Stellung eines isolierten Restschuldbefreiungsantrags mangels Hinweis auf Notwendigkeit eines Eigenantrags
BGH 22.10.2015, IX ZB 3/15Am 18.3.2005 stellte ein Gläubiger des als niedergelassener Zahnarzt tätigen Schuldners den Antrag, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren zu eröffnen. Das Insolvenzgericht - AG - übermittelte dem Schuldner diesen Antrag und wies ihn mit Verfügung vom 24.3.2005 darauf hin, dass er einen Antrag auf Restschuldbefreiung nur dann stellen könne, wenn er selbst die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen beantrage. Auf diesen Hinweis reagiert der Schuldner nicht.
Am 1.10.2005 eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren. In diesem Verfahren legte der Schuldner im Oktober 2007 einen Insolvenzplan vor, in dessen Vergleichsrechnung er davon ausging, einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt zu haben. Auf Hinweis des Insolvenzgerichts, in dem Plan werde zu Unrecht ein Restschuldbefreiungsantrag unterstellt, ließ der Schuldner den Insolvenzplan Anfang 2008 zurücknehmen.
In dem bis dahin nicht abgeschlossenen Insolvenzverfahren stellte der Schuldner mit einem am 20.6.2012 beim Insolvenzgericht eingegangenen Schriftsatz Antrag auf Restschuldbefreiung. In diesem Antrag machte er geltend, zu Beginn des Verfahrens auf die Möglichkeit der Restschuldbefreiung nicht hingewiesen worden zu sein. Hierauf beraumte das Insolvenzgericht einen Termin zur Entscheidung über die Restschuldbefreiung an, in dem die weiteren Beteiligten zu 1 und 2 den Antrag stellten, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen.
Das AG versagte dem Schuldner die Restschuldbefreiung wegen der Verletzung von Mitwirkungspflichten im Verfahren. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Schuldners blieb vor dem LG ohne Erfolg. Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners hob der BGH den Beschluss des LG auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Der im Juni 2012 beim Insolvenzgericht eingegangene Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung ist zulässig, weil er innerhalb des laufenden Insolvenzverfahrens gestellt und der Schuldner zu keinem Zeitpunkt darauf hingewiesen worden ist, dass er den Restschuldbefreiungsantrag innerhalb einer bestimmten Frist zu stellen habe.
Nach der Rechtsprechung des BGH kann der Schuldner im eröffneten Verfahren keinen Antrag auf Restschuldbefreiung stellen, wenn er vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen auf Antrag eines Gläubigers auf die Möglichkeit hingewiesen worden ist, zur Erreichung der Restschuldbefreiung einen eigenen Insolvenzantrag verbunden mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung zu stellen. Voraussetzung ist zudem, dass ihm hierfür eine richterliche Frist gesetzt worden ist. Hat das Insolvenzgericht den Schuldner entsprechend belehrt, kann er nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf Antrag des Gläubigers keinen zulässigen Eigenantrag mehr stellen. Damit scheidet auch ein Antrag auf Restschuldbefreiung aus. Ist ein solcher Hinweis dagegen nicht oder unvollständig - etwa ohne erforderliche Fristsetzung - ergangen, so ist es ausreichend, dass der Schuldner nach Verfahrenseröffnung lediglich einen (isolierten) Antrag auf Restschuldbefreiung stellt.
Vorliegend hat das Insolvenzgericht den Schuldner zwar in der Verfügung vom 24.3.2005 gem. § 20 Abs. 2 InsO auf die Möglichkeit einer Eigenantragstellung und eines Restschuldbefreiungsantrags hingewiesen. Allerdings wurde dem Schuldner keine Frist gesetzt, so dass ein vollständiger Hinweis nicht erfolgt ist. Der Schuldner, der nach der am 1.10.2005 erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens keinen zulässigen Eigenantrag mehr stellen konnte, hatte deshalb ausnahmsweise die Möglichkeit, während des laufenden Verfahrens isoliert die Erteilung der Restschuldbefreiung zu beantragen. Hiervon hat er mit seinem am 20.6.2012 beim Insolvenzgericht eingegangenen Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten in zulässiger Art und Weise Gebrauch gemacht.
Ein schweres Mitverschulden des Schuldners, welches nach Auffassung des LG darin liegen soll, dass er nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens trotz Kenntnis der Möglichkeit einer Restschuldbefreiung, welche er der Verfügung vom 24.3.2005 entnehmen konnte, nicht alsbald einen entsprechenden Antrag gestellt hat, ist schon deshalb nicht anzunehmen, weil der Schuldner zu keinem Zeitpunkt auf die Erforderlichkeit der Einhaltung einer bestimmten Frist hingewiesen worden ist, innerhalb derer er einen entsprechenden Antrag zu stellen habe. Aufgrund der fehlenden Fristsetzung in dem Schreiben vom 24.3.2005 ist eine Verletzung des Anspruchs des Schuldners auf rechtliches Gehör eingetreten. Hieran hat sich durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nichts geändert.
Das Insolvenzgericht hätte allerdings die Möglichkeit gehabt, den Schuldner nach Eröffnung des Verfahrens darauf hinzuweisen, dass er nunmehr einen isolierten Antrag auf Restschuldbefreiung verbunden mit einer Abtretungserklärung nach § 287 Abs. 2 InsO innerhalb einer bestimmten Frist stellen könne, nach deren Ablauf ein solcher Antrag unzulässig werde. In diesem Fall wäre der nach Fristablauf isoliert gestellte Antrag auf Restschuldbefreiung unzulässig gewesen. Angemessen erscheint dabei eine Frist, die nicht kürzer als zwei Wochen ist. Eine solche im Einzelfall auf Antrag verlängerbare Frist ist in der Regel ausreichend, um dem Schuldner die erforderliche Bedenkzeit einzuräumen. Vorliegend hat das Insolvenzgericht von einer derartigen, ihm allerdings auch noch nicht bekannten Hinweismöglichkeit keinen Gebrauch gemacht. Ohne entsprechende Hinweise konnte der Schuldner seinen Restschuldbefreiungsantrag deshalb noch bis zum Ende des laufenden Insolvenzverfahrens stellen.
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