10.01.2013

Unwirksame Vertragsklausel: Keine zwangsläufige Wiederholungsgefahr durch neuen Unternehmensinhaber

Enthalten die von einem Unternehmen (hier: Mobilfunkanbieter) abgeschlossenen Verträge unwirksame Klauseln, so begründet dies im Fall einer Unternehmensverschmelzung auch bei Fortführung des Betriebs keine - für einen Unterlassungsanspruch aus § 1 UKlaG erforderliche - Wiederholungsgefahr durch den neuen Unternehmensinhaber. Da dieser in die abgeschlossenen Verträge eintritt, sind an die Begründung einer Erstbegehungsgefahr (hinsichtlich des Sich-Berufens) keine allzu strengen Anforderungen zu stellen.

BGH 6.12.2012, III ZR 173/12
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist ein Verbraucherverband. Er hatte die X-AG, einen Mobilfunkanbieter und Rechtsvorgängerin der Beklagten, aufgefordert, sich - strafbewehrt - zu verpflichten, es zu unterlassen, eine in ihren AGB für Prepaid-Mobilfunkdienstleistungen enthaltene Klausel, wonach Voraussetzung einer Portierung ist, dass der Kunde schriftlich auf die Rückzahlung eines eventuell nicht verbrauchten Guthabens verzichtet, gegenüber Verbrauchern zu verwenden oder sich auf diese zu berufen. Die X-AG erklärte, die fragliche Klausel werde seit geraumer Zeit nicht mehr "gelebt". Außerdem gab sie die gewünschte Unterlassungserklärung ab, allerdings ohne das geforderte Vertragsstrafeversprechen.

Der Kläger war damit nicht zufrieden, lehnte das darin liegende Vertragsangebot ab und erhob Unterlassungsklage. Nach Klageerhebung wurde die X-AG mit Wirkung vom 20.5.2011 auf die D-GmbH und schließlich auf die M-GmbH, die jetzige Beklagte, verschmolzen. Infolgedessen erklärten die Parteien den Rechtsstreit teilweise - hinsichtlich des Antrags, es zu unterlassen, die fragliche Klausel zu verwenden - übereinstimmend für erledigt. Das LG gab der in der Hauptsache noch auf die Unterlassung des "Sich-Berufens" gerichteten Klage statt; das OLG wies sie ab. Die Revision des Klägers blieb vor dem BGH erfolglos.

Die Gründe:
Der Kläger konnte gegen die Beklagte keinen Unterlassungsanspruch aus § 1 UKlaG, nunmehr nur noch bezogen auf ein "Sich-Berufen" auf die von den Vorinstanzen und den Parteien zu Recht als unangemessen benachteiligend und damit unwirksam angesehene AGB-Klausel für Prepaid-Mobilfunkleistungen bei bestehenden Verträgen, geltend machen.

Nach BGH-Rechtsprechung für den Bereich des Wettbewerbs- und Markenrechts setzen sich Unterlassungsansprüche nach § 8 Abs. 1 UWG u. § 14 Abs. 5 MarkenG bei dem aufnehmenden Rechtsträger regelmäßig nicht fort. Der neue Unternehmensinhaber tritt nicht im Wege der (Gesamt-)Rechtsnachfolge in die gesetzliche Unterlassungspflicht ein. Die Wiederholungsgefahr ist ein tatsächlicher Umstand, der nach den Verhältnissen in der Person des in Anspruch Genommenen zu beurteilen ist. Dies gilt nicht nur, wenn der Rechtsvorgänger die Wiederholungsgefahr persönlich durch eigenes Verhalten begründet hat, sondern auch, wenn der Wettbewerbsverstoß durch Organe des Rechtsvorgängers oder Mitarbeiter seines Unternehmens begangen wurde.

Für den Unterlassungsanspruch genügt es auch nicht, dass es früher im Unternehmen von Mitarbeitern oder Beauftragten zu einem Wettbewerbsverstoß gekommen ist und in ihrer Person noch Wiederholungsgefahr besteht. Vielmehr muss, soweit es die Haftung des neuen Unternehmensinhabers aus § 8 Abs. 2 UWG (oder § 31 BGB analog) angeht, in der Person der betreffenden Mitarbeiter oder Beauftragten Erstbegehungsgefahr bestehen. Die bloße Tatsache des Unternehmensübergangs und der Fortführung des Betriebs selbst mit identischem Personal reicht dafür nicht aus. Diese bislang für das Wettbewerbs- und Markenrecht entwickelten Grundsätze, die nicht im Widerspruch zu der EuGH-Rechtsprechung stehen, sind auf den Unterlassungsanspruch aus § 1 UKlaG entsprechend zu übertragen.

Ein (vorbeugender) Unterlassungsanspruch konnte hier auch nicht aufgrund bestehender Erstbegehungsgefahr angenommen werden, denn eine solche Gefahr war zu verneinen. Auch im vorliegenden Fall durfte gelten, dass an die Beseitigung einer Erstbegehungsgefahr weniger strenge Anforderungen zu stellen sind als an die Beseitigung einer Wiederholungsgefahr. Die Beklagte hatte sich nicht auf die fragliche Klausel berufen, diese nicht verteidigt und sich in keiner Weise eines Rechts insoweit berühmt; vielmehr hatte sie sich lediglich auf den Standpunkt gestellt, dass wegen der Verschmelzung eine Wiederholungsgefahr nicht bestehe. Zudem hatte sie im Prozess ausdrücklich erklärt, dass sie sich auch in Zukunft nicht auf diese Klausel berufen wolle.

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