22.08.2014

Schadensersatz wegen Falschberatung: Zur Aufnahme eines durch Insolvenz der Beklagten und Revisionsklägerin unterbrochenen Revisionsverfahrens

Der BGH hat zur Aufnahme eines durch Insolvenz der Beklagten und Revisionsklägerin unterbrochenen Revisionsverfahrens durch den Kläger und Revisionsbeklagten gegen eine der Feststellung der streitgegenständlichen Forderungen zur Insolvenztabelle widersprechende Gläubigerin Stellung genommen. Weiter hat sich der BGH mit der Anrechnung von Steuervorteilen, die sich aus einer Kapitalanlage ergeben, im Schadensersatzprozess des Anlegers, befasst.

BGH 17.7.2014, III ZR 218/13
Der Sachverhalt:
Der Kläger macht Ansprüche auf Ersatz des Schadens geltend, der ihm durch seine Beteiligungen an der C. II KG sowie der C. III KG entstanden ist. Die Beklagte zu 1), eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, ist Treuhandkommanditistin der KG's, die auch mit den Aufgaben der Mittelverwendungskontrolle betraut war. Der frühere Beklagte zu 2) ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 1). Komplementärin der jeweiligen Kommandit-gesellschaften ist die Beklagte zu 3), deren Geschäftsführer die früheren Beklagten zu 4) und 5) sind. Die (an Stelle der Beklagten zu 1) in den Rechtsstreit eingetretene) Revisionsklägerin ist der Haftpflichtversicherer der Beklagten zu 1).

Der Kläger erwarb im Juni 1999 Kommanditeinlagen an der C. II KG (rd. 25.600 € zzgl. 5 Prozent Agio); er erhielt Ausschüttungen von rd. 8.200 €. Im Januar 2000 erwarb er Kommanditeinlagen an der C. III KG (rd. 41.000 € zzgl. 5 Prozent Agio); hier erhielt er Ausschüttungen i.H.v. rd. 10.800 €. Der Kläger ist der Ansicht, der Prospekt sei in vielen Punkten fehlerhaft, wofür u.a. die Beklagte zu 1) als Prospektverantwortliche einzustehen habe. Einen Prospektmangel und eine Aufklärungspflichtverletzung sieht er insbes. darin, dass er nicht über Provisionszahlungen i.H.v. 20 Prozent des Zeichnungskapitals für die Eigenkapitalvermittlung an die IT-GmbH unterrichtet worden sei. Der Kläger nahm die Beklagten erstinstanzlich auf Zahlung von Schadensersatz und Auskunftserteilung in Anspruch.

Das LG wies die Klage ab. Im Berufungsrechtszug machte der Kläger u.a. gegen die Beklagte zu 1) als Schaden für jede Anlage die Differenz zwischen den eingezahlten Beträgen abzgl. der Ausschüttungen geltend. Er beantragte die Zahlung Zug um Zug gegen Abtretung seiner Rechte an der Kommanditbeteiligung an den jeweiligen Fondsgesellschaften. Das OLG gab der Klage im Hinblick auf die gegen die Beklagten zu 1) und 3) gerichteten Zahlungsanträge weitestgehend statt. Mit der Revision begehrte die Beklagte zu 1) die Zurückweisung der Berufung des Klägers. Das Revisionsverfahren wurde gem. § 240 S. 2 ZPO dadurch unterbrochen, dass das AG - Insolvenzgericht - der Beklagten zu 1) im August 2010 ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegte. Im Dezember 2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten zu 1) eröffnet.

Die Revisionsklägerin widersprach im Insolvenzverfahren als Gläubigerin der Beklagten zu 1) den vom Kläger zur Tabelle angemeldeten streitgegenständlichen Forderungen. Im Juni 2013 nahm der Kläger das unterbrochene Verfahren gegen die Revisionsklägerin als widersprechende Gläubigerin gem. § 250 ZPO i.V.m. § 179 Abs. 1 und § 180 Abs. 2 InsO "in Höhe der vom Insolvenzverwalter festgestellten Forderungen" auf. Er beantragt, die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, die von der Gläubigerin bestrittenen Forderungen in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der C-mbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zur Insolvenztabelle festzustellen, soweit sie streitgegenständlich sind. Der BGH hob das Berufungsurteil insoweit auf, also zum Nachteil der Beklagten zu 1) entschieden wurde, und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision in der Sache stand. Die in der Revisionsverhandlung - in Anpassung an die Vorschriften der InsO - umgestellten Anträge des Klägers führen jedoch zur Aufhebung desangefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

