Ukrainekrise: Restriktive Maßnahmen gegenüber russischen Unternehmen rechtmäßig
EuGH 28.3.2017, C-72/15Als Reaktion auf die Handlungen Russlands zur Destabilisierung der Lage in der Ukraine erließ der Rat im Juli 2014 mit einem Beschluss und einer Verordnung restriktive Maßnahmen, mit denen verschiedene Geldtransaktionen, die Ausfuhr bestimmter sensibler Güter und Technologien und der Zugang bestimmter russischer Organisationen zu den Kapitalmärkten beschränkt wurden und die Erbringung von Dienstleistungen für bestimmte Erdölgeschäfte verboten wurde. Ziel der vom Rat erlassenen Maßnahmen ist es, die Kosten für die die Souveränität der Ukraine untergrabenden Handlungen Russlands zu erhöhen. Eine der Gesellschaften, gegen die sich die Maßnahmen richten, ist die Klägerin, die auf Erdöl und Erdgas spezialisierte russische Gesellschaft Rosneft.
Rosneft macht vor dem zuständigen englischen Gericht geltend, die restriktiven Maßnahmen, die der Rat gegen sie erlassen habe, und die vom Vereinigten Königreich auf der Grundlage der Rechtsakte des Rates getroffenen Durchführungsmaßnahmen seien nicht mit dem Unionsrecht vereinbar. Das vorlegende Gericht möchte vom EuGH wissen, ob die Rechtsakte des Rates und des Vereinigten Königreichs gültig sind. Im Hinblick auf die nationalen Durchführungsmaßnahmen möchte es insbesondere wissen, ob das Vereinigte Königreich für Verstöße gegen die restriktiven Maßnahmen Strafsanktionen vorsehen durfte, solange der EuGH die Bedeutung der vom Rat verwendeten Ausdrücke noch nicht geklärt hat, und ob die restriktiven Maßnahmen die Abwicklung von Zahlungen durch die Banken betreffen und die Begebung von Global Depositary Receipts verbieten, die vor dem Erlass der Maßnahmen begebene Aktien repräsentieren.
Die Gründe:
Der EuGH ist für die Vorabentscheidung über die Rechtmäßigkeit restriktiver Maßnahmen zuständig, die im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik gegenüber natürlichen oder juristischen Personen erlassen wurden. Die Prüfung der vom Rat beschlossenen restriktiven Maßnahmen hat nichts ergeben, was deren Gültigkeit berühren würde. Es stellt keinen Eingriff in die Befugnisse des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und der Kommission dar, dass der Beschluss den Inhalt der Verordnung teilweise vorgibt und den Gegenstand der restriktiven Maßnahmen bestimmt. Das Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland steht dem Erlass der Maßnahmen ebenso wenig entgegen.
Der Rat hat die Rechtsakte auch hinreichend begründet. Die Bedeutung der mit ihnen verfolgten Ziele kann negative Folgen für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen. Der Eingriff in die unternehmerische Freiheit und das Eigentumsrecht von Rosneft kann nicht als unverhältnismäßig angesehen werden, zumal sich die Intensität der als Reaktion auf die Krise in der Ukraine erlassenen restriktiven Maßnahmen allmählich steigerte. Die Frage, ob der Wortlaut der Verordnung einen Mitgliedstaat daran hindert, für Verstöße gegen sie Strafsanktionen vorzusehen, ist zu verneinen. Dass die in der Verordnung verwendeten Begriffe später schrittweise durch den EuGH geklärt werden können, kann einen Mitgliedstaat nicht daran hindern, Sanktionen zu erlassen, um die effektive Umsetzung der Verordnung sicherzustellen.
Die restriktiven Maßnahmen betreffen nicht die Abwicklung von Zahlungen durch die Banken. Der Unionsgesetzgeber hätte, wenn er für die Abwicklung jeder Überweisung eine zusätzliche Genehmigung hätte vorschreiben wollen, einen anderen Ausdruck als "Finanzhilfe" verwendet. Zahlungsdienste werden von den Finanzinstituten nämlich als Mittler geleistet, ohne dass sie auf eigene Mittel zurückgreifen müssten, und die Verordnung hat nicht das Ziel, das Einfrieren von Geldern oder Beschränkungen im Bereich des Geldtransfers einzuführen. Im Übrigen verbieten die restriktiven Maßnahmen die Begebung von Global Depositary Receipts, die vor ihrem Erlass begebene Aktien repräsentieren.
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