschlussprovision zustehe. Er macht mit der Klage die Erteilung von Abrechnungen über Dynamikprovisionen für im Einzelnen näher bezeichnete, von ihm vermittelte Lebensversicherungsverträge für die Zeit ab dem 1.12.2013 bis zum jeweiligen Ablauf des Versicherungsvertrags geltend.

LG und OLG gaben der Klage statt. Auf die vom Kläger erhobene Anschlussberufung, mit der er im Wege der Stufenklage ergänzend begehrt hat, die Beklagte nach erfolgter Abrechnung zur Zahlung des sich aus den Abrechnungen ergebenden Betrags nebst Zinsen zu verurteilen, hat das OLG über den auf Abrechnung der Provision gerichteten Klageantrag durch Teilurteil entschieden. Die Revision der Beklagten, mit der Sie weiterhin die Abweisung der Klage erreichen wollte, hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:

Der Kläger ist nach § 259 ZPO berechtigt, die Abrechnung der künftig fällig werdenden Provisionen geltend zu machen.

Nach § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB gelten für das Vertragsverhältnis zwischen dem Versicherungsvertreter und dem Versicherer die Vorschriften für das Vertragsverhältnis zwischen dem Handelsvertreter und dem Unternehmer, wobei in Abweichung von § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB ein Versicherungsvertreter Anspruch auf Provision nur für die Geschäfte hat, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind. Vermittelt der Versicherungsvertreter dynamische Lebensversicherungen, bei denen sich die Versicherungssumme in regelmäßigen Zeitabständen erhöht, wenn der Versicherungsnehmer nicht widerspricht, gehen die Erhöhungen auf die Vermittlungstätigkeit bei Abschluss des Versicherungsvertrags zurück und sind gem. § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB im Zweifel provisionspflichtig. Der Eigenart dieses Vertragstyps entspricht es, die vereinbarungsgemäß eintretenden Erhöhungen bereits mit Abschluss des Versicherungsvertrags als vereinbart anzusehen, dem Versicherungsnehmer aber hinsichtlich der Erhöhungen ein Widerspruchsrecht zuzugestehen.

Mit dem Abschluss des Versicherungsvertrags entsteht für die Beklagte einseitig eine Bindung für die gesamte Vertragslaufzeit einschließlich sämtlicher Erhöhungen, die auflösend dadurch bedingt ist, dass der Versicherungsnehmer von dem ihm eingeräumten Widerspruchsrecht Gebrauch macht. Die Erhöhung der Versicherungssumme ist in diesen Fällen nicht von einer werbenden Tätigkeit eines Dritten abhängig, die nach § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 HGB, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB einen Provisionsanspruch des Versicherungsvertreters ausschließt. Denn die Erhöhung wird aufgrund des geschlossenen Lebensversicherungsvertrags bereits dann wirksam, wenn der Versicherungsnehmer nicht widerspricht und die erhöhte Versicherungsprämie zahlt. Mit der Annahme einer Provisionspflicht für vom Versicherungsvertreter vermittelte dynamische Lebensversicherungsverträge über den Zeitpunkt der Beendigung des Consultantvertrags hinaus wird das systematische Verhältnis von Provisionsansprüchen einerseits und dem Ausgleichsanspruch gem. § 89b Abs. 5 HGB andererseits nicht unterlaufen.

Soweit dem Versicherungsvertreter aufgrund der von ihm während der Vertragszeit vermittelten Versicherungsverträge nach Beendigung des Vertrags noch Ansprüche auf Zahlung von Abschlussprovisionen gem. § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB zustehen, tritt kein Provisionsverlust ein, der etwa für den Ausgleichsanspruch nach § 89b Abs. 5 HGB zu berücksichtigen wäre. Die Beschränkungen des § 89b Abs. 5 HGB finden lediglich Anwendung, wenn dem Versicherungsvertreter ein Ausgleichsanspruch zusteht. Es besteht daher kein Grund, die Beschränkungen des § 89b Abs. 5 HGB auf vom Versicherungsvertreter nach § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 HGB, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB zu beanspruchende Abschlussprovisionen, die nach Beendigung des Vertrags fällig werden, zu erstrecken. Die Voraussetzungen der § 92 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 87 Abs. 1 Satz 1 HGB liegen in Bezug auf die vom Kläger vermittelten dynamischen Lebensversicherungsverträge vor.

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