Schadensersatz für öffentliche Zugänglichmachung des Films "The Goldfinch (Der Distelfink)"
LG Frankenthal v. 19.3.2024 - 6 S 12/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Inhaberin der Verwertungsrechte für den Film "The Goldfinch (Der Distelfink)". Der Film war am 25.10.2020 von 21:38:09 Uhr bis 21:38:23 über eine IP-Adresse, die dem Beklagten zugewiesen ist, über eine Internettauschbörse angeboten worden. Am 2.11.2020 wurde der Beklagte von der Klägerin abgemahnt, woraufhin dieser eine Unterlassungserklärung abgab. Mit demselben Schreiben wurde der Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 700 € und Abmahnkosten von 215 € bis zum 12.11.2020 aufgefordert. Die branchenüblichen Lizenzgebühren für Filme wie den streitgegenständlichen belaufen sich nach unstreitigem Klägervortrag auf ca. 50 % bis 70 % des Netto-Verkaufspreises. Letzterer beläuft sich laut Kaufanzeige bei maxdome auf 13,99 € brutto, mithin 11,76 € netto.
Die Klägerin war der Ansicht, der Beklagte hafte, da seine Täterschaft vermutet werde. Der Beklagte habe keine ernsthafte Möglichkeit vorgetragen, dass jemand anderes seinen Internetzugang genutzt habe. Er habe lediglich theoretische Möglichkeiten dargelegt und dabei nicht einmal substantiiert vorgetragen, welche Personen mit welchem Nutzungsverhalten und welchen Kenntnissen und Fähigkeiten überhaupt den Internetanschluss nutzen konnten und welche Nachforschungsbemühungen er betrieben habe. Ein Schadensersatz von mind. 1.000 € sei angemessen, da die Klägerin nach den Entscheidungen des BGH zur Tauschbörse I, II und III von mind. 400 Abrufen auch ohne konkreten Nachweis ausgehen dürfe.
Das AG hat die Klage abgewiesen. Die tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des Anschlussinhabers durch die Erfüllung der dem Beklagten im Streitfall obliegenden sekundären Darlegungslast zur Mitnutzung seines Internetanschlusses durch seine Ehefrau, seine Kinder und seinen Neffen im Tatzeitpunkt sei erschüttert worden. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das OLG das Urteil abgeändert und den Beklagten zur Zahlung von 706 € Schadensersatz und 215 € Abmahnkosten verurteilt.
Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch aus § 97 Abs. 2 UrhG.
Der streitgegenständliche Film ist nach §§ 88 ff. UrhG geschützt. Die Klägerin ist unstreitig Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte. Der Beklagte ist bei Zugrundelegung des Klägervortrags gem. § 539 Abs. 2 ZPO auch als Täter verantwortlich für die öffentliche Zugänglichmachung des Films i.S.d. §§ 19a, 94 UrhG. Da der Film der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht worden war, die zum fraglichen Zeitpunkt dem Beklagten zugeteilt war, sprach eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Beklagte für die Rechtsverletzung verantwortlich war. Er hatte auch kein Nutzungsrecht für die Verwertungshandlung und handelte zudem rechtswidrig und schuldhaft.
Die Schadenshöhe ermittelte sich nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie sowie der im Bereich der Musiktitel entwickelten Faktorrechtsprechung des BGH. Im Rahmen der tatrichterlichen Schadensschätzung nach § 287 ZPO ist die Kammer für den hiesigen Einzelfall zu der Überzeugung gelangt, dass die Zugrundelegung eines Faktors von 100 als angemessen zu erachten ist. Die Kammer ging dabei zunächst von der Prämisse aus, dass Filme aufgrund eines größeren Nutzerkreises häufiger geteilt werden als Computerspiele, weshalb grundsätzlich ein Faktor heranzuziehen ist, der größer als 50 ist. Ein Faktor von 200 oder 400, wie dies bei Musiktiteln angenommen worden war, kam jedoch nicht in Betracht, da aufgrund des größeren Datenvolumens von Filmen gegenüber Musiktiteln nicht davon ausgegangen werden kann, dass Filme ebenso schnell und häufig heruntergeladen werden wie dies bei Musiktiteln der Fall ist.
Weiterhin war davon auszugehen, dass bei der Festsetzung eines entsprechenden Faktors berücksichtigt werden muss, dass mittlerweile auf vielfältige legale Streamingangebote, sowohl kostenpflichtige als auch kostenfreie, zum Herunterladen von Filmen zugegriffen werden kann, was sich letztlich auf die Anzahl an Abrufen auswirkt und somit den Faktor nach unten beeinflusst. Insofern konnte die Klägerin auch nicht mit ihrer Annahme durchdringen, es sei angemessen von mind. 400 Abrufen der streitgegenständlichen Datei auszugehen.
