Streit unter Telekommunikationsunternehmen wegen einer Annonce
OLG Brandenburg v. 25.4.2023 - 6 U 97/21
Der Sachverhalt:
Die Parteien sind Telekommunikationsunternehmen. Beide errichten und betreiben Glasfasernetze. Die Beklagte bietet zudem Internetzugangsdienste an. Sie hatte im Juli 2020 in der Regionalausgabe einer Zeitung eine Annonce folgenden Inhalts veröffentlicht:
"In eigener Sache:
Alter Schwede, sind die dreist!
Offenbar geben einzelne Vertriebsmitarbeiter der O... I... GmbH [hiesige Klägerin] an, mit der D...: NET [hiesige Beklagte] zusammenzuarbeiten. Dies ist eine gezielte Falschinformation! Die D...:NET kooperiert nicht mit der O... I... GmbH. Darüber hinaus schließen wir auch eine künftige Zusammenarbeit aus, da wir eigene Glasfasernetze bauen.
Unsere Mitarbeiter/innen können sich jederzeit als solche ausweisen. Bitte kontaktieren Sie uns unter ..., wenn ein Vertriebsmitarbeiter der O... I... GmbH mit dem Hinweis auf eine Kooperation mit der D... NET an dich herangetreten ist. Nur so können wir entsprechende Maßnahmen einleiten!
Vielen Dank"
Die Klägerin mahnte die Beklagte daraufhin ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auf. Die Beklagte lehnte die Aufforderung mit der Begründung ab, die Annonce enthalte keine unwahre Behauptung; sie sei von Kunden darüber informiert worden, dass Vertriebsmitarbeiter der Klägerin fälschlicherweise behauptet hätten, zwischen den Parteien bestehe eine geschäftliche Kooperation. Die Klägerin hat behauptet, die Annonce ziele auf eine Schädigung ihres Rufs, sei inhaltlich unzutreffend und stelle ungeachtet dessen jedenfalls eine unverhältnismäßige Reaktion dar.
Das LG hat der Unterlassungsklage weitestgehend stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG das Urteil abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Gründe:
Die Klägerin kann gegenüber der Beklagten keinen Anspruch aus § 8 Abs. 1, 2, 3 Nr. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 2 UWG geltend machen. Die Beklagte hatte mit der inkriminierten Annonce keine unlautere geschäftliche Handlung nach § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 2 UWG vorgenommen, sodass es sowohl an der Wiederholungsgefahr nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG als auch an einer Erstbegehungsgefahr i.S.v. § 8 Abs. 1 Satz 2 UWG fehlte.
Nach § 4 Nr. 2 Halbsatz 1 UWG handelt unlauter, wer über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind. Tatsachen in diesem Sinne sind Vorgänge oder Zustände, deren Vorliegen dem Wahrheitsbeweis zugänglich ist. Sie sind von Werturteilen, welche durch das Element des Wertens, Meinens und Dafürhaltens gekennzeichnet sind, danach abzugrenzen, wie der angesprochene Verkehr die getätigte bzw. verbreitete Äußerung nach Form und Inhalt in ihrem Gesamtzusammenhang versteht. Nicht wahr ist eine Tatsache, wenn sie den Eindruck einer anderen als der wirklichen Sachlage erweckt
Die hier in der Annonce zu entnehmende Aussage stellte eine Tatsachenbehauptung, nämlich die Schilderung eines dem Beweis zugänglichen Vorgangs bzw. Zustandes, dar. Anderes ergab sich auch nicht aus der Verwendung des Begriffs "offenbar". Das Adjektiv, das nach üblichem Sprachgebrauch in der Bedeutung: "wie anzunehmen ist" oder "allem Anschein nach" verwendet wird, lässt zwar darauf schließen, dass die Beklagte die in dem Inserat geschilderten Vorgänge nicht unmittelbar wahrgenommen hatte. Indes stellte auch die Aussage, aufgrund der gegebenen Umstände seien diese Vorgänge anzunehmen, eine Tatsachenbehauptung und nicht lediglich ein Werturteil dar. Dies galt vorliegend zumal deshalb, weil das Inserat dem Adressaten mangels Mitteilung der Indiztatsachen keine Möglichkeit eröffnete, deren Schlüssigkeit zu überprüfen. Die Aussage erschien daher nicht lediglich als eine mögliche Interpretation konkreter Wahrnehmungen der Beklagten, sondern als Mitteilung eines Geschehens, an dem keine Zweifel bestehen.
