Rezept-Prämie: Apotheken dürfen - bei Einhaltung der Bagatellgrenze von 1 € je Arzneimittel - auch mit Einkaufsgutscheinen im Wert von mehr als 1 € werben
BGH 8.5.2013, I ZR 90/12Der Kläger ist Apotheker. Er streitet mit der Beklagten, der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, darüber, ob er seinen Kunden bei der Einlösung von Rezepten für verschreibungspflichtige und damit preisgebundene Arzneimittel eine "Rezept-Prämie" in Form eines beim Kauf nicht rezeptpflichtiger Arzneimittel einlösbaren Einkaufsgutscheins im Wert von mehr als einem Euro ankündigen und gewähren darf.
Der Kläger warb für die von ihm insoweit durchgeführte Prämienaktion u.a. mit einem Flyer, auf dem vor einem im Hintergrund abgebildeten Rezept mehrere rot unterlegte Schriftzüge zu sehen waren. Dort hieß es u.a. "Rezept-Pämie bis zu 3 € geschenkt!" und "Für die Einlösung eines Rezeptes bekommen sie pro verschreibungspflichtigem Arzneimittel einen 1 € Einkaufsgutschein geschenkt! - sofort einlösbar"
Die Beklagte mahnte den Kläger deswegen mit der Begründung ab, die Bewerbung und Gewährung einer solchen Prämie verstoße gegen das Arzneimittelpreisrecht und sei damit auch wettbewerbswidrig. Die vom Kläger gegen die Beklagte deshalb erhobene negative Feststellungsklage erklärten die Parteien übereinstimmend für erledigt. Vorliegend geht es um die Widerklage der Beklagten, mit der sie vom Kläger Unterlassung und Ersatz von Abmahnkosten begehrt.
Das LG gab der Widerklage statt; das OLG wies sie ab. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das OLG hat mit Recht angenommen, dass die Bewerbung und Gewährung von Einkaufsgutscheinen im Wert von bis zu 3 € für den Bezug verschreibungspflichtiger und damit preisgebundener Arzneimittel dann nicht die Bagatellgrenze des § 3 Abs. 1 UWG überschreitet, wenn der Wert des dem Kunden für jedes bezogene Mittel gewährten Vorteils 1 € nicht übersteigt.
Der erkennende Senat hat die von ihm bislang noch nicht entschiedene Frage, wo die Wertgrenze für eine geringwertige Kleinigkeit i.S.d. für die vorzunehmende Abgrenzung maßgeblichen § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fall 2 HWG verläuft, dahingehend beantwortet, dass diese Grenze bereits bei 1 € liegt (BGH 8.5.2013, I ZR 98/12 - RezeptBonus). Die sich in der Sache "RezeptBonus" nicht stellende, vorliegend dagegen streitentscheidende Frage, ob bei Rezepten, mit denen mehrere verschreibungspflichtige Mittel verschrieben worden sind, die Wertgrenze damit ebenfalls bei einem Euro liegt oder aber mit der Zahl der auf dem Rezept verschriebenen und bezogenen Mittel ansteigt, ist mit dem OLG in dem Sinn zu beantworten, dass die Wertgrenze von 1 € für jedes verschreibungspflichtige Arzneimittel gilt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Senatsentscheidung "Bonuspunkte" (BGH 9.9.2010, I ZR 98/08). Dort hat der Senat entschieden, dass unter den Begriff der geringwertigen Kleinigkeit i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fall 2 HWG allein Gegenstände von so geringem Wert fallen, dass eine relevante unsachliche Beeinflussung der Werbeadressaten als ausgeschlossen erscheint; deshalb seien nur kleinere Zugaben, die sich als Ausdruck allgemeiner Kundenfreundlichkeit darstellten, als geringwertige Kleinigkeiten im Sinne dieser Vorschrift anzusehen.
Insoweit wendet sich die Beklagte mit ihrem abstrakt gefassten Unterlassungsantrag vergeblich dagegen, dass der Kläger bei Rezepten, mit denen zwei oder mehr verschreibungspflichtige Arzneimittel verschrieben worden sind, die für die Annahme einer geringwertigen Kleinigkeit i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fall 2 HWG und damit eines Bagatellverstoßes i.S.v. § 3 Abs. 1 UWG maßgebliche Wertgrenze von 1 € zweifach bzw. dreifach ausschöpft. Das mit der beanstandeten Werbung angesprochene Publikum erkennt, dass das Gutscheinsystem des Klägers dem Kunden keinen besonderen Vorteil verschafft, sondern lediglich verhindert, dass diesem aus dem für ihn mehr oder weniger zufälligen Umstand, dass ihm auf einem einzigen Rezept mehr als ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel verschrieben worden ist, beim zweiten und beim dritten verschriebenen Mittel ein sachlich nicht gerechtfertigter Nachteil entsteht.
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