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Landesrecht Rheinland-Pfalz
Die Klägerin ist Inhaberin der Verwertungsrechte für den Film "The Goldfinch (Der Distelfink)". Der Film war am 25.10.2020 von 21:38:09 Uhr bis 21:38:23 über eine IP-Adresse, die dem Beklagten zugewiesen ist, über eine Internettauschbörse angeboten worden. Am 2.11.2020 wurde der Beklagte von der Klägerin abgemahnt, woraufhin dieser eine Unterlassungserklärung abgab. Mit demselben Schreiben wurde der Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 700 € und Abmahnkosten von 215 € bis zum 12.11.2020 aufgefordert. Die branchenüblichen Lizenzgebühren für Filme wie den streitgegenständlichen belaufen sich nach unstreitigem Klägervortrag auf ca. 50 % bis 70 % des Netto-Verkaufspreises. Letzterer beläuft sich laut Kaufanzeige bei maxdome auf 13,99 € brutto, mithin 11,76 € netto.
Die Klägerin war der Ansicht, der Beklagte hafte, da seine Täterschaft vermutet werde. Der Beklagte habe keine ernsthafte Möglichkeit vorgetragen, dass jemand anderes seinen Internetzugang genutzt habe. Er habe lediglich theoretische Möglichkeiten dargelegt und dabei nicht einmal substantiiert vorgetragen, welche Personen mit welchem Nutzungsverhalten und welchen Kenntnissen und Fähigkeiten überhaupt den Internetanschluss nutzen konnten und welche Nachforschungsbemühungen er betrieben habe. Ein Schadensersatz von mind. 1.000 € sei angemessen, da die Klägerin nach den Entscheidungen des BGH zur Tauschbörse I, II und III von mind. 400 Abrufen auch ohne konkreten Nachweis ausgehen dürfe.
Das AG hat die Klage abgewiesen. Die tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des Anschlussinhabers durch die Erfüllung der dem Beklagten im Streitfall obliegenden sekundären Darlegungslast zur Mitnutzung seines Internetanschlusses durch seine Ehefrau, seine Kinder und seinen Neffen im Tatzeitpunkt sei erschüttert worden. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das OLG das Urteil abgeändert und den Beklagten zur Zahlung von 706 € Schadensersatz und 215 € Abmahnkosten verurteilt.
Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch aus § 97 Abs. 2 UrhG.
Der streitgegenständliche Film ist nach §§ 88 ff. UrhG geschützt. Die Klägerin ist unstreitig Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte. Der Beklagte ist bei Zugrundelegung des Klägervortrags gem. § 539 Abs. 2 ZPO auch als Täter verantwortlich für die öffentliche Zugänglichmachung des Films i.S.d. §§ 19a, 94 UrhG. Da der Film der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht worden war, die zum fraglichen Zeitpunkt dem Beklagten zugeteilt war, sprach eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Beklagte für die Rechtsverletzung verantwortlich war. Er hatte auch kein Nutzungsrecht für die Verwertungshandlung und handelte zudem rechtswidrig und schuldhaft.
Die Schadenshöhe ermittelte sich nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie sowie der im Bereich der Musiktitel entwickelten Faktorrechtsprechung des BGH. Im Rahmen der tatrichterlichen Schadensschätzung nach § 287 ZPO ist die Kammer für den hiesigen Einzelfall zu der Überzeugung gelangt, dass die Zugrundelegung eines Faktors von 100 als angemessen zu erachten ist. Die Kammer ging dabei zunächst von der Prämisse aus, dass Filme aufgrund eines größeren Nutzerkreises häufiger geteilt werden als Computerspiele, weshalb grundsätzlich ein Faktor heranzuziehen ist, der größer als 50 ist. Ein Faktor von 200 oder 400, wie dies bei Musiktiteln angenommen worden war, kam jedoch nicht in Betracht, da aufgrund des größeren Datenvolumens von Filmen gegenüber Musiktiteln nicht davon ausgegangen werden kann, dass Filme ebenso schnell und häufig heruntergeladen werden wie dies bei Musiktiteln der Fall ist.
Weiterhin war davon auszugehen, dass bei der Festsetzung eines entsprechenden Faktors berücksichtigt werden muss, dass mittlerweile auf vielfältige legale Streamingangebote, sowohl kostenpflichtige als auch kostenfreie, zum Herunterladen von Filmen zugegriffen werden kann, was sich letztlich auf die Anzahl an Abrufen auswirkt und somit den Faktor nach unten beeinflusst. Insofern konnte die Klägerin auch nicht mit ihrer Annahme durchdringen, es sei angemessen von mind. 400 Abrufen der streitgegenständlichen Datei auszugehen.
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