"Schmuddelkind" der Bankenbranche stellt unzulässige Schmähkritik dar
OLG Frankfurt a.M. 18.6.2015, 6 U 46/14Die Klägerin ist die Commerzbank, eine der führenden Privatbanken in Deutschland. Die Beklagte zu 1) betreibt einen Brancheninformationsdienstverlag mit diversen Redaktionen wie etwa "Bank intern". Die Klägerin betreibt ein aufwendiges Sportsponsoring (u.a. DFB, Eintracht Frankfurt). Der Beklagte zu 2), ein Redakteur der Beklagten zu 1), hat sich im Jahr 2013 zwecks eines Artikels näher mit dem Sponsoring befasst und hinterfragt, wie sich eine Bank, die während der Finanzkrise staatliche Finanzhilfen erhalten hatte, ein so umfangreiches Marketing erlauben kann. Im Rahmen seiner Recherche bezeichnete er die Klägerin u.a. als das "Schmuddelkind" der Bankenbranche. Als die Klägerin davon erfahren hatte, nahm sie die Beklagten auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz in Anspruch.
Das LG wies die Klage ab. Es war der Ansicht, dass wettbewerbsrechtliche Ansprüche nicht gegeben seien, weil die Beklagte zu 1) weder Mitbewerberin der Klägerin sei noch durch die streitgegenständlichen Äußerungen eine geschäftliche Handlung begangen habe. Ansprüche wegen einer Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts seien ebenfalls nicht gegeben, weil die Grenze zur sog. "Schmähkritik" nicht überschritten sei. Auf die Berufung der Klägerin gab das OLG der Klage weitestgehend statt. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Der Klägerin stehen gegen die Beklagte zu 1) Unterlassungsansprüche wegen der streitgegenständlichen Äußerungen gem. §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 7, 4 Nr. 10 UWG zu.
Der nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG erforderliche "objektive Zusammenhang" zwischen einer in Rede stehenden Handlung und der Förderung des Absatzes eines Drittunternehmens ist nur gegeben, wenn die Handlung bei objektiver Betrachtung aus Sicht eines verständigen Empfängers jedenfalls auch darauf gerichtet ist, fremden Absatz zu fördern. Für diesen sog. Drittabsatzförderungszusammenhang genügt es, wenn zwischen den Vorteilen, die jemand durch eine Maßnahme für sein Unternehmen oder für das eines Dritten zu erreichen versucht, und den Nachteilen, die ein anderer dadurch erleidet, eine Wechselbeziehung i.d.S. besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann. Die Förderung muss nicht auf ein bestimmtes Unternehmen gerichtet sein.
Im vorliegenden Fall ergeben sich aus einer Gesamtschau der erkennbaren Intention des Verfassers, der eigenen Positionierung der Beklagten zu 1) sowie der Diktion des Schreibens hinreichende Anhaltspunkte für einen solchen Drittabsatzförderungszusammenhang. Da sich die Beklagte zu 1) in einem Schreiben als "publizistisches Sprachrohr" zahlreicher Sparkassen und Genossenschaftsbanken bezeichnete, wurde für einen verständigen Leser , dass sich die begehrte Überprüfung der Werbeverträge auch auf die Wettbewerbsposition der Klägerin gegenüber den Sparkassen und Genossenschaftsbanken bei der Neukundenwerbung auswirken sollte. Es spielt deshalb keine Rolle, dass die Beklagte zu 1) die Genossenschaftsbanken und Sparkassen nicht unmittelbar als alternative Werbepartner präsentierte.
Schließlich sprach auch für den Drittabsatzförderungszusammenhang, dass die Aussage, die Klägerin sei das "Schmuddelkind der Bankenbranche", eine in der Form besonders grobe Herabsetzung der Klägerin darstellte. Denn umgangssprachlich steht "Schmuddel" für Schmutz und Unsauberkeit. Ein "Schmuddelkind" ist ein schmutziges Kind, das sich auf der Straße herumtreibt. In Bezug auf im Finanzinstitut wird "Schmuddelkind" nicht verniedlichend verstanden, sondern enthält die abschätzige Bewertung fehlender Seriosität. Die Äußerung ist bei verständiger Würdigung so zu verstehen, dass sich die Klägerin quasi im Wege einer Alleinstellung als zutiefst unseriöses Finanzinstitut außerhalb des Kreises der seriösen Wettbewerber bewegt und damit eine negative Alleinstellung einnimmt. Infolgedessen stellten die Schreiben einen gem. § 4 Nr. 10 UWG unzulässigen Boykottaufruf dar.
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