Tierschützer: Keine Berichterstattung über Zustände in Kaninchenzuchtbetrieb ohne Stellungnahme der Betreiber
OLG Stuttgart v. 1.2.2023 - 4 U 144/22
Der Sachverhalt:
Die antragstellende Tierschutzorganisation wendet sich in einem einstweiligen Verfügungsverfahren die Berufung einer Tierschutzorganisation zurückgewiesen, die sich gegen die Untersagung bestimmter Äußerungen im Rahmen ihrer Berichterstattung über einen Kaninchenzuchtbetrieb richtete.
Die beklagte Tierschutzorganisation berichtete auf ihrem Internet-Presseportal und über den sog. ots-Ticker über den klagenden Kaninchenzuchtbetrieb unter Nennung der Firma, des Betriebsstandorts und der dort gezüchteten Kaninchenrasse und erhob u.a. Vorwürfe über "Tierquälerei", "schockierende Zustände" und "tierschutzwidrige Nottötungen". Eine vorherige Anhörung oder Konfrontation der Kläger - des Kaninchenzuchtbetriebs und dessen Gesellschafter - mit den Vorwürfen fand nicht statt.
Die Kläger ließen die Beklagte und ihren Vorsitzenden, einen freien Journalisten, daraufhin anwaltlich abmahnen und erwirkten nach Zurückweisung der geltend gemachten Ansprüche eine einstweilige Verfügung, mit der das LG den Beklagten untersagte, unter Verwendung bestimmter Begriffe - u.a. des Namens des Betriebs und der dort gezüchteten Kaninchenrasse sowie des Standorts - identifizierend über die Kläger zu berichten. Der Widerspruch der Beklagten blieb vor dem LG ohne Erfolg; die verbotenen Äußerungen griffen wegen eines Verstoßes gegen die Vorgaben der Verdachtsberichterstattung in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger ein, die ohne weiteres identifizierbar seien.
Die Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren ist rechtskräftig.
Die Gründe:
Bei der beklagten Tierschutzorganisation handelt es sich um einen Verein, der satzungsgemäß professionelle Öffentlichkeitsarbeit betreibt. Der Vorsitzende der Beklagten ist freier Journalist und muss deshalb die besonderen Pflichten der Presse gegen sich gelten lassen. Die Beklagte hat bereits zahlreiche Pressemitteilungen veröffentlicht und auch Presseanfragen etwa an ein Landratsamt gerichtet. Der Verein nimmt für sich das Grundrecht der Pressefreiheit in Anspruch. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass er sich an den für die Presse geltenden besonderen Sorgfaltspflichten festhalten lassen muss.
Die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung sind entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nur auf die Berichterstattung über Straf- und Ermittlungsverfahren anzuwenden, sondern auch auf Kritik an Unternehmen und die dafür Verantwortlichen sowie auf die Berichterstattung über rechtswidriges Verhalten. Im Streitfall liegt eine Verdachtsberichterstattung vor, da nicht lediglich über unstreitig wahre Tatsachen wie die Erstattung einer Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft berichtet wird, sondern - auch und gerade beim Hauptvorwurf der tierschutzwidrigen Tötung - kein endgültig feststehender Sachverhalt, sondern ein bloßer Verdacht geäußert wird.
Es gehört zwar zu den legitimen Aufgaben der Medien, Verfehlungen - auch konkreter Personen - aufzuzeigen. Besteht allerdings erst der Verdacht einer Straftat, so sind die Medien bei besonderer Schwere des Vorwurfs angesichts des damit verbundenen schwerwiegenden Eingriffs in die persönliche Ehre in besonderem Maße zu sorgfältigem Vorgehen verpflichtet. In diesem Rahmen ist nach den höchstrichterlichen Vorgaben vor einer Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme der Betroffenen einzuholen, damit diese ihren Standpunkt äußern können.
Die Veröffentlichung der Pressemitteilung unter ausdrücklicher bzw. identifizierender Nennung der Kläger ist hier jedoch unstreitig ohne die vorherige Einholung einer Stellungnahme der Kläger zu den in der Pressemitteilung geschilderten Vorwürfen erfolgt. Dabei wäre dies schon aufgrund der ebenfalls unstreitigen Erreichbarkeit der Kläger per Mail problemlos möglich gewesen. Allein deshalb besteht bereits der Unterlassungsanspruch.