Nach dem Ergebnis der vom LG durchgeführten Beweisaufnahme hatte sich diese Tatsachenbehauptung als wahr erwiesen. Der Ansicht des LG, wonach die Beweisaufnahme gleichwohl unergiebig geblieben sei, weil sich nicht zur Überzeugung des Gerichts erwiesen habe, dass die demnach unzutreffenden Äußerungen von Mitarbeitern der Klägerin bereits vor Veröffentlichung des Inserats getätigt worden seien, war allerdings nicht zu folgen. Wenn eine i.S.d. § 4 Nr. 2 UWG anschwärzende Behauptung für den Moment ihrer Äußerung oder Verbreitung (noch) nicht erweislich wahr ist, kann sich hieraus zwar ein Schadensersatzanspruch des betroffenen Mitbewerbers begründen. Ein in die Zukunft gerichteter Anspruch auf Unterlassung steht dem Mitbewerber in dieser Fallgestaltung aber nicht zu, wenn sich die Wahrheit der behaupteten Tatsache jedenfalls im Nachhinein erwiesen hat. Und so verhielt es sich nach dem Vorstehenden hier.
Die inkriminierte Annonce stellte sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Herabsetzung oder Verunglimpfung eines Mitbewerbers als unlautere geschäftliche Handlung der Beklagten dar. Es war davon auszugehen, dass der im Fokus der Annonce stehende Vorwurf gegenüber der Klägerin der Wahrheit entsprach. Dieses Verhalten von Mitarbeitern der Klägerin begründete ein Informationsbedürfnis der hiervon betroffenen Verkehrskreise, was die Beklagte zum Anlass für eine dahingehende Klarstellung nehmen durfte. Aus diesem Grund konnte die Klägerin nicht verlangen, dass die Beklagte anstelle der Unterrichtung der Öffentlichkeit vermittelt seines Zeitungsinserats die Klägerin gerichtlich auf Unterlassung von Äußerung über eine Kooperation der Parteien in Anspruch nimmt.
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Landesrecht Brandenburg
Die Parteien sind Telekommunikationsunternehmen. Beide errichten und betreiben Glasfasernetze. Die Beklagte bietet zudem Internetzugangsdienste an. Sie hatte im Juli 2020 in der Regionalausgabe einer Zeitung eine Annonce folgenden Inhalts veröffentlicht:
"In eigener Sache:
Alter Schwede, sind die dreist!
Offenbar geben einzelne Vertriebsmitarbeiter der O... I... GmbH [hiesige Klägerin] an, mit der D...: NET [hiesige Beklagte] zusammenzuarbeiten. Dies ist eine gezielte Falschinformation! Die D...:NET kooperiert nicht mit der O... I... GmbH. Darüber hinaus schließen wir auch eine künftige Zusammenarbeit aus, da wir eigene Glasfasernetze bauen.
Unsere Mitarbeiter/innen können sich jederzeit als solche ausweisen. Bitte kontaktieren Sie uns unter ..., wenn ein Vertriebsmitarbeiter der O... I... GmbH mit dem Hinweis auf eine Kooperation mit der D... NET an dich herangetreten ist. Nur so können wir entsprechende Maßnahmen einleiten!
Vielen Dank"
Die Klägerin mahnte die Beklagte daraufhin ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auf. Die Beklagte lehnte die Aufforderung mit der Begründung ab, die Annonce enthalte keine unwahre Behauptung; sie sei von Kunden darüber informiert worden, dass Vertriebsmitarbeiter der Klägerin fälschlicherweise behauptet hätten, zwischen den Parteien bestehe eine geschäftliche Kooperation. Die Klägerin hat behauptet, die Annonce ziele auf eine Schädigung ihres Rufs, sei inhaltlich unzutreffend und stelle ungeachtet dessen jedenfalls eine unverhältnismäßige Reaktion dar.
