27.02.2024

Unerlaubte Zuhilfenahme von künstlicher Intelligenz beim Eignungstest? Zugang zum Masterstudium abgelehnt

Das VG München hat den Eilantrag eines Studenten auf Zulassung zum Masterstudiengang an der TU München abgelehnt. Nach den Regeln des Anscheinsbeweises könne davon ausgegangen werden, dass eine Verletzung der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis vorliege. Dass das abgegebene Essay sich auffällig von denen der anderen Bachelorabsolventen und von dem vom Antragsteller selbst im Vorjahr abgegebenen Essay unterscheide und zugleich Merkmale aufweise, die für durch künstliche Intelligenz erstellte Texte typisch sind, lasse darauf schließen, dass das Essay mit unerlaubter Hilfe erstellt wurde.

VG München v. 28.11.2023 - M 3 E 23.4371
Der Sachverhalt:
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Masterstudiengang "..." an der T. U. M. (im Folgenden: TUM) nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Wintersemesters 2023/24.

Der Antragsteller bewarb sich erstmals zum Wintersemester 2022/23 für den genannten Masterstudiengang an der TUM; seine Bewerbung blieb ohne Erfolg. 2023 bewarb sich der Antragsteller zum Wintersemester 2023/24 erneut und legte hierfür Unterlagen, insbesondere auch das streitgegenständliche Essay, vor.

Im August 2023 schloss die TUM den Antragsteller vom laufenden Bewerbungsverfahren aus, weil er versucht habe, den Bewerbungsprozess durch Täuschung zu beeinflussen.

Im September 2023 ließ der Antragsteller Klage erheben zum VG. Ebenfalls beantragte er, im Wege der einstweiligen Anordnung die TUM zu verpflichten, den Antragsteller vorläufig zum Studium "...", zum Wintersemester 2023/24 in das erste Fachsemester auf einen Vollzeitstudienplatz zuzulassen.

Das VG hat den Eilantrag abgelehnt.

Die Gründe:
Die Voraussetzungen für einen Ausschluss vom laufenden Bewerbungsverfahren nach Nr. 4.2 Satz 3 der Anlage 2 zur FPSO sind voraussichtlich gegeben; eine erhebliche Verletzung der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis liegt voraussichtlich vor. Die hier inmitten stehende und vom Antragsgegner nachzuweisende Regelverletzung besteht darin, das eingereichte Essay entgegen der vom Antragsteller abgegebenen Erklärung vom ... Mai 2023 ganz oder in Teilen nicht selbst erstellt, sondern eine selbständige Leistung nur vorgespiegelt zu haben, während in Wahrheit unerlaubte Hilfe bei Abfassung des Essays in Anspruch genommen wurde.

Dass das vom Antragsteller abgegebene Essay sich über seinen gesamten Umfang auffällig von denen der anderen Bachelorabsolventen und von dem von ihm im Vorjahr abgegebenen Essay unterscheidet und zugleich Merkmale aufweist, die für durch künstliche Intelligenz erstellte Texte typisch sind, lässt nach allgemeinem Erfahrungswissen darauf schließen, dass das Essay mit unerlaubter Hilfe erstellt wurde.

Durch den vom Antragsgegner selbst mittels ChatGPT erstellten Text ist hinreichend dargetan, dass für Bewerber zugängliche Programme künstlicher Intelligenz grundsätzlich in der Lage sind, dem Essay vergleichbare Texte zu produzieren.

Nach der Stellungnahme von Prof. S. fällt das vom Antragsteller eingereichte Essay im Vergleich zu den Essays anderer Bewerber durch die sehr stark strukturierte Form auf; erfahrungsgemäß wiesen längere schriftliche Arbeiten von Studierenden selbst bei intensiver Betreuung gewisse Brüche in Struktur und Logik auf. Ferner steche die Kürze und Inhaltsdichte der Sätze und Abschnitte des Antragstellers ins Auge; im Vergleich zu den Essays nahezu sämtlicher weiterer Bewerber sei die Arbeit des Antragstellers deutlich kürzer, enthalte jedoch alle relevanten Aspekte. In der Regel neigten Bachelorabsolventen zur Nutzung verschachtelter Sätze und zur Überlänge; selbst erfahrenen Wissenschaftlern bereite es mitunter Mühe, Forschungsartikel in der gegebenen Kürze abzufassen. Die wesentliche Stärke von Programmen der künstlichen Intelligenz liege darin, Inhalte komprimiert darzustellen. Schließlich sei die Arbeit des Antragstellers in geschliffenem Englisch und frei von Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehlern abgefasst, was nicht den bisherigen Erfahrungen der Prüfer entspreche. Die Prüfer verweisen damit auf Auffälligkeiten in Bezug auf Struktur, inhaltliche Dichte und Fehlerfreiheit bei Wortwahl, Rechtschreibung und Zeichensetzung. Dem Vergleich lagen die Arbeiten anderer Bewerber der laufenden Bewerbungsrunde und darüber hinaus die allgemeinen Erfahrungen der Prüfer zu den Fähigkeiten von Bachelorabsolventen bei der Abfassung von Texten zugrunde. Angesichts dieses breiten Vergleichsspektrums lassen sich die Auffälligkeiten nicht allein mit der Spannbreite der gezeigten Leistungen der Bewerber und einer in diesem Rahmen am oberen Rand liegenden Leistung des Antragstellers erklären. Ins Gewicht fällt, dass Prof. S. im Hinblick auf die auffällige Prägnanz des Essays des Antragstellers sogar die Texte erfahrener Wissenschaftler zum Vergleich heranzieht.

Diese festgestellten Auffälligkeiten in Gestalt einer besonderen Qualität des Textes korrespondieren nach den Erfahrungen der Prüfer genau mit den Stärken von durch künstliche Intelligenz erstellten Texten, nämlich Inhalte derart kompakt darzustellen.

Weiter unterscheidet sich das vom Antragsteller am 30. Mai 2023 vorgelegte Essay augenfällig von dem von ihm im Vorjahr vorgelegten Essay. Anders als im streitgegenständlichen Essay ist im letztjährigen Essay der Wortschatz deutlich einfacher. Es finden sich eine Reihe von Wiederholungen einzelner Wörter oder Wendungen und trotz des deutlich geringeren Umfangs auch inhaltliche Wiederholungen.

Nach den Regeln des Anscheinsbeweises ist daher voraussichtlich davon auszugehen, dass das eingereichte Essay entgegen der vom Antragsteller abgegebenen Erklärung vom ... Mai 2023 ganz oder in Teilen nicht selbst erstellt wurde.

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