16.11.2018

Schlussantrag des Generalanwalts: Kein urheberrechtlicher Schutz für schlichte militärische Lageberichte

Am 25.10.2018 hat der Generalanwalt am EuGH Szpunar in seinen Schlussanträgen die Auffassung vertreten, dass schlichte militärische Lageberichte nicht dem Urheberrecht unterfallen. Zweifel bestünden zum einen an der Einordnung der Berichte als urheberrechtlich schutzfähiges Werk. Zum anderen könne die Berufung auf das Urheberrecht an ihnen nicht zu einer Beschränkung der freien Meinungsäußerung führen.

EuGH-Generalanwalt v. 25.10.2018, Rs. C-469/17
Der Sachverhalt:

Die Bundesrepublik Deutschland verfolgt die Praxis, wöchentlich verfasste militärische Lageberichte in Form einer "Unterrichtung des Parlaments (UdP)" und charakterisiert als Verschlusssache der niedrigsten Geheimhaltungsstufe an ausgewählte Bundestagsabgeordnete, an Referate in verschiedenen Bundesministerien und an bestimmte nachgeordnete Behörden zu versenden. Daneben werden diese Berichte in gekürzter Form auch veröffentlicht.

Die Gesellschaft Funke Medien NRW beantragte im Jahr 2012 Zugang zu den UdP der letzten elf Jahre, was unter Berufung auf Sicherheitsbelange der Bundeswehr abgelehnt wurde. Funke Medien NRW erhielt die Unterlagen auf anderem Wege und veröffentlichte Teile davon unter dem Titel "Afghanistan-Papiere".

Die Bundesrepublik Deutschland vertrat die Auffassung, sie sei durch die Veröffentlichung in ihrem Urheberrecht an den Texten verletzt und klagte vor den deutschen Zivilgerichten auf Unterlassung. In diesem Zusammenhang legte der BGH dem EuGH Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, insbesondere im Hinblick auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung, vor.

Der Vorschlag des EuGH-Generalanwalts:

Der Generalanwalt am EuGH Szpunar ist der Ansicht, dass schlichte militärische Lageberichte nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlich harmonisierten Urheberrechts fallen. Es handele sich bei den Berichten um reine Informationsdokumente, die in neutraler Sprache geschrieben seien. Das Urheberrecht schütze grundsätzlich die Art, Ideen oder Informationen in einem Werk zu präsentieren. Die Ideen oder "rohe" Informationen als solche könnten frei wiedergegeben oder vervielfältigt werden.

Des Weiteren hält es der Generalanwalt nicht für möglich, dass sich die Bundesrepublik Deutschland auf ihr Urheberrecht an den Berichten beruft, um die Freiheit der Meinungsäußerung einzuschränken.

Zwar könne eine Beschränkung der freien Meinungsäußerung mit dem Schutz von vertraulichen Informationen zur Gewährleistung der nationalen Sicherheit begründet werden; Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sei aber der Schutz der militärischen Berichte durch das Urheberrecht, nicht als vertrauliche Information. Das Urheberrecht würde in diesem Fall zur Verfolgung ihm fremder Schutzzwecke eingesetzt.

Da der Staat zudem nicht Grundrechts-Berechtigter, sondern Grundrechts-Verpflichteter sei, könne er sich nicht auf das Recht am (geistigen) Eigentum berufen, um das Recht auf freie Meinungsäußerung zu beschränken. Zwar müssten manche Informationen geheim bleiben, wenn ihr Bekanntwerden eine Gefahr für wesentliche Interessen des Staates oder der Gesellschaft darstelle. Wenn der Staat aber etwaige Schutzmechanismen wie die Einordnung von Dokumenten in bestimmte Geheimhaltungsstufen selbst nicht anwende, könne er nicht durch das Urheberrecht eine demokratische Kontrolle seines Handelns verhindern.

Linkhinweise:

Die Pressemitteilung zu den Schlussanträgen des Generalanwalts finden Sie hier.

Zum Volltext der Schlussanträge gelangen Sie hier.

EuGH, Pressemitteilung Nr. 161/18 vom 25.10.2018
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