Umfangreiche Verfahrensfortführung und wahrscheinliche Beweisaufnahme genügen nicht für Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO
BGH 14.5.2013, II ZR 76/12Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der E-AG (Schuldnerin), die Kapitalanlageprodukte auf dem Gebiet der erneuerbaren Energie konzipierte, finanzierte, vermarktete und vertrieb. Die Beklagten waren Vorstands- bzw. Aufsichtsratsmitglieder der Schuldnerin. Die Schuldnerin begab zwei Inhaberteilschuldverschreibungen an Privatanleger für 65 Mio. €. Der Emissionserlös sollte laut Prospekt zur Realisierung von internationalen Solarenergie- und französischen Windkraftprojekten benutzt werden. Das nicht mitverklagte Vorstandsmitglied Y erwarb für ca. 24 Mio. € aus dem Emissionserlös Kunstgegenstände für die Schuldnerin.
Der Kläger verlangt mit der Klage von den Beklagten die Zahlung von 5 Mio. € und rd. 49.000 € Rechtsanwaltskosten. In erster Linie macht er geltend, dass die Schuldnerin die Kunstgegenstände an ein Schwesterunternehmen für 37,9 Mio. € verkauft habe, die Forderung gegen das Schwesterunternehmen aber uneinbringlich sei. Im Laufe des Verfahrens räumte der Kläger ein, dass die Kunstgegenstände unter Eigentumsvorbehalt verkauft worden sind, sich noch in seinem Gewahrsam befinden und der Verkaufswert zumindest dem Ankaufspreis entspricht.
Er stützt die Klage nunmehr darauf, dass die Schuldnerin wegen der prospektwidrigen Verwendung der eingeworbenen Gelder zur Rückzahlung von Anleihen i.H.v. rd. 7 Mio. € verurteilt worden sei. Hilfsweise stützte er seinen Zahlungsanspruch auf die Ausreichung ungesicherter und nicht zurückbezahlter Darlehen, weiter hilfsweise auf die Übernahme wertloser Anteile an der V-GmbH und schließlich auf verschiedene rechtsgrundlose Zahlungen.
Das LG gab der Klage teilweise statt und verurteilte die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 5 Mio. €. Auf die Berufung der Beklagten hob das OLG das Urteil auf und verwies die Sache an das LG zurück. Auf die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten, hob der BGH das Urteil des OLG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Das OLG hat rechtsfehlerhaft für die Zurückverweisung eine umfangreiche Verfahrensfortführung einschließlich einer wahrscheinlichen Beweisaufnahme genügen lassen. Voraussetzung der Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO ist, dass aufgrund des Verfahrensmangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Dass den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu geben ist und danach möglicherweise eine Beweisaufnahme erforderlich wird, genügt für eine Zurückverweisung nicht.
Die Voraussetzungen einer Zurückverweisung liegen schon deshalb nicht vor, weil das OLG nur für den Hilfsantrag eine Beweisaufnahme für wahrscheinlich hielt. Auf eine durch den Hilfsantrag, der sich auf die Darlehensvergabe und damit einen anderen Sachverhalt als der Hauptantrag bezieht, veranlasste Beweisaufnahme kommt es aus Rechtsgründen nicht an. § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO verlangt, dass gerade aufgrund des Verfahrensmangels eine Beweisaufnahme notwendig wird. Bewertet das Berufungsgericht das Parteivorbringen materiell-rechtlich anders als das Erstgericht, indem es z.B. an die Schlüssigkeit oder die Substantiierung andere Anforderungen als das Erstgericht stellt, liegt ein zur Aufhebung und Zurückverweisung berechtigender wesentlicher Verfahrensmangel auch dann nicht vor, wenn infolge der abweichenden Beurteilung eine Beweisaufnahme erforderlich wird.
Das LG hat den Vortrag zum Schaden im Hauptantrag für schlüssig und sogar für bewiesen gehalten. Das OLG erachtet ihn als unschlüssig, jedenfalls als unsubstantiiert. Damit weicht es in der rechtlichen Beurteilung vom LG ab. Wenn danach nach Abweisung des Hauptantrags über den Hilfsantrag zu entscheiden ist, ist ein anderer Sachverhalt zu beurteilen. Aber selbst wenn man eine durch den Hilfsantrag erforderlich gewordene Beweisaufnahme für ausreichend erachten würde, wäre die Voraussetzung des § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO nicht erfüllt. Das OLG hat nicht festgestellt, dass insoweit eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig wird, sondern lediglich eine umfangreiche bzw. aufwändige Verfahrensfortführung einschließlich einer wahrscheinlichen Beweisaufnahme für erforderlich erachtet.
Von einer umfangreichen bzw. aufwändigen Verfahrensfortführung ist es ausgegangen, weil es hinsichtlich des Hilfsvorbringens des Klägers noch erheblichen Vortrags der Parteien zu den ihnen jeweils günstigen Tatsachen bedürfe. Das OLG hat danach eine Beweisaufnahme lediglich für wahrscheinlich oder möglich gehalten, wenn der Kläger und die Beklagten weiteren Vortrag gehalten haben. Nach Wortlaut und Sinn von § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO, den Aufwand mehrfacher Bearbeitung klein zu halten und Verfahrensverzögerungen durch Hin- und Herschieben von Fällen in den Instanzen zu vermeiden, genügt es nicht, dass die Parteien ihren Vortrag noch näher substantiieren müssen.
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