Sachverständigenkosten: Reicht eine unbeglichene Rechnung?
BGH 5.6.2018, VI ZR 185/16Die Klägerin, deren Unternehmensgegenstand der Ankauf und die Einziehung von Forderungen ist, nahm den beklagten Haftpflichtversicherer aus abgetretenem Recht auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall von Oktober 2013 in Anspruch. Dabei war der Pkw Nissan Micra der Geschädigten durch den Versicherungsnehmer der Beklagten beschädigt worden.
Ein Sachverständigenbüro fertigte im Auftrag der Geschädigten ein Gutachten an und stellte 495 € in Rechnung. Dabei unterzeichnete die Geschädigte eine formularmäßige Abtretungsvereinbarung. Das Sachverständigenbüro trat die Ansprüche seinerseits an die Klägerin ab. Die Beklagte zahlte auf die Sachverständigenkosten vorgerichtlich 390 € an die Klägerin. Die Rechnung im Übrigen sah sie als überhöht an.
Das AG wies die Klage, mit der die Klägerin die Beklagte auf Zahlung der Differenz von 105 € in Anspruch genommen hatte, ab; das LG gab ihr statt. Auf die Revision der Beklagten hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.
Gründe:
Das Berufungsgericht hat bei seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt.
Der Geschädigte ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Er ist grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Allerdings trifft den Geschädigten gem. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB die Darlegungslast hinsichtlich des oben beschriebenen erforderlichen Herstellungsaufwandes.
Dieser Darlegungslast genügt der Geschädigte regelmäßig durch Vorlage einer - von ihm beglichenen - Rechnung des mit der Begutachtung seines Fahrzeugs beauftragten Sachverständigen. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages zur Schadensbehebung reicht dann grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Hier hat das Berufungsgericht die von der Geschädigten nicht beglichene Rechnung als Indiz ausreichen lassen, um der Klägerin (Zweitzessionarin) einen Schadensersatzanspruch in Höhe des vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Betrages zuzusprechen, und ohne nähere Begründung ausgeführt, die Abrechnung einer überhöhten Gutachterforderung sei für die Geschädigte jedenfalls nicht erkennbar gewesen. Damit hat es die Anforderungen an die nach den obigen Grundsätzen zu bestimmende Darlegungslast verkannt.
Legt der an die Stelle des Geschädigten getretene Zessionar somit lediglich die unbeglichene Rechnung vor, genügt danach ein einfaches Bestreiten der Schadenshöhe durch den beklagten Schädiger oder Haftpflichtversicherer, wenn nicht der Zessionar andere konkrete Anhaltspunkte für den erforderlichen Herstellungsaufwand unter Berücksichtigung der speziellen Situation des Geschädigten beibringt. Bei der dann vom Tatrichter zu leistenden Bemessung der Schadenshöhe ist zu beachten, dass der Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO tragfähige Anknüpfungspunkte zugrunde liegen müssen. Im Rahmen der Schätzung kann bei Fehlen einer Preisvereinbarung zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen - eine solche hatte die Klägerin nicht geltend gemacht - an die übliche Vergütung gem. § 632 Abs. 2 BGB angeknüpft werden, denn der verständige Geschädigte wird unter diesen Umständen im Regelfall davon ausgehen, dass dem Sachverständigen die übliche Vergütung zusteht. Diese ist dann regelmäßig schadensrechtlich erforderlich i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB.
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