01.06.2015

Unwirksamkeit eines Erbvertrages zugunsten der Geschäftsführerin eines ambulanten Pflegedienstes

Für die Erbeinsetzung der Geschäftsführerin eines ambulanten Pflegedienstes durch eine zu pflegende Person in einem Erbvertrag gilt bis zum Beweis des Gegenteils die Vermutung, dass diese Erbeinsetzung mit den Pflegeleistungen steht. Gerade in Fällen unklarer Beweislage, in denen die Motive und Gründe sowie die Zusammenhänge der Zuwendung in der Regel offen bleiben, muss das Verbot im Interesse des Schutzes der Testierfreiheit eingreifen.

OLG Frankfurt a.M. 12.5.2015, 21 W 67/14
Der Sachverhalt:
Die ledige und kinderlose Erblasserin war jahrelang bis zu ihrem Tod vom ambulanten Pflegedienst der Geschäftsführerin und Beschwerdeführerin betreut worden. Sie selbst hatte die Erblasserin anlässlich eines Krankenhausaufenthaltes kennengelernt, diese ab dann regelmäßig besucht, gemeinsame Ausflüge unternommen und zweimal in der Woche mit ihr zusammen Mittag gegessen. Knapp ein Jahr vor ihrem Tod schloss die Erblasserin mit der Geschäftsführerin einen notariellen Erbvertrag, mit dem diese als ihre alleinige Erbin eingesetzte.

Nachdem die Erblasserin verstorben war, beantragte die Geschäftsführerin auf der Grundlage des Erbvertrages einen Erbschein, der ihr zunächst vom Nachlassgericht erteilt wurde. Der Wert des Nachlasses betrug rund 100.000 €. Nachdem das Regierungspräsidium als Aufsichtsbehörde ein Bußgeldverfahren gegen die Geschäftsführerin wegen Verstoßes gegen das Verbot in § 7 Hessisches Gesetz über Betreuungs- und Pflegeleistungen (HGBP) eingeleitet hatte, zog das Nachlassgericht den Erbschein als unrichtig wieder ein. Das OLG wies die hiergegen gerichtete Beschwerde zurück. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Die Gründe:
Der Erbschein war gem. § 2361 BGB einzuziehen. Die Geschäftsführerin war nicht Alleinerbin der Erblasserin geworden, da der Erbvertrag gem. § 134 BGB wegen eines Verstoßes gegen § 7 HGBP unwirksam war. Dabei richtete sich der Verstoß vorliegend nach § 7 Abs. 2 HGBP und nicht - wie in dem Beschluss des Nachlassgerichts angeführt - nach § 7 Abs. 1 HGBP, da in dem Erbvertrag nicht die den ambulanten Pflegedienst betreibende A-GmbH, sondern die Beschwerdeführerin als deren Geschäftsführerin als Erbin eingesetzt worden war.

Die Vorschrift untersagt es der Leitung und den Mitarbeitern einer Betreuungs- oder Pflegeeinrichtung, sich von Betreuungs- und Pflegebedürftigen neben der vereinbarten Vergütung Geld oder geldwerte Leistungen für die Pflegeleistungen versprechen oder gewähren zu lassen. Anders als die Vorgängernorm § 14 Heimgesetz erstreckt sich § 7 HGPB nunmehr ausdrücklich auch auf ambulante Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen und deren Leitung. Die Regelung soll verhindern, dass die Hilf- oder Arglosigkeit alter und pflegebedürftiger Menschen in finanzieller Hinsicht ausgenutzt wird und dient auch dazu, ihre Testierfreiheit zu sichern. Bei einer Erbeinsetzung - wie hier - liegt ein Verstoß allerdings nur dann vor, wenn die Erbeinsetzung im Zusammenhang mit der Erfüllung der Pflichten aus dem Pflegevertrag erfolgte. Insofern besteht eine gesetzliche Vermutung, die nur durch den Beweis des Gegenteils widerlegt werden kann.

Diesen Beweis hatte die Geschäftsführerin jedoch nicht erbringen können. Zwar war nach der Beweisaufnahme davon auszugehen, dass zwischen ihr und der Erblasserin eine freundschaftliche und eine über eine Geschäftsbeziehung hinausgehende Bindung vorgelegen hatte. Es konnte aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass kein Zusammenhang zwischen dem Erbvertrag und den Pflegeleistungen bestand. Eine eindeutige Trennung zwischen dienstlicher und freundschaftlicher Beziehung war nicht erkennbar und durfte in der vorliegenden Konstellation praktisch auch nicht möglich sein. Gerade in Fällen unklarer Beweislage, in denen die Motive und Gründe sowie die Zusammenhänge der Zuwendung in der Regel offen bleiben, muss das Verbot im Interesse des Schutzes der Testierfreiheit eingreifen.

Linkhinweis:

OLG Frankfurt a.M. Pressemitteilung v. 29.5.2015
Zurück