Das LG hat der Unterlassungsklage weitestgehend stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG das Urteil abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Gründe:
Die Klägerin kann gegenüber der Beklagten keinen Anspruch aus § 8 Abs. 1, 2, 3 Nr. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 2 UWG geltend machen. Die Beklagte hatte mit der inkriminierten Annonce keine unlautere geschäftliche Handlung nach § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 2 UWG vorgenommen, sodass es sowohl an der Wiederholungsgefahr nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG als auch an einer Erstbegehungsgefahr i.S.v. § 8 Abs. 1 Satz 2 UWG fehlte.
Nach § 4 Nr. 2 Halbsatz 1 UWG handelt unlauter, wer über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind. Tatsachen in diesem Sinne sind Vorgänge oder Zustände, deren Vorliegen dem Wahrheitsbeweis zugänglich ist. Sie sind von Werturteilen, welche durch das Element des Wertens, Meinens und Dafürhaltens gekennzeichnet sind, danach abzugrenzen, wie der angesprochene Verkehr die getätigte bzw. verbreitete Äußerung nach Form und Inhalt in ihrem Gesamtzusammenhang versteht. Nicht wahr ist eine Tatsache, wenn sie den Eindruck einer anderen als der wirklichen Sachlage erweckt
Die hier in der Annonce zu entnehmende Aussage stellte eine Tatsachenbehauptung, nämlich die Schilderung eines dem Beweis zugänglichen Vorgangs bzw. Zustandes, dar. Anderes ergab sich auch nicht aus der Verwendung des Begriffs "offenbar". Das Adjektiv, das nach üblichem Sprachgebrauch in der Bedeutung: "wie anzunehmen ist" oder "allem Anschein nach" verwendet wird, lässt zwar darauf schließen, dass die Beklagte die in dem Inserat geschilderten Vorgänge nicht unmittelbar wahrgenommen hatte. Indes stellte auch die Aussage, aufgrund der gegebenen Umstände seien diese Vorgänge anzunehmen, eine Tatsachenbehauptung und nicht lediglich ein Werturteil dar. Dies galt vorliegend zumal deshalb, weil das Inserat dem Adressaten mangels Mitteilung der Indiztatsachen keine Möglichkeit eröffnete, deren Schlüssigkeit zu überprüfen. Die Aussage erschien daher nicht lediglich als eine mögliche Interpretation konkreter Wahrnehmungen der Beklagten, sondern als Mitteilung eines Geschehens, an dem keine Zweifel bestehen.
Nach dem Ergebnis der vom LG durchgeführten Beweisaufnahme hatte sich diese Tatsachenbehauptung als wahr erwiesen. Der Ansicht des LG, wonach die Beweisaufnahme gleichwohl unergiebig geblieben sei, weil sich nicht zur Überzeugung des Gerichts erwiesen habe, dass die demnach unzutreffenden Äußerungen von Mitarbeitern der Klägerin bereits vor Veröffentlichung des Inserats getätigt worden seien, war allerdings nicht zu folgen. Wenn eine i.S.d. § 4 Nr. 2 UWG anschwärzende Behauptung für den Moment ihrer Äußerung oder Verbreitung (noch) nicht erweislich wahr ist, kann sich hieraus zwar ein Schadensersatzanspruch des betroffenen Mitbewerbers begründen. Ein in die Zukunft gerichteter Anspruch auf Unterlassung steht dem Mitbewerber in dieser Fallgestaltung aber nicht zu, wenn sich die Wahrheit der behaupteten Tatsache jedenfalls im Nachhinein erwiesen hat. Und so verhielt es sich nach dem Vorstehenden hier.
Die inkriminierte Annonce stellte sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Herabsetzung oder Verunglimpfung eines Mitbewerbers als unlautere geschäftliche Handlung der Beklagten dar. Es war davon auszugehen, dass der im Fokus der Annonce stehende Vorwurf gegenüber der Klägerin der Wahrheit entsprach. Dieses Verhalten von Mitarbeitern der Klägerin begründete ein Informationsbedürfnis der hiervon betroffenen Verkehrskreise, was die Beklagte zum Anlass für eine dahingehende Klarstellung nehmen durfte. Aus diesem Grund konnte die Klägerin nicht verlangen, dass die Beklagte anstelle der Unterrichtung der Öffentlichkeit vermittelt seines Zeitungsinserats die Klägerin gerichtlich auf Unterlassung von Äußerung über eine Kooperation der Parteien in Anspruch nimmt.
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