09.01.2015

Status des Mietverhältnisses bei Insolvenz des Vermieters während unbeendeter Sanierungsarbeiten

Gerät der Vermieter in Insolvenz, so besteht das Mietverhältnis nicht mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort, wenn es in Vollzug gesetzt war, der Mieter aber den Besitz an der Wohnung bei Insolvenzeröffnung wieder aufgegeben hatte. Auch ein etwaiger Rechtsmissbrauch durch einen Vermieter, der unter Einsatz einer finanziell nicht ausreichend ausgestatteten juristischen Person die "Entmietung" eines Hauses betreibt, zwingt nicht zu einer anderen Auslegung des § 108 Abs. 1 S. 1 InsO.

BGH 11.12.2014, IX ZR 87/14
Der Sachverhalt:
Der Beklagte ist seit 1978 Mieterin einer Wohnung in einem Haus, das die Schuldnerin in der Absicht erworben hatte, es umfangreich zu sanieren. Da die Wohnungen während der geplanten Baumaßnahmen nicht mehr bewohnbar waren, schlossen die Schuldnerin und der Beklagte im Oktober 2010 eine Sanierungsvereinbarung. Danach sollte der Beklagte während der Arbeiten in eine von der Schuldnerin angemietete Ersatzwohnung umziehen und nach Abschluss der Sanierung wieder in seine alte Mietwohnung zurückkehren. Gemäß der Vereinbarung zog der Beklagte auch in die Ersatzwohnung um. Die Sanierungsarbeiten wurden allerdings nicht zu Ende geführt.

Nachdem das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt worden war, forderte der Beklagte vom Kläger die Erfüllung der Sanierungsarbeiten. Der Kläger lehnte dies gem. § 103 InsO ab und kündigte den Mietvertrag, weil es ihm infolge der zum Stillstand gekommenen Sanierungsarbeiten nicht möglich sei, dem Beklagten den Mietgebrauch zu gewähren. Der Beklagte trat dem entgegen und bestand auf der Einhaltung von Miet- und Sanierungsvertrag. Der Kläger verklagte den Beklagten deswegen auf Feststellung, dass das Mietverhältnis erloschen sei, hilfsweise auf Feststellung, dass die Erfüllungsansprüche gegen die Insolvenzmasse nicht durchsetzbar seien und weiter hilfsweise, dass er das Mietverhältnis beendet habe.

AG und LG wiesen die Klage ab. Auf die vom LG zugelassene Revision des Klägers hob der BGH das Urteil des LG insoweit auf, als die Hilfsanträge abgewiesen worden waren. Auf die Berufung des Klägers stellte der BGH fest, dass Erfüllungsansprüche des Beklagten aus dem Mietverhältnis zwischen ihm und der Schuldnerin gegen die Insolvenzmasse nicht durchsetzbar sind. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

Gründe:
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes bestand das Mietverhältnis über die streitgegenständliche Wohnung nicht gem. § 108 InsO mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. Der Kläger hatte die Erfüllung des Mietvertrages in Ausübung seines Wahlrechts nach § 103 Abs. 1 InsO wirksam abgelehnt.

Zwischen der Schuldnerin und dem Beklagten bestand ein Mietverhältnis über Wohnraum, dessen Abwicklung sich nach den §§ 103 ff InsO richtete. Das Mietverhältnis war auch nicht durch den vor der Insolvenzeröffnung geschlossenen Sanierungsvertrag beendet worden. Mit dieser Vereinbarung hatten die Schuldnerin und der Beklagte das bestehende Mietverhältnis lediglich geändert.

Zwar kann der Mieter auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes der Mietsache verlangen. Doch fand entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts vorliegend § 108 Abs. 1 InsO keine Anwendung, so dass § 103 InsO nicht verdrängt wurde und der Kläger die Erfüllung des Mietvertrages wirksam ablehnen konnte. Denn der Beklagte war nach Auszug aus der zu sanierenden Wohnung nicht deren unmittelbarer oder mittelbarer Besitzer. Durch das Verlassen der Wohnung hatte er freiwillig und willentlich die tatsächliche Sachherrschaft über die Wohnung aufgegeben, die Wohnung zur Sanierung an die Schuldnerin übergeben und so den unmittelbaren Besitz an ihr nach § 856 Abs. 1 BGB verloren.

Der Beklagte war nach seinem Auszug auch nicht nach § 868 BGB mittelbarer Besitzer der streitgegenständlichen Wohnung geworden. Entgegen der Ansicht des LG vermittelte der Sanierungsvertrag dem Beklagten gerade nicht den mittelbaren Besitz. Denn die Schuldnerin hatte als unmittelbare Besitzerin gegenüber dem Beklagten den Besitz nicht in Anerkennung eines Besitzvermittlungsverhältnisses ausgeübt.

Da der Beklagte zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung somit nicht Besitzer der streitgegenständlichen Wohnung war, konnte auch nicht § 108 Abs. 1 S. 1 InsO eingreifen. Diese Regelung ist einschränkend dahin auszulegen, dass sie grundsätzlich nur zur Anwendung kommt, wenn das Mietverhältnis im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsprechend den mietvertraglichen Vereinbarungen in Vollzug gesetzt worden war und weiterhin vollzogen wurde.

Infolgedessen ist der nicht besitzende Mieter in der Insolvenz des Vermieters weniger geschützt als der besitzende Mieter. Dies ist auch bei der Wohnraummiete nicht unbillig; denn nur für den besitzenden Mieter bildet die Wohnung den Mittelpunkt seiner privaten Existenz. Diese Wertung liegt den Regelungen über den Schutz der Mieter einer Wohnung in §§ 549 ff BGB zugrunde. Die nach dem ausgeübten Besitz vorgenommene Unterscheidung findet ihre innere Berechtigung in der Verfassung. Auch ein etwaiger Rechtsmissbrauch durch einen Vermieter, der unter Einsatz einer finanziell nicht ausreichend ausgestatteten juristischen Person die "Entmietung" eines Hauses betreibt, zwingt nicht zu einer anderen Auslegung des § 108 Abs. 1 S. 1 InsO.

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