Straßengüterverkehr: Frachtführer haftet nicht für Verlade- oder Verstaufehler des Absenders
BGH 19.3.2015, I ZR 190/13Bei der Klägerin handelt es sich um ein Speditionsunternehmen. Sie hatte im Februar 2011 die Beklagte beauftragt, eine Klimaanlage aus der Türkei nach Lübeck zu befördern. Dort sollten die Teile zum Weitertransport an die russische Empfängerin verschifft werden. Die Beklagte betraute mit dem Transport ihrerseits die in der Türkei ansässige Streithelferin. Diese beantragte daraufhin bei der deutschen Straßenverkehrsbehörde eine Ausnahmegenehmigung für einen Großraumtransport mit einer Transporthöhe von 4,35 m, die ihr auch für eine vorgeschriebene Fahrtroute erteilt wurde.
Im April 2011 kam es bei einem Sattelzug, der von Angestellten der Verkäuferin unter Aufsicht eines von der Klägerin abgestellten Mitarbeiters beladen worden war, zu einer Kollision mit der Deckenunterseite einer Autobahnbrücke auf der A 5 in Fahrtrichtung Kassel. Dabei wurde das Transportgut teilweise beschädigt. Die Polizei überprüfte den Sattelzug der Streithelferin und stellte eine maximale Gesamthöhe von 4,51 m fest, womit die genehmigte Gesamthöhe überschritten worden war.
Die Klägerin machte geltend, sie werde von der russischen Empfängerin auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Der Schaden belaufe sich auf etwa 55.000 €. Das LG stellte daraufhin fest, dass die Beklagte verpflichtet sei, die Klägerin von sämtlichen Ansprüchen freizustellen. Das OLG bestätigte diese Ansicht. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Gründe:
Das Berufungsgericht hatte zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte in vollem Umfang für den eingetretenen Schaden verantwortlich und nicht gem. Art. 17 Abs. 4c CMR ganz oder teilweise ausgeschlossen war.
Von der Haftung nach Art. 17 Abs. 1 CMR ist der Frachtführer gem. Art. 17 Abs. 4c CMR vorbehaltlich des Art. 18 Abs. 2 bis 5 CMR befreit, wenn die Beschädigung des Gutes auf einen Verlade- oder Verstaufehler des Absenders zurückzuführen ist. Dabei umfasst das Verladen nicht nur das Verbringen des Gutes auf das Transportfahrzeug, sondern auch dessen Befestigung und Sicherung auf dem Fahrzeug. Für die Anwendung des besonderen Haftungsausschlusstatbestandes kommt es maßgeblich darauf an, wer die Verladung tatsächlich ausgeführt hat. Hat der Absender die Verladetätigkeit vorgenommen, hat er ordnungsmäßig zu verladen. Dazu gehört, dass durch die Art der Verladung Schäden, die dem Gut während der Beförderung drohen, nach Möglichkeit vermieden werden. Kommt es zu einer Höherstauung der Ladung wegen einer Notbremsung, spricht dies dafür, dass die Verladung normalen Beförderungsbedingungen nicht entsprochen hat, weil auch Notbremsungen zu den vorhersehbaren Transportbedingungen zählen.
Es obliegt dem Frachtführer nach Art. 18 Abs. 2 CMR, zu den Voraussetzungen des Haftungsbefreiungstatbestandes des Art. 17 Abs. 4c CMR substantiiert vorzutragen. Dem war die Beklagte nachgekommen. Sie hatte unter Berufung auf Vortrag ihrer Streithelferin geltend gemacht, nicht die Überschreitung der bewilligten Gesamthöhe von 4,35 m, sondern ein Verschieben der Ladung und eine dadurch kurzfristig bedingte Höherstauung des Gutes wegen einer Notbremsung unter der Autobahnbrücke habe zur Kollision mit der Brücke geführt. Die Autobahnbrücke habe mit der tatsächlichen maximalen Gesamthöhe des Transports von 4,51 m problemlos unterquert werden können. Das Fahrzeug mit den beschädigten Packstücken habe nach der Kollision seine Fahrt fortsetzen und die Brücke ohne weitere Probleme unterfahren können. Das Vorbringen zur lichten Durchfahrthöhe der Autobahnbrücke hatte die Streithelferin unter Beweis gestellt.
Das Berufungsgericht hat den Vortrag zu Unrecht als unzureichend angesehen und den Sachverhalt nicht weiter aufgeklärt. Es hat in diesem Zusammenhang schon nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Beklagte bei der Verladung des Gutes nicht anwesend war. Jedenfalls war das Verladen des Gutes nicht Sache der Beklagten oder ihrer Streithelferin. Die Verladung oblag allein der Verkäuferin. Die Beklagte ist entgegen der Annahme des LG nicht gehindert, sich auf das entsprechende Vorbringen ihrer Streithelferin zu berufen. Die Vorschrift des § 67 Hs. 2 ZPO steht dem nicht entgegen. Selbst wenn sich aufgrund der noch zu treffenden Feststellungen ergeben sollte, dass Schadensursache die zu hohe Beladung des Fahrzeugs der Streithelferin der Beklagten war, kann nicht von einer uneingeschränkten Haftung der Beklagten ausgegangen werden. Eine dem Haftungsbefreiungstatbestand des Art. 17 Abs. 4c CMR unterfallende mangelhafte Ladung oder Stauung des Transportgutes kann vorliegen, wenn der Absender bei der Beladung die behördlich genehmigte Transporthöhe überschritten hat.
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