Republik Argentinien ist gegenüber privaten Gläubigern aus den von ihr begebenen Staatsanleihen zur Zahlung verpflichtet
BGH 24.2.2015, XI ZR 47/14 u.a.In den beiden Verfahren machten die Kläger Ansprüche aus Inhaberschuldverschreibungen geltend, die von der beklagten Republik Argentinien im Jahr 1997 bzw. 1996 ausgegeben worden waren. Der Kläger in der Sache XI ZR 193/14 begehrte die Rückzahlung des Nominalbetrags des von ihm 1997 erworbenen Miteigentumsanteils an den Ende Oktober 2009 fällig gewordenen Schuldverschreibungen nebst den am 30.10.2008 und 30.10.2009 fällig gewordenen Zinsen. Der Kläger in der Sache XI ZR 47/14 begehrt die Zahlung der aus den 1996 erworbenen Schuldverschreibungen am 13.11.2005 fällig gewordenen Zinsen für das Jahr 2005 nebst einem nach seiner Behauptung wegen der Nichtzahlung dieser Zinsen entgangenen Gewinn.
Die Beklagte sah sich seit 1999 mit erheblichen volkswirtschaftlichen Problemen konfrontiert, die sich zumindest zeitweise bis zu einer Finanzkrise des Staates ausgeweitet hatten. Mit Gesetz Nr. 25.561 über den öffentlichen Notstand und die Reform des Wechselkurssystems vom 6.1.2002 wurde der "öffentliche Notstand auf sozialem, wirtschaftlichem, administrativem, finanziellem und währungspolitischem Gebiet" erklärt. Auf der Grundlage der daraufhin erlassenen Verordnung 256/2002 vom 6.2.2002 zur Umstrukturierung der Verbindlichkeiten und Schuldenzahlungen der argentinischen Regierung wurde der Auslandsschuldendienst durch die Beklagte ausgesetzt, um ihn neu zu ordnen. Das Gesetz über den öffentlichen Notstand wurde immer wieder - zuletzt ein weiteres Mal bis zum 31.12.2015 - verlängert. Aufgrund dessen fielen auch die beiden Kläger mit den von ihnen nunmehr im Klagewege geltend gemachten Ansprüchen aus.
Das AG gab beiden Klagen im Wesentlichen statt. Das LG wies die Berufung der Beklagten im Verfahren XI ZR 193/14 vollständig bzw. im Verfahren XI ZR 47/14 ganz überwiegend zurück. Es hatte dabei u.a. die Ansicht der Beklagten abgelehnt, dass einem Schuldnerstaat, der sich in einer Finanzkrise befunden und mit einer Mehrheit seiner Gläubiger eine Umstrukturierung seiner Schulden vereinbart habe, ein völkerrechtlich begründetes Leistungsverweigerungsrecht gegenüber sog. Holdout-Gläubigern auch dann zukommen solle, wenn die Bedingungen der zugrunde liegenden Schuldverschreibung entsprechende (Umschuldungs-)Klauseln ("Collective Action Clauses") nicht enthalten haben.
Die hiergegen gerichteten Revisionen der Beklagten blieben vor dem BGH erfolglos.
Die Gründe:
Es gibt keine allgemeine Regel des Völkerrechtes, die einen Staat gegenüber Privatpersonen berechtigt, die Erfüllung fälliger privatrechtlicher Zahlungsansprüche unter Berufung auf den wegen Zahlungsunfähigkeit erklärten Staatsnotstand oder wegen einer mit der Mehrheit der Gläubiger freiwillig zustande gekommenen Umschuldung zeitweise zu verweigern. Bereits das BVerfG hatte im Jahr 2007 - auf mehrere Vorlagen des AG Frankfurt a.M. - im Zusammenhang mit anderen Staatsanleihen der Beklagten festgestellt, dass das Völkerrecht weder ein einheitliches noch ein kodifiziertes Konkursrecht der Staaten kennt (BVerfGE 118, 124).
Diese Feststellungen haben nach wie vor Gültigkeit. Entgegen der Auffassung der Beklagten hatte sich insbesondere nicht als Folge der Weltfinanzmarktkrise in den Jahren 2008 und 2009 und der sog. Euro-Rettungsmaßnahmen für Griechenland und Zypern eine allgemeine Regel des Völkerrechts i.S.d. Art. 25 GG mit dem Inhalt herausgebildet, dass sich sämtliche privaten Gläubiger eines Staates im Fall eines wirtschaftlichen und finanziellen Staatsnotstands an einer Umstrukturierung der Schulden beteiligen müssen und dem notleidend gewordenen Staat bis zu einer entsprechenden Vereinbarung ein Leistungsverweigerungsrecht hinsichtlich fälliger Zahlungsansprüche aus Privatrechtsverhältnissen zusteht.
Schließlich besagt dieser Absatz in der Sache nichts anderes, als dass dadurch das völkergewohnheitsrechtliche Institut des Notstands für den Sonderfall der Zahlungsunfähigkeit in Voraussetzungen und Rechtsfolgen konkretisiert wird. Im Kern beinhaltet er damit die Behauptung eines von der Staatengemeinschaft anerkannten Insolvenzrechts der Staaten. Ein solches besteht indes unzweifelhaft nicht, so dass es auch einer Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 2 i.V.m. Art. 25 GG nicht bedurfte.
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