Treuhänder einer Publikumsgesellschaft kann auch bei einer nur geringen Einlage haften
BGH 17.4.2018, II ZR 265/16Der Kläger war im Dezember 2003 als Direktkommanditist mit einer Einlage von 60.000 € zzgl. 3 % Agio M-GmbH & Co. KG II, einer Publikumsgesellschaft, beigetreten. Die Erklärung erfolgte nach einem Beratungsgespräch mit dem Vermittler E. Auf der vom Kläger unterschriebenen Beitrittserklärung unterzeichnete der E. in der vorformulierten Zeile: "Vermittelt sowie Legitimationsprüfung durchgeführt: Unterschrift Vermittler".
Die Beklagte war Treuhandkommanditistin. Neben ihrer Tätigkeit für die Treugeber nahm sie auch Aufgaben für die Direktkommanditisten wahr. Sie leitete die auf ihr Treuhandanderkonto eingezahlten Kommanditeinlagen der Direktkommanditisten auf ein Sonderkonto der Fondsgesellschaft weiter. Im Zusammenhang mit der Zeichnung schloss der Kläger mit der Beklagten einen Verwaltungsvertrag. Danach nahm die Beklagte sämtliche Rechte und Pflichten der Direktkommanditisten aus dem Gesellschaftsvertrag im fremden Namen wahr, soweit diese die Rechte und Pflichten nicht selbst ausübten.
Die Beklagte wurde im April 2004 als Kommanditistin mit einer Einlage von 35.600 € in das Handelsregister eingetragen. Der Kläger behauptete, die Beklagte sei bereits zum Zeitpunkt seines Beitritts mit einer Kapitaleinlage von 100 € Gründungsgesellschafterin des Fonds gewesen. Er begehrte im Wesentlichen wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten die Zahlung von 37.800 € sowie die Feststellung der Freistellung von sämtlichen Verpflichtungen, die ihm durch die Zeichnung seiner Kommanditbeteiligung entstanden sind und noch entstehen werden, Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte an der KG.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH die Entscheidungen auf und wies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
Gründe:
Zwar ließ sich eine Haftung aus dem Treuhandverhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger als Direktkommanditisten nicht begründen. Doch kommt eine Haftung der Beklagten aus Prospekthaftung im weiteren Sinn für Aufklärungspflichtverletzungen des Vermittlers E. in Betracht. Das OLG muss im weiteren Verfahren prüfen, inwieweit die behaupteten Aufklärungsmängel tatsächlich vorlagen.
Die Prospekthaftung im weiteren Sinn ist als Anwendungsfall der Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss nach § 280 Abs. 1, 3, §§ 282, 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB anzusehen. Die an die Anbahnung eines Vertragsschlusses anknüpfenden Schutz- und Aufklärungspflichten treffen grundsätzlich denjenigen, der den Vertrag im eigenen Namen abschließen will. Gegenüber einem beitrittswilligen Neugesellschafter haftet daher der bereits vor diesem beigetretene Altgesellschafter. Der hierfür maßgebliche, Schutzpflichten begründende Zeitpunkt ist regelmäßig der Abschluss des Aufnahmevertrags des Altgesellschafters.
Bei einer Publikumspersonengesellschaft ist eine Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss zwar insoweit ausgeschlossen, als sie sich gegen Altgesellschafter richten würde, die nach der Gründung der Gesellschaft rein kapitalistisch als Anleger beigetreten sind. Die Beklagte fällt allerdings nicht unter diese Ausnahme. Denn anders als rein kapitalistische Anleger verfolgte die Beklagte nicht ausschließlich Anlageinteressen. Vielmehr war sie als Treuhänderin in das Organisationsgefüge der Fondsgesellschaft eingebunden und erhielt für ihre Dienste eine jährliche Vergütung.
Die Haftung der Beklagten ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte im Verhältnis zu vielen anderen Gesellschaftern mit einer verhältnismäßig kleinen Kapitaleinlage beteiligt ist. Denn die einen nicht rein kapitalistisch als Anleger mit eigener Einlage einer Publikumsgesellschaft beigetretenen Altgesellschafter treffenden Aufklärungspflichten bei der Anbahnung des Aufnahmevertrags gegenüber den nach ihm rein kapitalistisch als Anleger beitretenden Gesellschaftern sind unabhängig von der Höhe der Beteiligung des Altgesellschafters und der Anzahl weiterer Gesellschafter.
Letztlich haben die Vorinstanzen die Anforderungen an die Zurechnung nach § 278 BGB überspannt. Die Beklagte hat ihre Pflicht zur Aufklärung von Beitrittsinteressenten auf die Komplementärin der Fondsgesellschaft übertragen, die die Beitrittsverhandlungen nicht durch eigene Mitarbeiter, sondern über einen Vertrieb geführt hat. Die Anwerbung von Beitrittsinteressenten oblag der Fondsgesellschaft, die über ihre Komplementärin handelte. Entsprechend sieht der Prospekt vor, dass die Komplementärin die Entgelte für den Vertrieb vereinbart, und der Zeichnungsschein ist derart gestaltet, dass neben der Zeile für die Annahmeerklärung der Komplementärin eine Zeile für die Unterschrift des Vermittlers vorformuliert ist.
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