09.03.2017

Schreibtischklausel in Berufsunfähigkeitsversicherungen ist unwirksam

Die in Verträgen über eine Berufsunfähigkeitsversicherung verwendete Klausel "Als versicherter Beruf i.S.d. Bedingungen gilt die vor Eintritt des Versicherungsfalls zuletzt konkret ausgeübte Tätigkeit mit der Maßgabe, dass sie zu mindestens 90 Prozent als Schreibtischtätigkeit in Büro, Praxis oder Kanzlei ausgeübt wird. Im Fall einer BU-Leistungsprüfung erfolgt die Bemessung der Berufsunfähigkeit ausschließlich auf dieser Basis." ist intransparent. Damit löst sich die Versicherung vom Berufsbild in § 3 Abs. 1 SBU sowie in § 172 Abs. 2 VVG.

BGH 15.2.2017, IV ZR 91/16
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist ein Verbraucherverband. Er hatte den beklagten Versicherungsverein auf Unterlassung der Verwendung einer Klausel in Verträgen über Berufsunfähigkeitsversicherungen in Anspruch genommen, die als Leistungsversprechen die Zahlung einer Rente sowie die Beitragsbefreiung bei Berufsunfähigkeit vorsahen. Die Klausel lautete:

"Als versicherter Beruf im Sinne der Bedingungen gilt die vor Eintritt des Versicherungsfalls zuletzt konkret ausgeübte Tätigkeit mit der Maßgabe, dass sie zu mindestens 90 Prozent als Schreibtischtätigkeit in Büro, Praxis oder Kanzlei ausgeübt wird. Im Falle einer BU-Leistungsprüfung er-folgt die Bemessung der Berufsunfähigkeit ausschließlich auf dieser Basis."

Auf die Bitte eines Versicherungsinteressenten unterbreitete der Beklagte diesem zwei verschiedene Vertragsangebote. Im "Angebot Nr. 1" bot er ihm den Abschluss eines Vertrages über eine Berufsunfähigkeitsversicherung zu einem Jahresbeitrag von rund 1.600 € an. Das "Angebot Nr. 2" zu einem Jahresbeitrag von rund 1.127 € enthielt zusätzlich die oben genannte. Es kam allerdings zu keinem Vertragsabschluss.

Der Kläger hielt die Klausel sowohl wegen fehlender Transparenz als auch wegen inhaltlicher Unangemessenheit für unwirksam. Das LG gab der Unterlassungsklage statt. Berufung und Revision des Beklagten blieben erfolglos.

Gründe:
Der Beklagte ist nach § 1 UKlaG i.V.m. § 307 Abs. 1 S. 1 u. 2 BGB verpflichtet, die Verwendung der gerügten Klausel zu unterlassen.

Die vom Beklagten verwendete Klausel stellt eine AGB i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB dar. Die bloße Wahlmöglichkeit des Versicherungsnehmers zwischen zwei vom Versicherer entworfenen Klauseln mit unterschiedlichem Inhalt und verschiedener Preisgestaltung führt nicht dazu, dass bei der Auswahl einer dieser Klauseln durch den Versicherungsnehmer von einem individuellen Aushandeln ausgegangen werden könnte. Die Darlegungslast für ein individuelles Aushandeln trifft ferner den Verwender und dem war der Beklagte nicht nachgekommen.

Der Senat hatte bereits erhebliche Bedenken, ob die angegriffene Klausel nicht schon wegen unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers gem. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam war. Denn ihre Unwirksamkeit könnte sich aus einer Gefährdung des Vertragszwecks ergeben. Versichert wird in ihr lediglich eine sitzende Tätigkeit von mindestens 90 %. Die Klausel löst sich damit von einer klassischen Berufsunfähigkeitsversicherung und sichert vielmehr lediglich das Risiko einer modifizierten Erwerbsunfähigkeit ab. Dies ist indessen nicht Sinn und Zweck einer Berufsunfähigkeitsversicherung, die gerade der Absicherung der konkreten beruflich geprägten Lebensstellung dient.

Im Ergebnis musste dies jedoch nicht entschieden werden, denn die Klausel verstößt jedenfalls gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Der Versicherungsnehmer soll hiernach nur dann berufsunfähig sein, wenn er den fingierten Beruf nicht ausüben kann, weil ihm eine Tätigkeit, die zu mindestens 90 % als Schreibtischtätigkeit in Büro, Praxis oder Kanzlei auszuüben ist, nicht mehr möglich ist. Damit löst sich der Beklagte in dieser Klausel vom Berufsbild in § 3 Abs. 1 SBU sowie in § 172 Abs. 2 VVG, indem nicht mehr - wie sonst bei Berufsunfähigkeitsversicherungen allgemein üblich - auf den tatsächlich zuletzt ausgeübten Beruf abgestellt wird, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet ist, sondern auf einen fingierten Beruf, der mit der tatsächlichen Berufstätigkeit des Versicherungsnehmers nichts zu tun haben muss. Diese Abweichung vom allgemeinen Verständnis des versicherten Berufs erschließt sich allerdings einem durchschnittlichen Versicherungsinteressenten bei der Entscheidung über die Auswahl der beiden ihm unterbreiteten Angebote nicht hinreichend.

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