Umfangreicher Schadensersatzanspruch für Miterfinder
BGH 27.9.2016, X ZR 163/12Die Klägerin ist ein in Belgien ansässiges mittelständisches Unternehmen, das sich mit der Entwicklung neuer Verfahren zur Korrosionsschutzbeschichtung von Metallen beschäftigt. Die Beklagte ist ein in der Automobilzulieferungsindustrie tätiges Unternehmen. Beide arbeiteten ab 2002 im Rahmen eines Projektes zur verbesserten Oberflächenbehandlung von Stählen zusammen. Am 23.12.2005 meldete die Beklagte beim Europäischen Patentamt ein Beschichtungsverfahren unter Inanspruchnahme der Priorität der am 20.7.2006 offengelegten, ebenfalls nur von der Beklagten vorgenommenen deutschen Patentanmeldung vom 19.1.2005 zum Patent an. Diese europäische Patentanmeldung wurde am 26.7.2006 veröffentlicht. In beiden Anmeldungen sind zwei Mitarbeiter der Beklagten als alleinige Miterfinder genannt. Auf die deutsche Patentanmeldung ist der Beklagten inzwischen ein Patent erteilt worden. Der Patentanspruch ist wortgleich mit der europäischen Patentanmeldung.
Die Klägerin machte vor dem LG geltend, ihr Geschäftsführer (Kläger zu 2) sei der alleinige Erfinder der technischen Lehre der europäischen Patentanmeldung; die Beklagten hätten diese Lehre widerrechtlich entnommen. Sie beantragte deshalb u.a., die Beklagte zu verurteilen, den Anspruch auf Erteilung des europäischen Patents an die Klägerin abzutreten und gegenüber dem Europäischen Patentamt die Zustimmung zur Benennung des Geschäftsführers als Alleinerfinder zu erklären sowie allen Schaden zu ersetzen, der aus der unberechtigten Patentanmeldung entstanden ist.
Das LG hat die Beklagten verpflichtet, in eine 90 prozentige Mit-berechtigung der Klägerin an der Streitpatentanmeldung und die Nennung des Geschäftsführers als Miterfinder einzuwilligen, und der Klage hinsichtlich der weiteren Anträge stattgegeben. Das OLG hat das Urteil auf die Berufung der Beklagten dahin abgeändert, dass diese verpflichtet ist, der Klägerin eine Mitberechtigung an der Streitpatentanmeldung ohne bezifferten prozentualen Anteil einzuräumen. Die Feststellungsklage, dass die Beklagte der Klägerin zum Ersatz allen Schadens aus der unberechtigten Patentanmeldung verpflichtet sei, hat das Berufungsgericht abgewiesen.
Auf die Revision der Klägerin hat der BGH das Berufungsurteil insoweit aufgehoben als darin die Anträge auf Verurteilung der Beklagten zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung für die Zeit bis zur Klagezustellung und auf Feststellung der Schadensersatzpflicht abgewiesen worden waren.
Die Gründe:
Das Berufungsgericht hatte die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch der Klägerin zu Unrecht verneint.
Der Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe aufgrund ihrer Mitberechtigung an der Erfindung bei deren Anmeldung zum deutschen und europäischen Patent nicht rechtswidrig gehandelt, konnte nicht gefolgt werden. Schließlich war sich die Beklagte im Zeitpunkt der für die europäische Patentanmeldung prioritätsbegründenden deutschen Patentanmeldung des Umstands bewusst, dass an dem Gegenstand der Erfindung eine gemeinschaftliche Berechtigung bestand. Die Verwaltung des gemeinschaftlichen Gegenstands steht den Teilhabern nach § 744 Abs. 1 BGB grundsätzlich gemeinschaftlich zu. Auch unter der Prämisse, dass die Anmeldung der Erfindung zum Patent einem Miterfinder stets oder zumindest in Fällen drohender anderweitiger Veröffentlichung nach § 744 Abs. 2 BGB ohne vorherige Absprache mit den übrigen Teilhabern erlaubt sein müsse, handelt der anmeldende Teilhaber jedenfalls dann nicht rechtmäßig, wenn er bei der Anmeldung unzutreffende Angaben über die Personen der Miterfinder macht und sich zu Unrecht als alleiniger Berechtigter an der Erfindung geriert.
Einem auf diese Weise übergangenen Mitberechtigten steht ein Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 S. 1 u. § 823 Abs. 1 BGB zu, der auch einen Ausgleich für vom Anmelder gezogene Gebrauchsvorteile umfassen kann (Weiterführung von BGH, Urt. v. 22.3.2005, Az.: X ZR 152/03 - Gummielastische Masse II). Auskunft und Rechnungslegung kann die Klägerin nach ständiger Rechtsprechung gem. § 242 BGB i.V.m. § 259 Abs. 1 u. § 260 Abs. 1 BGB analog verlangen. Die entsprechenden Pflichten bestehen auch im Rahmen gesetzlicher Schuldverhältnisse und erstrecken sich jedenfalls auf die vom Berufungsgericht für die Zeit ab Klageerhebung zuerkannten Angaben.
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