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Verdachtsberichterstattung über Politiker
Christian Conrad / Marvin Damian Hubig, AfP 2023
AFP0051150
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Die Verdachtsberichterstattung
Johannes Hager, AfP 2022, 469
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OLG Stuttgart PM vom 1.2.2023
Die antragstellende Tierschutzorganisation wendet sich in einem einstweiligen Verfügungsverfahren die Berufung einer Tierschutzorganisation zurückgewiesen, die sich gegen die Untersagung bestimmter Äußerungen im Rahmen ihrer Berichterstattung über einen Kaninchenzuchtbetrieb richtete.
Die beklagte Tierschutzorganisation berichtete auf ihrem Internet-Presseportal und über den sog. ots-Ticker über den klagenden Kaninchenzuchtbetrieb unter Nennung der Firma, des Betriebsstandorts und der dort gezüchteten Kaninchenrasse und erhob u.a. Vorwürfe über "Tierquälerei", "schockierende Zustände" und "tierschutzwidrige Nottötungen". Eine vorherige Anhörung oder Konfrontation der Kläger - des Kaninchenzuchtbetriebs und dessen Gesellschafter - mit den Vorwürfen fand nicht statt.
Die Kläger ließen die Beklagte und ihren Vorsitzenden, einen freien Journalisten, daraufhin anwaltlich abmahnen und erwirkten nach Zurückweisung der geltend gemachten Ansprüche eine einstweilige Verfügung, mit der das LG den Beklagten untersagte, unter Verwendung bestimmter Begriffe - u.a. des Namens des Betriebs und der dort gezüchteten Kaninchenrasse sowie des Standorts - identifizierend über die Kläger zu berichten. Der Widerspruch der Beklagten blieb vor dem LG ohne Erfolg; die verbotenen Äußerungen griffen wegen eines Verstoßes gegen die Vorgaben der Verdachtsberichterstattung in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger ein, die ohne weiteres identifizierbar seien.
Die Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren ist rechtskräftig.
Die Gründe:
Bei der beklagten Tierschutzorganisation handelt es sich um einen Verein, der satzungsgemäß professionelle Öffentlichkeitsarbeit betreibt. Der Vorsitzende der Beklagten ist freier Journalist und muss deshalb die besonderen Pflichten der Presse gegen sich gelten lassen. Die Beklagte hat bereits zahlreiche Pressemitteilungen veröffentlicht und auch Presseanfragen etwa an ein Landratsamt gerichtet. Der Verein nimmt für sich das Grundrecht der Pressefreiheit in Anspruch. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass er sich an den für die Presse geltenden besonderen Sorgfaltspflichten festhalten lassen muss.
Die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung sind entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nur auf die Berichterstattung über Straf- und Ermittlungsverfahren anzuwenden, sondern auch auf Kritik an Unternehmen und die dafür Verantwortlichen sowie auf die Berichterstattung über rechtswidriges Verhalten. Im Streitfall liegt eine Verdachtsberichterstattung vor, da nicht lediglich über unstreitig wahre Tatsachen wie die Erstattung einer Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft berichtet wird, sondern - auch und gerade beim Hauptvorwurf der tierschutzwidrigen Tötung - kein endgültig feststehender Sachverhalt, sondern ein bloßer Verdacht geäußert wird.
Es gehört zwar zu den legitimen Aufgaben der Medien, Verfehlungen - auch konkreter Personen - aufzuzeigen. Besteht allerdings erst der Verdacht einer Straftat, so sind die Medien bei besonderer Schwere des Vorwurfs angesichts des damit verbundenen schwerwiegenden Eingriffs in die persönliche Ehre in besonderem Maße zu sorgfältigem Vorgehen verpflichtet. In diesem Rahmen ist nach den höchstrichterlichen Vorgaben vor einer Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme der Betroffenen einzuholen, damit diese ihren Standpunkt äußern können.
Die Veröffentlichung der Pressemitteilung unter ausdrücklicher bzw. identifizierender Nennung der Kläger ist hier jedoch unstreitig ohne die vorherige Einholung einer Stellungnahme der Kläger zu den in der Pressemitteilung geschilderten Vorwürfen erfolgt. Dabei wäre dies schon aufgrund der ebenfalls unstreitigen Erreichbarkeit der Kläger per Mail problemlos möglich gewesen. Allein deshalb besteht bereits der Unterlassungsanspruch.
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