06.10.2016

Streitwert bei Widerruf eines Darlehensvertrags

Der im Zivilprozess ansonsten fast ausnahmslos einschlägige Grundsatz des Verbots der sog. "reformatio in peus" gilt im Streitwertrecht grundsätzlich nicht. Das beruht darauf, dass das Streitwertfestsetzungsverfahren im überwiegenden öffentlichen Interesse an einer jederzeit objektiven richtigen Bewertung der Verfahrensgegenstände gem. §§ 63 ff GKG als amtliches Verfahren ausgestaltet ist und die privaten Interessen der Prozessbeteiligten an einer möglichst kostengünstigen Rechtsverfolgung bzw. an einer möglichst kostspieligen Gestaltung nicht schutzwürdig sind und vollständig zurücktreten.

OLG Frankfurt a.M. 26.7.2016, 17 W 37/16
Der Sachverhalt:
Die Kläger haben die Beklagte auf die Rückabwicklung eines mit dieser im Mai 2009 geschlossenen Darlehensvertrages über einen ausgezahlten Darlehensbetrag i.H.v. 178.000 € in Folge eines von den Klägern im Juni 2015 erklärten Widerrufs des Darlehensvertrages in Anspruch genommen. Bis zum Widerruf erbrachten die Kläger Zins- und Tilgungsleistungen i.H.v. rd. 65.000 €. Im Anschluss daran zahlten sie bis einschließlich Februar 2016 mtl. Raten i.H.v. insgesamt rd. 6.000 € und erbrachten darüber hinaus im November 2015 eine Sondertilgung i.H.v. 8.000 €.

Die Parteien beendeten den Rechtsstreit durch einen mit Beschluss des LG festgestellten Vergleich. In diesem Beschluss setzte das LG den Gebührenstreitwert für den Rechtsstreit und den Vergleich auf rd. 74.000 € fest. Gegen diese Entscheidung wenden sich die Prozessbevollmächtigten der Kläger mit ihrer sofortigen Beschwerde, mit der sie eine Erhöhung des Gesamtstreitwertes unter Berücksichtigung der nach dem Widerruf des Darlehensvertrages geleisteten Zahlungen auf einen Betrag von insgesamt rd. 88.000 € erstreben.

Das LG half der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte die Sache dem OLG zur Entscheidung über die Streitwertbeschwerde vor. Das OLG wies die sofortige Beschwerde mit der Maßgabe zurück, dass der Gebührenstreitwert auf rd. 65.000 € reduziert wird.

Die Gründe:
Der Gebührenstreitwert für den Rechtsstreit war auf den Betrag von 65.000 € zu reduzieren.

Dem steht auch nicht der Gesichtspunkt eines etwaigen Verschlechterungsgebots gehindert. Vielmehr gilt der im Zivilprozess ansonsten fast ausnahmslos einschlägige Grundsatz des Verbots der sog. "reformatio in peus" im Streitwertrecht grundsätzlich nicht. Das beruht darauf, dass das Streitwertfestsetzungsverfahren im überwiegenden öffentlichen Interesse an einer jederzeit objektiven richtigen Bewertung der Verfahrensgegenstände gem. §§ 63 ff GKG als amtliches Verfahren ausgestaltet ist und die privaten Interessen der Prozessbeteiligten an einer möglichst kostengünstigen Rechtsverfolgung bzw. an einer möglichst kostspieligen Gestaltung nicht schutzwürdig sind und vollständig zurücktreten.

Vorliegend war der Gebührenstreitwert auf der Grundlage der bis zum Zeitpunkt des Widerrufs geleisteten Zins- und Tilgungsleistungen auf 65.000 € festzusetzen. Insoweit ist der Wertberechnung bei der Bemessung des von den Klägern verfolgten Interesses gem. § 3 ZPO zugrunde zu legen, dass sämtliche auf der Grundlage des § 488 Abs. 1 S. 2 BGB erbrachten Leistungen des Darlehensnehmers nach § 357 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. i.V.m. § 346 Abs. 1 BGB zu erstatten sind, weshalb das Interesse der Kläger dem Wert der von ihnen bisher erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen entspricht. Dieser zutreffenden Grundlage trägt der angefochtene Beschluss des LG infolge eines offensichtlichen Versehens insoweit nicht Rechnung, als mit dem Betrag von 74.000 € nicht nur die geleisteten Zins- und Tilgungsraten sondern darüber hinaus auch die darauf entfallenen Nutzungszinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz enthalten sind.

Soweit die Klägervertreter demgegenüber eine Erhöhung des Gebührenstreitwertes um die nach dem Widerruf geleisteten Zahlungen i.H.v. insgesamt rd. 14.000 € erstreben, führt dies nicht zu der erstrebten Änderung des gem. § 40 GKG zu bemessenden Streitwerts. Dass lediglich die Zins- und Tilgungsleistungen bis zur Erklärung des Widerrufs maßgeblich sind, folgt letztlich daraus, dass den Klägern hinsichtlich der nach dem Widerruf erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen kein eigenständiger Anspruch auf Nutzungsersatz mehr zusteht. Soweit die Kläger für den Zeitraum nach dem von ihnen erklärten Widerruf weitere Zahlungen auf den nach ihrer Ansicht nicht mehr wirksamen Darlehensvertrag geleistet haben, steht ihnen auch im Falle der Wirksamkeit des Widerrufs diesbezüglich lediglich ein Bereicherungsanspruch zu, der mit dem Tag seiner Entstehung durch die vorgenommene Aufrechnung mit den verbliebenen Zahlungsanspruch der beklagten Bank zu verrechnen ist und sich demgemäß nicht streitwerterhöhend auswirken kann.

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