14.07.2023

Unwirksame Klausel bei Darlehen zur Finanzierung eines vom sog. "Dieselskandal" betroffenen Fahrzeugs

Die im Zuge der Gewährung eines Darlehens zur Finanzierung eines vom sog. "Dieselskandal" betroffenen Fahrzeugs in den AGB des Darlehensgebers enthaltene Bestimmung
"2. Abtretung von sonstigen Ansprüchen
Der Darlehensnehmer tritt ferner hiermit folgende - gegenwärtige und zukünftige - Ansprüche an die Bank ab, die diese Abtretung annimmt:
- gegen die Fahrzeugherstellerin, gleich aus welchem Rechtsgrund. Ausgenommen von der Abtretung sind Gewährleistungsansprüche aus Kaufvertrag des Darlehensnehmers gegen die Fahrzeugherstellerin. Der Darlehensnehmer hat der Bank auf Anforderung jederzeit die Namen und Anschriften der Drittschuldner mitzuteilen."

unterliegt nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der richterlichen Inhaltskontrolle und ist auch im Verkehr mit Unternehmern gem. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, §§ 134, 400 BGB, § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 843 BGB und i.V.m. § 9 ProdHaftG, § 843 Abs. 2 bis 4 BGB unwirksam.

BGH v. 26.6.2023 - VIa ZR 1657/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kfz auf Schadensersatz in Anspruch. Am 9.12.2019 kaufte der Kläger unter seiner Firma von einem Händler einen von der Beklagten hergestellten Mercedes-Benz E 250 Blue Tec als Gebrauchtwagen zu einem Kaufpreis von 26.000 €. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 (Schadstoffklasse: EURO 6) ausgestattet. Den Kaufpreis finanzierte der Kläger teilweise über ein Darlehen bei der M. AG (Darlehensgeberin). Das Darlehen wurde noch nicht vollständig zurückgeführt. Dem Darlehensvertrag lagen die AGB der Darlehensgeberin für Unternehmer zugrunde. Dort hieß es u.a.:

"II. Sicherheiten
Der Darlehensnehmer räumt der Bank zur Sicherung aller gegenwärtigen und bis zur Rückzahlung des Darlehens noch entstehenden sowie bedingten und befristeten Ansprüche der Bank aus der Geschäftsverbindung einschließlich einer etwaigen Rückabwicklung, gleich aus welchem Rechtsgrund, Sicherheiten gemäß nachstehenden Ziffern 1 und 2 ein.

2. Abtretung von sonstigen Ansprüchen
Der Darlehensnehmer tritt ferner hiermit folgende - gegenwärtige und zukünftige - Ansprüche an die Bank ab, die diese Abtretung annimmt:
- gegen den Verkäufer für den Fall einer Rückgängigmachung des finanzierten Vertrages oder Herabsetzung der Vergütung.
- gegen die [...] [Beklagte], [...], gleich aus welchem Rechtsgrund. Ausgenommen von der Abtretung sind Gewährleistungsansprüche aus Kaufvertrag des Darlehensnehmers gegen die [...] [Beklagte] oder einen Vertreter der [...] [Beklagten]. Der Darlehensnehmer hat der Bank auf Anforderung jederzeit die Namen und Anschriften der Drittschuldner mitzuteilen.

5. Rückgabe der Sicherheiten
Die Bank verpflichtet sich, nach Wegfall des Sicherungszweckes (alle Zahlungen unanfechtbar erfolgt) sämtliche Sicherungsrechte (Abschnitt II. Ziff. 1, 2) zurückzuübertragen [...] Bestehen mehrere Sicherheiten, hat die Bank auf Verlangen des Darlehensnehmers schon vorher nach ihrer Wahl einzelne Sicherheiten oder Teile davon freizugeben, falls deren realisierbarer Wert 120% der gesicherten Ansprüche der Bank überschreitet. [...]"


Der Kläger nahm die Beklagte in den Vorinstanzen auf Zahlung von rd. 23.500 € nebst Prozesszinsen Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs und die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten in Anspruch.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Urteil des OLG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Der Kläger ist Anspruchsinhaber möglicher deliktischer Ansprüche gegen die Beklagte, weil die in der Sicherungsabrede zwischen dem Kläger und der Darlehensgeberin enthaltene Abtretungsklausel nach § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1, §§ 134, 400 BGB, § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO unwirksam ist. Darauf, ob die Unwirksamkeit der Klausel zusätzlich aus Gesichtspunkten hergeleitet werden könnte, die in dem Senatsurteil vom 24.4.2023 (VIa ZR 1517/22) tragend waren, kommt es nicht an.

Im Ausgangspunkt zutreffend hat das OLG angenommen, bei der Sicherungsabtretung von Ansprüchen gegen die Beklagte "gleich aus welchem Rechtsgrund" handele es sich um eine vorformulierte AGB i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB, die gem. § 305 Abs. 2 BGB Bestandteil des Darlehensvertrags geworden sei. Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat es die Klausel als nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB kontrollfähig erachtet. Die vorliegende Klausel hält einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1, §§ 134, 400 BGB, § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO jedoch ohne Wertungsmöglichkeit nicht stand. Sie weicht zulasten des Klägers ohne Rücksicht darauf, ob er das Fahrzeug als Verbraucher oder Unternehmer gekauft hat bzw. ob die Voraussetzungen eines Verbundgeschäfts gegeben sind, von zwingenden Vorschriften ab. Die § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 400 BGB sind zwingendes Recht. § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist auch auf Renten anwendbar, die Selbständigen gezahlt werden; insoweit ist der persönliche Schutzbereich weiter als sonst bei Regeln über die Pfändung von Arbeitseinkommen.

Darauf, ob sich die Darlehensgeberin (auch) den Einwand der Treuwidrigkeit entgegenhalten lassen müsste, wenn sie sich auf die Abtretung von Ansprüchen aus § 843 BGB bzw. § 9 ProdHaftG, § 843 Abs. 2 bis 4 BGB beriefe, kommt es nicht an. Einwände gegen die Rechtsausübung des Verwenders betreffen die Ausübungskontrolle und setzen eine wirksame Klausel voraus, so dass die Prüfung anhand der §§ 307 ff. BGB Vorrang vor der Prüfung anhand des § 242 BGB genießt. Der Anwendungsbereich einer Klausel kann mithin nicht unter Verweis auf § 242 BGB eingeschränkt werden, um sie im Sinne einer geltungserhaltenden Reduktion auf den gerade noch wirksamen Inhalt zurückzuführen.

Die wegen ihrer Abweichung von § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 400 BGB ohne Wertungsmöglichkeit unwirksame formularmäßige Sicherungsabtretung sämtlicher Ansprüche gegen die Beklagte mit Ausnahme solcher aus kaufrechtlicher Gewährleistung kann nicht mit der Maßgabe aufrechterhalten werden, dass andere Ansprüche als solche auf Zahlung von Renten, die wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten sind, wirksam abgetreten sind. Ein solches Verständnis liefe auf eine geltungserhaltende Reduktion hinaus, die nach ständiger BGH-Rechtsprechung unzulässig ist. Die Klausel kann auch nicht in einen inhaltlich zulässigen und einen inhaltlich unzulässigen Teil zerlegt werden.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | BGB
§ 307 Inhaltskontrolle
Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Kommentar, 13. Auflage

Rechtsprechung:
Unwirksamkeit der formularmäßigen Abtretung von Schadensersatzansprüchen des Käufers an Finanzierungsbank in Dieselverfahren
BGH vom 24.04.2023 - VIA ZR 1517/22
ZIP 2023, 1288
ZIP0055989

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