Unlautere Behinderung eines Mitbewerbers durch Verteilung von Handzetteln an Kunden im Bereich der Zufahrt
OLG Frankfurt a.M. 6.10.2016, 6 U 61/16Die Parteien, die jeweils Geschäfte mit zum größten Teil identischem Warenangebot betreibem, streiten über eine gezielte Behinderung im Wettbewerb. Die Geschäftsführer der Antragsgegnerin waren früher bei der Antragstellerin beschäftigt. Die Geschäftsbetriebe befinden sich in rd. 400 m Entfernung voneinander. Im Dezember 2015 verteilte ein Mitarbeiter der Antragsgegnerin auf bzw. an der Straße, an der sich der Geschäftsbetrieb der Antragstellerin befindet, Handzettel an Autofahrer, die wegen eines Rückstaus in diesem Bereich zum Teil standen. Auf den Handzetteln bewarb der Antragsgegnerin ihren Handel.
Die zunächst, der Antragsgegnerin das Verteilen von Handzetteln im Umkreis von 100 m um den Geschäftsbetrieb zu untersagen. Nach gerichtlichem Hinweis schränkte sie ihren Antrag ein.
Auf den Eilantrag der Antragstellerin untersagte das LG der Antragsgegnerin, in der Einfahrt des Geschäftsbetriebes der Antragstellerin, die die Kunden vor dem Besuch des genannten Geschäftsbetriebs der Antragstellerin passieren müssen, Handzettel für den Geschäftsbetrieb der Antragsgegnerin zu verteilen und hierbei durch gezieltes Ansprechen Kunden der Antragstellerin unter Hinweis auf das Geschäft der Antragsgegnerin abzufangen. Die Berufung der Antragsgegnerin hatte vor dem OLG keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Antragstellerin kann von der Antragsgegnerin gem. §§ 8 Abs.1, S. 4 Nr. 4 UWG verlangen, es zu unterlassen, im Einfahrtsbereich ihres Geschäftsbetriebes gezielt und individuell Kunden anzusprechen und Handzettel zu verteilen.
Das Abwerben von Kunden gehört zum Wesen des Wettbewerbs und kann nur unter besonderen Umständen als unlauter angesehen werden. Ein unlauteres Abfangen von Kunden liegt nach ständiger Rechtsprechung des BGH nur dann vor, wenn sich der Werbende gewissermaßen zwischen den Mitbewerber und dessen Kunden stellt, um diesem eine Änderung seines Kaufentschlusses aufzudrängen. Es bedarf einer unangemessenen Einwirkung auf Kunden, die dem Mitbewerber bereits zuzurechnen sind.
Die Antragsgegnerin hat Verbraucher angesprochen, die auf dem Weg zum Geschäft der Antragstellerin waren und damit als ihre Kunden anzusehen waren. Der Begriff des zum Kauf entschlossenen Kunden darf nicht zu eng verstanden werden. Auch vorgelagerte geschäftliche Entscheidungen, wie das Betreten eines Geschäftslokals werden erfasst. Der Mitarbeiter der Antragsgegnerin hat Passanten auf dem Zufahrtsweg zum Geschäft der Antragstellerin angesprochen. Unerheblich ist, dass an diesem Weg noch weitere Betriebe, etwa eine Schule und ein Studio, angesiedelt sind. Trotzdem erreichte die Antragsgegnerin auf diese Weise nahezu sämtliche Kunden, die auf dem Weg zur Antragstellerin waren. Die Aktion zielte offensichtlich auch gerade darauf ab.
Es liegt eine unangemessene Einwirkung vor. Das Verteilen von Handzetteln in unmittelbarer Nähe zum Mitbewerber reicht für sich genommen zwar nicht aus. Es ist wettbewerbskonform, wenn Kunden die Möglichkeit gegeben wird, sich über ein alternatives Angebot zu informieren. Die Unangemessenheit der Mittel ist aber u.a. dann zu bejahen, wenn die potenziellen Kunden i.S.d. § 7 UWG unzumutbar belästigt werden. Davon ist nach den Gesamtumständen im vorliegenden Fall auszugehen.
Die Grenze zur Unzumutbarkeit wurde hier schon dadurch überschritten, dass der Werbende an Autos herantrat, deren Fahrer und Beifahrer sich aufgrund der Verkehrslage dem Ansprechen und der Zettelverteilung nicht ohne weiteres entziehen konnten. Teilweise hatte sich eine Fahrzeugschlange gebildet, die die Fahrzeuge zum Stehenbleiben oder Langsamfahren zwang. In einer derartigen Situation ist es schwierig dem Werbenden auszuweichen. Es liegt nahe, dass viele Autofahrer den Handzettel allein deshalb entgegennehmen, um nicht unhöflich zu erscheinen. Das Verhalten der Antragsgegnerin stellt sich demnach als unzumutbare Belästigung der Kunden der Antragstellerin dar. Die Antragstellerin wurde dadurch gezielt behindert.
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