02.09.2016

Unionsrechtliche Begriff der Parodie ist maßgeblich

Maßgeblich ist der unionsrechtliche Begriff der Parodie. Die wesentlichen Merkmale der Parodie bestehen danach darin, zum einen an ein bestehendes Werk zu erinnern, gleichzeitig aber ihm gegenüber wahrnehmbare Unterschiede aufzuweisen, und zum anderen einen Ausdruck von Humor oder eine Verspottung darzustellen.

BGH 28.7.2016, I ZR 9/15
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist selbständiger Fotograf. Er hatte fotografische Aufnahme der Schauspielerin Bettina Z. angefertigt. Die Beklagte betreibt die Internetseite "BZ News aus Berlin". Auf dieser Seite erschien im August 2009 ein Bericht mit der Überschrift "Promis im Netz auf fett getrimmt". Dort wurde auf einen Wettbewerb hingewiesen, bei dem die Teilnehmer Fo tos von Prominenten mit Hilfe eines Bildbearbeitungsprogramms am Computer so bearbeiten sollten, dass die abgebildeten Personen als möglichst fettleibig erscheinen. Auf der Internetseite der Beklagten wurden daraufhin 32 bearbeitete Fotos gezeigt, darunter auch die Abbildung einer Bearbeitung der vom Kläger angefertigten Fotografie der Schauspielerin Bettina Z.

Der Kläger sah in der Veröffentlichung des Fotos durch die Beklagte eine unberechtigte Nutzung und Entstellung seines Lichtbildwerkes. Außerdem verletze die unterbliebene Benennung seiner Person als Urheber seine Rechte. Ihm stehe daher für die Nutzung des Bildes ein Anspruch auf Schadensersatz nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie i.H.v. 450 € sowie wegen Verletzung seiner immateriellen Interessen zusätzlich eine Geldentschädigung i.H.v. 5.000 € zu. Die Beklagte war der Ansicht, es fehle an einer Verletzung des Urheberrechts des Klägers. Bei der beanstandeten Abbildung handele es sich um eine freie Benutzung der Fotografie des Klägers. Jedenfalls sei die Wiedergabe der Abbildung als Berichterstattung über Tagesereignisse zulässig.

Das LG gab der Klage i.H.v. 2.450 € nebst Zinsen statt; das OLG wies die Klage vollständig ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf, als die Klage i.H.v. 450 € abgewiesen worden war. Im Umfang der Aufhebung wurde die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.

Die Gründe:
Das Berufungsgericht hatte einen Schadensersatzanspruch gem. § 97 Abs. 1 u. 2 UrhG abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, bei der beanstandeten Bearbeitung der Fotografie des Klägers handele es sich um eine gem. § 24 Abs. 1 UrhG ohne Zustimmung des Urhebers zulässige freie Benutzung. Diese Beurteilung hielt jedoch der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Für die Frage, ob die Übernahme gestalterischer Elemente eine Vervielfältigung (§ 16 UrhG), eine (unfreie) Bearbeitung (§ 23 UrhG) oder eine freie Benutzung (§ 24 Abs. 1 UrhG) darstellt, kommt es nach ständiger BGH-Rechtsprechung entscheidend auf den Abstand an, den das neue Werk zu den entlehnten eigenpersönlichen Zügen des benutzten Werkes hält. Eine freie Benutzung setzt demnach voraus, dass angesichts der Eigenart des neuen Werkes die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten älteren Werkes verblassen. Die Bestimmung des § 24 Abs. 1 UrhG ist insoweit im Lichte des Art. 5 Abs. 3k der Richtlinie 2001/29/EG auszulegen, als es um die urheberrechtliche Zulässigkeit von Parodien geht.

Maßgeblich ist der unionsrechtliche Begriff der Parodie. Die wesentlichen Merkmale der Parodie bestehen danach darin, zum einen an ein bestehendes Werk zu erinnern, gleichzeitig aber ihm gegenüber wahrnehmbare Unterschiede aufzuweisen, und zum anderen einen Ausdruck von Humor oder eine Verspottung darzustellen. Der Begriff der Parodie hängt nicht von der weiteren Voraussetzung ab, dass die Parodie einen eigenen ursprünglichen Charakter hat, der nicht nur darin besteht, gegenüber dem parodierten ursprünglichen Werk wahrnehmbare Unterschiede aufzuweisen. Zu den Voraussetzungen einer Parodie gehört es außerdem nicht, dass sie das ursprüngliche Werk selbst betrifft (im Anschluss an EuGH-Urt. v. 3.9.2014 - C-201/13, Deckmyn und Vrijheidsfonds/Vandersteen u.a.).

Die Annahme einer freien Benutzung gem. § 24 Abs. 1 UrhG unter dem Gesichtspunkt der Parodie setzt deshalb nicht voraus, dass durch die Benutzung des fremden Werkes eine persönliche geistige Schöpfung i.S.v. § 2 Abs. 2 UrhG entsteht. Sie setzt ferner keine antithematische Behandlung des parodierten Werkes oder des durch das benutzte Werk dargestellten Gegenstands voraus. Bei der Anwendung der Schutzschranke der Parodie in einem konkreten Fall muss ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen und Rechten der in den Art. 2 und 3 der Richtlinie 2001/29/EG genannten Personen auf der einen und der freien Meinungsäußerung des Nutzers eines geschützten Werkes, der sich auf die Ausnahme für Parodien beruft, auf der anderen Seite gewahrt werden.

Das Berufungsgericht hatte die Zulässigkeit der Parodie nicht unter Abwägung der maßgeblichen Interessen festgestellt. Es hatte deshalb nicht berücksichtigt, dass die beanstandete Bearbeitung nach seinen Feststellungen eine Entstellung des Werkes des Klägers i.S.v. § 14 UrhG darstellt und damit die berechtigten geistigen und persönlichen Interessen des Klägers in besonderem Maße betroffen sind. Das Berufungsgericht hatte ferner nicht berücksichtigt, dass sich die als Parodie anzusehende Bearbeitung nicht unmittelbar mit dem Werk des Klägers auseinandersetzt (was vom Urheber im Interesse der Meinungsfreiheit eher hinzunehmen ist), sondern sein Werk lediglich als Mittel der Auseinandersetzung mit einem dem Werk des Klägers nur als Subtext zu entnehmenden Thema benutzte.

Linkhinweise:

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