07.11.2017

SAT.1 vorläufig zur Ausstrahlung von Sendezeiten für unabhängige Dritte verpflichtet

Der Privatsender SAT.1 wurde im Rahmen eines Eilverfahrens vorläufig verpflichtet, bis zum rechtskräftigen Abschluss des derzeit noch anhängigen Klageverfahrens wöchentlich drei Stunden Sendezeiten für unabhängige Dritte ("Drittsendezeiten") in seinem Fernsehprogramm aufzunehmen.

OVG Rheinland-Pfalz 17.10.2017, 2 B 11451/17.OVG
Der Sachverhalt:
Laut Rundfunkstaatsvertrag besteht die rundfunkrechtliche Verpflichtung zur Einräumung von Drittsendezeiten in der Form von sog. Fensterprogrammen. Danach wird seit Mitte der 90er Jahre die Genehmigung zur Ausstrahlung eines privaten Fernsehvollprogramms u.a. davon abhängig gemacht, dass innerhalb dieses Programms bestimmte Zeitanteile unabhängigen Produzenten von Fernsehprogrammen (sog. Fensterprogrammveranstalter) eingeräumt werden. Diese Verpflichtung tritt immer dann ein, wenn der Privatsender bei Einleitung des Verfahrens im Durchschnitt der letzten zwölf Monate einen Zuschaueranteil von 10 % oder, falls der Privatsender einer Sendergruppe angehört, die Sendergruppe insgesamt einen Zuschaueranteil von 20 % erreicht oder überschritten hat.

Ob bei einem Privatsender oder der Sendergruppe ein solcher Zuschaueranteil vorliegt, wird von der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) auf Veranlassung der zuständigen Landesmedienanstalt - in Rheinland-Pfalz die Landesanstalt für Medien und Kommunikation (LMK) - ermittelt. Die Drittsendezeiten werden anschließend von der LMK öffentlich ausgeschrieben. In früheren Zulassungszeiträumen wurde jeweils die auch im aktuellen Verfahren beteiligte Produktionsfirma dctp und eine - nicht mehr existierende - weitere Anbieterin von der LMK berechtigt, im Programm von SAT.1 Fensterprogramme zu veranstalten. Die letzte Zulassung endete Ende Mai 2013. Für den anschließenden Zulassungszeitraum wählte die LMK zunächst diese Anbieter nochmals aus.

In dem damals von SAT.1 eingeleiteten ersten Eilverfahren wurden vom OVG Rechtsfehler in der Ausschreibung und den Vergabeentscheidungen festgestellt und zunächst die sofortige Vollziehbarkeit der Zulassungsbescheide beseitigt Unmittelbar nach Ergehen der Eilentscheidungen stellte SAT.1 im September 2014 die Ausstrahlung der überregionalen Fensterprogramme ein. Im anschließenden Hauptsacheverfahren hob das VG Neustadt an der Weinstraße die Zulassungsbescheide der LMK auf. Hiergegen legte (nur) dctp Berufung ein. Da das OVG allerdings wegen des Überschreitens der Zuschaueranteile von 10 % bzw. 20 % bereits 2014 die grundsätzliche Verpflichtung von SAT.1 zur Einräumung von Drittsendezeiten festgestellt hatte, schrieb die LMK die Fensterprogramme - unter Vorbehalt - neu aus. In diesem Verfahren wurden von der LMK und SAT.1 einvernehmlich drei Fensterprogrammveranstalter ausgewählt (darunter wiederum die Firma dctp) sowie SAT.1 verpflichtet, diesen im Hauptprogramm Sendezeiten einzuräumen. Hiergegen erhob SAT.1 erneut Klage und stellte einen weiteren Eilantrag, mit dem sie die in dem Bescheid zugleich enthaltene Verpflichtung zur sofortigen Einräumung von Drittsendezeiten beseitigen will.

Das VG gab dem Eilantrag von SAT.1 statt. Auf die Beschwerden von der LMK und dctp wies das OVG den Antrag ab und stellte vorläufig die Verpflichtung von SAT.1 fest, die Sendezeiten für unabhängige Dritte in ihrem Fernsehprogramm aufzunehmen.

Die Gründe:
Es sind keine Rechtsfehler in der Ausschreibung, der Auswahl und der Vergabe der Zulassungen der drei ausgewählten Fensterprogrammveranstalter zu erkennen.

Der Zuschaueranteil der Sendergruppe wurde von der KEK zutreffend mit 20,04 % festgestellt. Damit haben zum maßgeblichen Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens die Zuschaueranteile einen Wert erreicht, der die LMK berechtigt hat, die zur Sicherung der Meinungsvielfalt im privaten Rundfunk vorgesehenen Drittsendezeiten auszuschreiben. Die Zuschaueranteile sind während des laufenden Verfahrens auch nicht so stark zurückgegangen, dass die Verpflichtung zur Einräumung von Drittsendezeiten unverhältnismäßig erscheint. Weitere Fehler im Vergabeverfahren sind nicht festzustellen. Insbesondere haben die beteiligten Organe der LMK innerhalb ihrer Zuständigkeit gehandelt.

Das Verfahren durfte auch schon beginnen, obwohl die Berufung in dem vorherigen Vergabeverfahren noch beim Senat anhängig war. Insofern war die Angelegenheit eilbedürftig, weil trotz des auch vom OVG festgestellten Überschreitens der Zuschaueranteile seit der Einstellung der Fensterprogramme im September 2014 mehr als drei Jahre keine überregionalen Fensterprogramme im Hauptprogramm von SAT.1 mehr ausgestrahlt worden sind. Diesen Zustand durfte die LMK so schnell wie möglich beenden.

Unabhängig von der wohl nicht erfolgreichen Klage von SAT.1 in der Hauptsache war bereits in dem vorliegenden rundfunkrechtlichen Eilverfahren eine Folgenabwägung zu treffen. Danach ist dem öffentlichen Interesse an einer zeitnahen und effektiven Gewährleistung der Meinungsvielfalt im Medienbereich gegenüber dem Interesse von SAT.1 an einer ungeschmälerten Ausstrahlung ihres privaten Fernsehprogramms der Vorrang einzuräumen. Unter Zugrundelegung der gesamten Sendezeit der aus neun verschiedenen Programmen bestehenden Sendergruppe und bei einer unterstellten Sendedauer von 24 Stunden je Sender wird das Recht auf freie Programmgestaltung des Privatsenders lediglich in einer Größenordnung von nicht einmal 0,2 Prozent eingeschränkt.

Die Grundrechtsbetroffenheit der Sendergruppe, für die SAT.1 agiere, kann deshalb in der Gesamtbetrachtung nur als geringfügig angesehen werden. Demgegenüber würde die bei einem Erfolg des Eilantrags von SAT.1 eintretende Fortschreibung des verfassungsrechtlich nicht tragbaren Zustands, bei dem trotz festgestellter Verpflichtung von SAT.1 zur Einräumung von Drittsendezeiten keine Fensterprogramme mehr ausgestrahlt würden, deutlich schwerer wiegen. Der neuerliche Eilantrag von SAT.1 würde im Ergebnis die Hauptsache allein durch Zeitablauf im Ergebnis vorwegnehmen.

OVG Rheinland-Pfalz PM Nr. 24 vom 27.10.2017
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