03.12.2015

Systembetreiber erlangen kein Eigentum an Altpapier

Die Frage für wen eine Übereignungsofferte "an den, den es angeht" angenommen werden soll, bestimmt sich allein nach dem Willen des Erklärungsempfängers. Will dieser selbst Eigentum erwerben, scheidet ein Eigentumserwerb eines anderen auch dann aus, wenn der Eigenerwerbswille im Innenverhältnis zu diesem pflichtwidrig ist.

BGH 16.10.2015, V ZR 240/14
Der Sachverhalt:
Der beklagte Landkreis ist in seinem Gebiet der zuständige öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger. Die Klägerin betreibt seit Einführung der Verpackungsverordnung im Jahr 1991 als sog. "Systembetreiberin" gem. § 6 Abs. 3 VerpackV bundesweit ein duales Entsorgungssystem. Die Klägerin führt das Einsammeln nicht selbst durch, sondern beauftragt hierzu Entsorgungsunternehmen. Hinsichtlich der gebrauchten Verkaufsverpackungen aus Papier, Pappe und Kartonage (PPK-Verpackungen) bestand die Besonderheit, dass diese bereits vor Einführung der Verpackungsverordnung als Papierabfälle im gesamten Bundesgebiet von den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern - auch von dem Beklagten - gesondert gesammelt wurden. Deshalb hatte die Klägerin mit den jeweiligen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern vereinbart, dass diese weiterhin mittels der bereits vorhandenen Sammeleinrichtungen die gesamten Papierabfälle erfassen sollten.

Die Mengenanteile sowie die anteilige Kostentragung für das Einsammeln von "normalem", sog. graphischen Altpapier (Zeitungen, Zeitschriften etc.) einerseits und den PPK-Verpackungen andererseits sollten auf Basis von Schätzungen festgelegt werden. Das Einsammeln im Gebiet des Beklagten erfolgt u.a. durch sog. Bündelsammlungen. Die Endverbraucher legen hierzu das von ihnen gebündelte Altpapier zu bestimmten Terminen am Straßenrand zur Abholung bereit. Dort wird es von Vereinen eingesammelt, die der Beklagte hiermit beauftragt hat.

Das Einsammeln des Altpapiers durch den Beklagten war Gegenstand mehrerer zwischen den Parteien getroffener Vereinbarungen. Zuletzt hatten sie 2011 einen Vertrag geschlossen, nach dem der Beklagte die Verpackungen weiterhin im Auftrag der Klägerin gemeinsam mit dem übrigen Papierabfall einsammeln sollte. Eine bestimmte Menge an Altpapier sollte er der Klägerin monatlich zur Abholung bereitstellen. Der Vertrag wurde von dem Beklagten fristgerecht gekündigt und endete mit Ablauf des Jahres 2011. Seit Anfang 2012 erhält der Beklagte von der Klägerin für die Erfassung der PPK-Verpackungen durch die von ihm beauftragten Vereine keine Entgelte mehr; umgekehrt wird kein Altpapier aus den Vereinssammlungen mehr für die Klägerin bereitgestellt.

Die Klägerin verlangte gerichtlich die Feststellung, dass sie ab dem 1.1.2012 in Höhe eines näher bestimmten Anteils Miteigentümerin des von dem Beklagten im Rahmen der sog. Vereinssammlung erfassten Altpapiers ist. Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Gründe:
Die Eigentumsverhältnisse an dem eingesammelten Altpapier einschließlich der PPK-Verpackungen waren mangels besonderer abfallrechtlicher Sondervorschriften nach den Regelungen des BGB zu beurteilen. Infolgedessen war die Klägerin nicht Eigentümerin an dem PPK-Material geworden. Es fehlte sowohl an der nach § 929 S. 1 BGB erforderlichen dinglichen Einigung als auch an einer Übergabe an die Klägerin. Deshalb entstand durch die Vermischung der Verkaufsverpackungen mit dem sonstigen Altpapier kein Miteigentum der Klägerin an dem insgesamt eingesammelten Altpapier gem. §§ 947, 948 Abs. 1 u. 2 BGB.

Zu berücksichtigen sind hierbei die Grundsätze des sog. Geschäfts für den, den es angeht. Ein solches Geschäft ist dadurch gekennzeichnet, dass der handelnde Bevollmächtigte nicht zu erkennen gibt, ob er für sich oder einen anderen handelt, aber für einen anderen aufgrund einer erteilten Vollmacht handeln will und es dem Geschäftsgegner gleichgültig ist, mit wem das Geschäft zustande kommt. Anerkannt ist dieses durch teleologische Reduktion des Offenheitsgrundsatzes entwickelte Rechtsinstitut insbesondere bei Bargeschäften des täglichen Lebens, und zwar vor allem beim dinglichen Rechtserwerb. Für wen eine Übereignungsofferte "an den, den es angeht" angenommen werden soll, bestimmt sich hierbei allein nach dem Willen des Empfängers der Erklärung. Will dieser nicht für einen anderen, sondern für sich selbst Eigentum erwerben, scheidet ein Eigentumserwerb des anderen aus.

Somit fehlte an einer Annahme des Angebots zu Gunsten der Klägerin. Auch wenn die Vereine bei der dinglichen Einigung als Stellvertreter des Beklagten auftraten, weil sie in dessen Auftrag die Sammlungen durchführten, führte dies nicht zu einem Eigentumserwerb der Klägerin. Denn hierfür hätte der Beklagte seinerseits das Eigentum für die Klägerin erwerben wollen. Dies war aber nicht der Fall.

Es ergab sich auch kein Fremderwerbswille des Beklagten aus dem System der Verpackungsverordnung. Richtig ist zwar, dass der Verordnungsgeber die Aufgabe, gebrauchte Verkaufsverpackungen zu entsorgen, aus dem Bereich der öffentlichen Abfallentsorgung herausgenommen und auf die beteiligten Hersteller und Vertreiber übertragen hat. Der Beklagte hatte aber den Willen selbst Eigentum an den eingesammelten PPK-Verpackungen zu erwerben. Und ein Eigenerwerbswille des Erklärungsempfängers schließt einen Eigentumserwerb eines anderen selbst dann aus, wenn ein solcher Eigenerwerbswille sich im Innenverhältnis zu diesem als pflichtwidrig darstellen würde. Dies ist eine Folge des dem Eigentumserwerb gem. §§ 929 ff. BGB zugrundeliegenden Abstraktionsprinzips.

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