Unrichtigkeit angegriffener Werbeaussagen ist auch bei standardisierten Dienstleistungen vom Kläger zu beweisen
BGH 20.2.2013, I ZR 175/11Die Parteien sind auf dem Gebiet des Erwerbs und Einzugs ärztlicher und zahnärztlicher Honorarforderungen gegen Patienten tätig. Die Klägerin wandte sich im Sommer 2009 gegen einen Kostenvergleich, den die Beklagte in ihrer Werbung verwendet hatte. Für diesen Vergleich bezog sich die Beklagte auf ein Konditionsangebot, das die Klägerin mit Schreiben im Mai 2009 dem Zahnarzt Dr. U. unterbreitet hatte. Insbesondere wurde in dem Kostenvergleich die Umsatzgebühr der Beklagten von 2,7% einer solchen der Klägerin von 3,95% - jeweils bezogen auf den Rechnungsendbetrag - gegenübergestellt.
Die Klägerin behauptete, sie vereinbare ihre Preise in jedem Einzelfall individuell, so dass die Angabe eines Standardpreises von 3,95% in dem Kostenvergleich irreführend sei. Auch das Schreiben an Dr. U. sei ein individuelles Angebot gewesen. Die Beklagte trug vor, Factoring-Unternehmen hätten üblicherweise eine feste Preisstruktur, ebenso wie jeder Telefonanbieter eine gewisse Tarifstruktur habe; von Rabatten abgesehen würden die Preise nicht individuell vereinbart.
LG und OLG gaben der Klage auf u.a. Unterlassung und Schadenersatz statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Urteil des Berufungsgerichtes auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Gründe:
Da das Berufungsurteil auf einer fehlerhaften Verteilung der Beweislast beruhte, war es aufzuheben.
Das Berufungsgericht hatte der Beklagten die Beweislast dafür auferlegt, dass es sich bei dem im Kostenvergleich genannten Preis der Klägerin um deren - bei den angegebenen Leistungsmerkmalen - stets geforderten Preis handelte. Die Unrichtigkeit einer angegriffenen Werbeaussage ist allerdings eine anspruchsbegründende Tatsache, die grundsätzlich vom Kläger zu beweisen ist. Zwar können dem Anspruchsteller Darlegungs- und Beweiserleichterungen zugutekommen, soweit es sich um Tatsachen handelt, die in den Verantwortungsbereich des Werbenden fallen. Das war bei der Preisgestaltung der Klägerin aber nicht der Fall.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gibt es im Bereich standardisierter Dienstleistungen keinen Anlass, einen weiteren Fall der Beweiserleichterung zugunsten des Klägers anzuerkennen, wenn der Beklagte eine Preisangabe aus einem individuellen Angebot des Klägers entnimmt und zur Grundlage eines Preisvergleichs macht. Bei standardisierten Dienstleistungen kann regelmäßig angenommen werden, dass die an einen bestimmten Kunden gerichteten "individuellen Angebote" eines bestimmten Anbieters bei gleichen Leistungsmerkmalen in der Regel - und vorbehaltlich eventuell später eingeräumter Rabatte - preislich gleich gestaltet werden. Zu diesen standardisierten Dienstleistungen gehört auch das Factoring freiberuflicher Honorarforderungen. Entsprechend hatte die Beklagte vorgetragen, Factoring-Unternehmen hätten üblicherweise eine feste Preisstruktur, ebenso wie jeder Telefonanbieter eine gewisse Tarifstruktur habe; von Rabatten abgesehen würden die Preise nicht individuell vereinbart.
Infolgedessen musste die Klägerin darlegen und zu beweisen, dass sie im maßgeblichen Zeitpunkt im Sommer 2009 ihren Kunden bei denselben Leistungsmerkmalen tatsächlich von dem Angebot an Dr. U. abweichende, günstigere Preise angeboten oder berechnet hatte. Auch berechtigte Interessen der Klägerin an der Geheimhaltung von Geschäftsgeheimnissen rechtfertigen in dem vorliegenden Fall keine Beweislastumkehr zu Lasten der Beklagten. Im weiteren Verfahren kann die Klägerin Vortrag hinsichtlich des von ihr regelmäßig verwendeten Preises halten.
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