14.08.2017

Teilurteil bei Geltendmachung von Ansprüchen nach Widerruf eines Darlehensvertrags und Ansprüchen auf Schadensersatz wegen Aufklärungsverschuldens

Die Übereinstimmung von vorformulierten Widerrufsbelehrungen mit höherrangigem Recht (hier: mit dem Belehrungsmuster des Verordnungsgebers) ist eine Rechtsfrage und ohne Bindung an das Parteivorbringen zu untersuchen. Der Beibringungsgrundsatz gilt insoweit nicht.

BGH 20.6.2017, XI ZR 72/16
Der Sachverhalt:
Der Kläger nimmt die allein am Revisionsverfahren beteiligte Beklagte zu 2) nach Widerruf auf Rückabwicklung zweier Darlehensverträge in Anspruch. Zusammen mit der am Revisionsverfahren nicht beteiligten Beklagten zu 1) beansprucht er von der Beklagten zu 2) außerdem noch die Leistung von Schadensersatz. Der Kläger war bei der Beklagten zu 1), einer Bank, bis September 2004 als Vorstandsassistent tätig. Er beteiligte sich nach Erhalt einer Abfindung von 750.000 € vermittelt über einen Treuhänder i.H.v. 310.000 € und i.H.v. 400.000 € an der Medienfonds M-GmbH & Co. KG (Fondsgesellschaft). Einen Teil der Einlagen i.H.v. 186.000 € und 240.000 € finanzierte der Kläger aus eigenen Mitteln. I.H.v. 124.000 € und 160.000 € nahm er im Zuge einer obligatorischen teilweisen Anteilsfinanzierung Darlehen bei der Beklagten zu 2) auf. Den Zeichnungsunterlagen und Darlehensverträgen waren Widerrufsbelehrungen beigefügt. Der Kläger erlangte aus den Beteiligungen Ausschüttungen i.H.v. rd. 7.400 €.

Im Juli 2011 erhob der Kläger zunächst allein gegen die Beklagte zu 1) eine Klage auf Leistung von Schadensersatz im Zusammenhang mit der Beteiligung an der hier streitgegenständlichen und an einer weiteren Fondsgesellschaft. Im Juli 2012 erweiterte er die Klage hinsichtlich der hier streitgegenständlichen Fondsgesellschaft auf die Beklagte zu 2) und widerrief zugleich seine auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen gegenüber der Beklagten zu 2). Seiner Klage gegen die Beklagte zu 1) auf Leistung von Schadensersatz im Zusammenhang mit der Beteiligung an der weiteren Fondsgesellschaft gab das LG teilweise statt. Insoweit ist das landgerichtliche Urteil rechtskräftig. Im Übrigen wies das LG die die hiesige Fondsgesellschaft betreffende Klage gegen die Beklagte zu 1) unter dem Gesichtspunkt der Beratungspflichtverletzung und der Prospekthaftung im weiteren Sinne sowie gegen die Beklagte zu 2) sowohl unter dem Gesichtspunkt des Widerrufs als auch unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung, Prospekthaftung und Delikt ab.

Das OLG, das vom Zustandekommen verbundener Verträge ausgegangen ist, wies die Berufung des Klägers durch Teilurteil zurück, "soweit sie auf einen Widerruf der Finanzierungsvereinbarungen des Klägers mit der Beklagten zu 2) für die Beteiligungen des Klägers an der Fondsgesellschaft gestützt" worden ist. Auf die Revision des Klägers, mit der der Kläger gestützt auf den Widerruf u.a. das Ziel verfolgt, die Beklagte zu 2) gesamtschuldnerisch neben der Beklagten zu 1) zur Zahlung von rd. 420.000 € nebst Zinsen "Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher Ansprüche aus der Kommanditbeteiligung" an der Fondsgesellschaft, hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das Berufungsurteil unterliegt schon deshalb der Aufhebung, weil das OLG ein unzulässiges Teilurteil erlassen hat.

Es kann zwar zulässig sein, einen Hauptantrag durch Teilurteil abzuweisen und die Entscheidung über den Hilfsantrag zurückzustellen. Der Kläger hat im Verhältnis zur Beklagten zu 2) zwei unterschiedliche Streitgegenstände zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht, die er in ein Eventualverhältnis gestellt hat. Das OLG hat allerdings außer Acht gelassen, dass auch in Fällen der eventualen Klagehäufung ein Teilurteil nur ergehen darf, wenn mit der Entscheidung über den Hauptantrag der Entscheidung über den Hilfsantrag sachlich nicht vorgegriffen wird. Denn durch Teilurteil darf nur entschieden werden, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht ausgeschlossen ist. Diese Gefahr ist im Prozessrechtsverhältnis sowohl zur Beklagten zu 2) als auch zur Beklagten zu 1) gegeben

Außerdem hat das OLG unzutreffend angenommen, der Kläger habe seine auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen nicht mehr widerrufen können, weil ihn die Beklagte zu 2) ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt habe. Unzutreffend ist die Annahme des OLG, keine der vom Kläger vorgetragenen Abweichungen vom Belehrungsmuster führe zum Verlust der Gesetzlichkeitsfiktion. Zwar entsprach die Ergänzung der Überschrift ihrer Qualität nach den vom Gesetzgeber selbst nach Art. 245 EGBGB in der zwischen August 2002 und Juni 2010 geltenden Fassung, § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der bis Juni 2010 geltenden Fassung (a.F.) als zuträglich anerkannten Abweichungen, ohne die Deutlichkeit der Belehrung zu schmälern, und ließ damit die Gesetzlichkeitsfiktion unberührt.

Anderes galt aber für die - an sich zulässige und nach § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF für sich unschädliche - Bezeichnung des Empfangsbevollmächtigten. Entgegen Gestaltungshinweis (3) der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV aF fehlte die insoweit in Übereinstimmung mit den höherrangigen gesetzlichen Vorschriften geforderte Angabe der ladungsfähigen Anschrift. Die Kombination der Ortsangabe mit einer Großkundenpostleitzahl anstelle der Angabe von Straße und Hausnummer nebst zugehöriger Postleitzahl ist zwar gesetzeskonform, entsprach aber der Vorgabe der BGB-Informationspflichten-Verordnung nicht.

Unzutreffend ist auch die Annahme des OLG, der zivilprozessuale Beibringungsgrundsatz gebiete es, bei einem Vergleich der Widerrufsbelehrungen der Beklagten zu 2) mit dem Muster für die Widerrufsbelehrung nur solche Abweichungen heranzuziehen, die vom Kläger vorgetragen worden seien, und damit bei der Erkenntnis stehen zu bleiben, die Beklagte zu 2) habe bei Betrachtung ausschließlich der vom Kläger vorgetragenen Änderungen das Muster nur unmaßgeblich angepasst. Bei vorformulierten Widerrufsbelehrungen wie der von der Beklagten zu 2) verwandten handelt es sich um AGB, die wie revisible Rechtsnormen zu behandeln sind. Ihre Übereinstimmung mit höherrangigem Recht - hier: mit dem Belehrungsmuster des Verordnungsgebers - ist eine Rechtsfrage und ohne Bindung an das Parteivorbringen zu untersuchen. Der Beibringungsgrundsatz gilt insoweit nicht.

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