18.10.2017

Unternehmereigenschaft eines Reitlehrers sowie Sachmängelgewährleistung beim Verkauf eines hochpreisigen Dressurpferdes

Ein Reitlehrer und Pferdetrainer, der ein zuvor ausschließlich für private Zwecke erworbenes und ausgebildetes Dressurpferd verkauft, ist insoweit ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht als Unternehmer anzusehen, weshalb der Käufer sich ihm gegenüber auch nicht auf die Beweislastumkehr des § 476 BGB berufen kann. Auch bei einem hochpreisigen Dressurpferd können Abweichungen von der physiologischen (Ideal-)Norm ohne nachweisbare klinische Auswirkungen grundsätzlich keinen Sachmangel begründen, solange keine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung getroffen wurde.

BGH 18.10.2017, VIII ZR 32/16
Der Sachverhalt:
Der Kläger hat Ende 2010 aufgrund eines mündlich abgeschlossenen Vertrages vom Beklagten einen damals zehnjährigen Hannoveraner Wallach zum Preis von 500.000 € gekauft, um ihn als Dressurpferd bei Grand-Prix-Prüfungen einzusetzen. Der Beklagte, der selbständig als Reitlehrer und Pferdetrainer tätig ist, hatte das Pferd zuvor für eigene Zwecke erworben und zum Dressurpferd ausgebildet. Nachdem es zweimal probegeritten und auf Veranlassung des Klägers eine Ankaufsuntersuchung in einer Pferdeklinik durchgeführt worden war, fand im Januar 2011 eine Übergabe statt.

Im Rahmen einer tierärztlichen Untersuchung im Juni 2011 wurde am rechten Facettengelenk des Pferdes zwischen dem vierten und dem fünften Halswirbel ein Röntgenbefund festgestellt. Hieraufhin erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag und machte geltend, der Röntgenbefund sei die Ursache für schwerwiegende Rittigkeitsprobleme, die der Wallach unmittelbar nach der Übergabe gezeigt habe - das Pferd lahme, habe offensichtliche Schmerzen und widersetze sich gegen die reiterliche Einwirkung. Der Beklagte war hingegen der Auffassung, diese Probleme seien nach Übergabe durch eine falsche reiterliche Behandlung auf Seiten des Klägers verursacht worden.

LG und OLG gaben der auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gerichteten Klage statt. Auf die Revision des Beklagten hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen. 

Gründe:
Ein Reitlehrer und Pferdetrainer, der ein zuvor ausschließlich für private Zwecke erworbenes und ausgebildetes Dressurpferd verkauft, ist insoweit ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht als Unternehmer anzusehen, weshalb der Käufer sich ihm gegenüber auch nicht auf die Beweislastumkehr des § 476 BGB berufen kann. Zudem können auch bei einem hochpreisigen Dressurpferd Abweichungen von der physiologischen (Ideal-)Norm ohne nachweisbare klinische Auswirkungen grundsätzlich keinen Sachmangel gem. § 434 Abs. 1 BGB begründen, solange die Vertragsparteien keine anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung getroffen haben.

Die Eignung eines klinisch unauffälligen Pferdes wird für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB) als Reitpferd nicht schon dadurch beeinträchtigt, dass aufgrund von Abweichungen von der "physiologischen Norm" eine lediglich geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das Tier zukünftig klinische Symptome entwickeln könnte, die seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstehen. Ebenso wenig gehört es zur üblichen Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB) eines Tieres, dass es in jeder Hinsicht einer biologischen oder physiologischen "Idealnorm" entspricht. Ein Käufer kann in redlicher Weise nicht erwarten, ein Tier mit "idealen" Anlagen zu erhalten, sondern muss im Regelfall damit rechnen, dass das Tier in der einen oder anderen Hinsicht physiologische Abweichungen vom Idealzustand aufweist, wie sie für Lebewesen nicht ungewöhnlich sind.

Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für (hochpreisige) Dressurpferde und unabhängig davon, ob es sich um einen vergleichsweise häufig oder (wie hier) selten auftretenden Röntgenbefund handelt. Auch vorliegend vermochte der Röntgenbefund deshalb keinen Sachmangel i.S.v. § 434 Abs. 1 S. 2 BGB begründen. Der Sachverständige hatte klinische Auswirkungen dieses Befundes weder für den Übergabezeitpunkt feststellen können, noch es für wahrscheinlich erachtet, dass solche zukünftig auftreten werden. Soweit ein Käufer derartige Abweichungen von der physiologischen Norm vermeiden will, kann er mit dem Verkäufer eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung gem. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB vereinbaren. Ohne eine solche - vom Berufungsgericht zu Unrecht bejahte - Vereinbarung hat der Verkäufer nur dafür einzustehen, dass das Tier bei Gefahrübergang nicht krank ist und sich nicht in einem Zustand befindet, aufgrund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass es alsbald erkranken wird.

Allerdings könnten die vom Kläger behaupteten "Rittigkeitsprobleme" (Lahmheit, Schmerzen, Widersetzlichkeit) einen Sachmangel begründen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn sie bereits bei Übergabe des Pferdes vorhanden waren und nicht erst danach auftraten, hervorgerufen etwa (so die Behauptung des Beklagten) durch eine falsche reiterliche Behandlung auf Seiten des Käufers. Hierzu bedarf es allerdings weiterer Feststellungen des Berufungsgerichtes.

Insofern kann dem Kläger - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes - die Beweislastumkehr des § 476 BGB nicht zugutekommen. Denn diese Vorschrift gilt nur für Verträge, durch die ein Verbraucher von einem Unternehmer bewegliche Sachen kauft (sog. Verbrauchsgüterkäufe). An einer Unternehmereigenschaft des Beklagten fehlte es vorliegend jedoch, denn er handelte bei diesem Verkauf des Dressurpferdes nicht "in Ausübung" seiner selbständigen beruflichen Tätigkeit als Reitlehrer und Pferdeausbilder. Vielmehr hatte er das Pferd zuvor ausschließlich zu privaten Zwecken ausgebildet und trainiert, so dass ein Zusammenhang zu seiner beruflichen Tätigkeit allenfalls äußerlicher Natur war.

Linkhinweise:

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BGH PM Nr. 161 vom 18.10.2017
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