Das Verfahren ist durch die Erklärung des Klägers vom 6.6.2013 in Höhe der vom Insolvenzverwalter festgestellten Forderungen wirksam aufgenommen worden. Der Kläger hat die streitgegenständlichen Forderungen in voller Höhe zur Tabelle angemeldet. Der Insolvenzverwalter hat der Anmeldung nicht widersprochen und die angemeldeten Forderungen in voller Höhe "für den Ausfall" bzw. auflösend bedingt "für den Ausfall" festgestellt. Der Kläger hat mithin das Verfahren in voller Höhe der streitgegenständlichen Forderungen aufgenommen. Gegen die Wirksamkeit der Aufnahme bestehen keine Bedenken. Aufnahmegegner ist, wenn der Gläubiger die Feststellung seiner Forderung zur Tabelle betreibt, der dieser Feststellung widersprechende Gläubiger. Der Bestreitende tritt an Stelle des Schuldners in den aufgenommenen Rechtsstreit ein. Die Revisionsklägerin ist somit in Folge der Aufnahme des Verfahrens durch den Kläger gegen sie - als der Feststellung der streitgegenständlichen Forderungen zur Tabelle widersprechende Gläubigerin - in den Rechtsstreit an Stelle der Beklagten zu 1) eingetreten.

Die Sache war an das OLG zurückzuverweisen, da hinsichtlich der vom Kläger - in verfahrensrechtlicher Anpassung an die insoweit maßgebenden Vorschriften der InsO - umgestellten Anträge auf Feststellung zur Insolvenztabelle weitere Feststellungen zu treffen sind. Für das weitere Verfahren war auf Folgendes hinzuweisen: Eine Haftung der Beklagten zu 1) dürfte nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen dem Grunde nach feststehen. In Bezug auf die Höhe des von der Beklagten zu 1) zu ersetzenden Schadens des Klägers hat das OLG zutreffend auf die Differenz zwischen der eingezahlten Gesamtsumme und den erhaltenen Ausschüttungen abgestellt. Eine Anrechnung etwaiger Steuervorteile des Klägers hat es zu Recht verneint.

Bei der Betrachtung möglicher Steuervorteile muss berücksichtigt werden, ob dem Geschädigten aus der Zuerkennung des Schadensersatzanspruchs und dessen Gestaltung steuerliche Nachteile erwachsen, sei es durch eine Nachforderung des Finanzamts, sei es durch eine Besteuerung der Schadensersatzleistung oder der Zug um Zug gegen die Schadensersatzleistung vorgesehenen Übertragung der Kapitalanlage. Eine exakte Errechnung von Steuervorteilen unter Gegenüberstellung der tatsächlichen mit einer hypothetischen Vermögenslage würde angesichts der vielfältigen Besonderheiten und Möglichkeiten der konkreten Besteuerung und ihrer unterschiedlichen Entwicklung in verschiedenen Besteuerungszeiträumen häufig unverhältnismäßigen Aufwand erfordern.

Wenn ein Anleger wegen einer Pflichtverletzung so gestellt werden will, als hätte er sich nicht beteiligt, kann zwischen dem Zeitpunkt der Beteiligung und der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ein erheblicher Zeitraum liegen. Dies wird häufig dazu führen, dass der durch die Versteuerung der Ersatzleistung ergebende Nachteil, der sich nach den persönlichen Verhältnissen des Anlegers und seinen steuerrechtlichen Rahmenbedingungen im Zeitpunkt der Erfüllung des Ersatzanspruchs richtet, nicht mit den eingetretenen Vorteilen übereinstimmt. Soweit sich daraus bleibende Vorteile des Geschädigten ergeben können, ist indes nach der Rechtsprechung des BGH eine Berücksichtigung dieses Umstands unter dem Gesichtspunkt "außergewöhnlicher Steuervorteile" schadensersatzrechtlich nicht geboten.

Dem scheint zwar der Grundsatz entgegenzustehen, der Geschädigte dürfe durch die Ersatzleistung nicht besser gestellt werden als ohne die Schädigung. Andererseits ist zu bedenken, dass eine Berücksichtigung dieses Umstands zu einer erheblichen Erschwerung der Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs führen würde. Der Geschädigte wäre gehalten, aus Anlass der Durchsetzung seines Anspruchs aufwändige Berechnungen vorzunehmen oder vornehmen zu lassen und Einblicke in seine persönlichen Verhältnisse zu ermöglichen, die den Schädiger nichts angehen. Vor allem aber ist nicht einzusehen, warum die Vorteile einer allgemeinen Absenkung des Steuersatzes, die nach dem Willen des Gesetzgebers allen Steuerpflichtigen - jenseits des zu beurteilenden Schadensfalls - gleichermaßen zugute kommen sollen, einem geschädigten Anleger zu Gunsten des Schädigers (teilweise) wieder genommen werden sollen.

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