Urheberrechtsschutz für ein Lichtbildwerk - MFM-Tarife können als Anhaltspunkt für die Schätzung dienen
LG Köln v. 3.3.2022 - 14 O 139/21
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Fotokünstler, u.a. für Aktfotografie. Seine Arbeit wurde mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet. Der Beklagte betrieb im Nebenerwerb eine Tätigkeit als Fotograf, er ist aktuell als Social-Media-Berater tätig. Er hat Accounts bei verschiedenen sozialen Netzwerken, u.a. Instagram und Pinterest, auf denen er eine Vielzahl von Fotografien bereithält, zum Teil selbst erstellte. Der Pinterest Account enthielt einen Link auf die URL: entfernt.com, deren Inhaber der Beklagte ist. Dieser Link wiederum führte zum Instagram Account des Beklagten mit der Bezeichnung "U", auf dem Aktfotografien abrufbar gehalten werden. Werke des Beklagten wurden in der Vergangenheit u.a. von einer Galerie vermarktet. So auch ein Bildband mit Aktfotografien zum Preis von 39,70 € bzw. 52,25 € erhältlich und bei Amazon gelistet.
Über den öffentlichen Pinterest Account des Beklagten waren von November 2018 bis November 2020 mehrere Lichtbilder des Klägers abrufbar. Dieser ließ den Beklagten deshalb am 27.11.2020 abmahnen. Der Beklagte unterwarf sich mit Schreiben vom 12.12.2020, das der Kläger am 14.12.2020 als Unterlassungserklärung annahm. Der Kläger machte dabei bereits Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche geltend. Am 22.12.2020 waren Lichtbilder des Klägers weiterhin im Internet über den Google Cache abrufbar. Deshalb ließ der Kläger den Beklagten am 22.12.2020 nochmals abmahnen und forderte eine neue Unterlassungserklärung sowie eine Vertragsstrafe von 2.500 €. Der Beklagte reagierte hierauf mit anwaltlichem Schreiben vom 20.1.2021, aber er unterwarf sich insoweit nicht. Am 10.3.2020 waren Lichtbilder des Klägers weiterhin auf dem Server von Pinterest gespeichert und abrufbar, außerdem war ein Lichtbild des Klägers weiterhin über eine Google Bildersuche auffindbar. Deshalb ließ der Kläger den Beklagten ein drittes Mal abmahnen und forderte eine weitere Vertragsstrafe i.H.v. 4.500 €. Der Beklagte verhielt sich wie zuvor. Er leistete auch keine Zahlungen.
Der Kläger behauptete, der Beklagte habe in seiner Eigenschaft als Fotograf, jedenfalls aber in gewerblicher Tätigkeit gehandelt. Er war der Ansicht, die Abrufbarkeit bei Pinterest stelle eine Vervielfältigung und eine öffentliche Zugänglichmachung seiner Lichtbilder dar. Er verlangte vom Beklagten gerichtlich Unterlassung, Schadenersatz i.H.v. 17.245 € sowie Vertragsstrafenzahlungen von insgesamt 7.000 €. Das LG hat der Klage überwiegend stattgegeben.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung der öffentlichen Zugänglichmachung der streitgegenständlichen Lichtbilder aus dem gemeinsamen Unterlassungsvertrag und aus §§ 97 Abs. 1, 19a, 2 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 UrhG. Jedoch ist der Tenor abweichend vom Klageantrag in der konkreten Verletzungsform anzupassen, weil er andernfalls angesichts der vorgerichtlich abgegebenen Unterlassungserklärung zu weitgehend wäre.
Ergänzend hierzu hat der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 97 Abs. 2 UrhG. In diesem Zusammenhang stützte sich der Kläger maßgeblich auf die Verletzung, zu der sich der Beklagte unterworfen hatte. Entgegen der Argumentation des Beklagten stellt die Abrufbarkeit bei Pinterest nicht nur eine zulässige Form des Verlinkens oder des Embeddings dar. Es steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Beklagte die Lichtbilder des Klägers aktiv in die Plattform Pinterest eingebracht und mit seinem Account verbunden hat. Es handelt sich nicht um einen sog. "Re-Pin" eines bereits von einem anderen Account in die Plattform eingebrachten Lichtbildes, das dann über eine plattformspezifische Funktion verlinkt und/oder embedded wird. Der Kläger hat hierzu nicht zugestimmt, die Nutzung war also rechtswidrig.
Im Rahmen der Schätzung nach § 287 ZPO hielt die Kammer es mangels konkreter Anhaltspunkte für angemessen, die MFM-Tabellen zumindest als Anhaltspunkt für die Schätzung heranziehen. Es kommt nicht entscheidend darauf an, ob der Beklagte gewerblich gehandelt hat. Zwar ist richtig, dass die MFM-Tabellen grundsätzlich den gewerblichen Lizenznehmer adressieren. Dies entwertet diese Tarife jedoch nicht grundlegend als Anhaltspunkt für die Schätzung nach § 287 ZPO auch im Verhältnis zu Privaten, wenn die Intensität der Nutzung einer gewerblichen Nutzung - wie hier - jedenfalls gleichsteht. Die ausgiebige Nutzung von Lichtbildwerken bei Pinterest, verbunden mit der guten Auffindbarkeit durch die Google Bildersuche betrifft hier den Kläger mindestens in gleicher Intensität wie eine Nutzung durch einen Unternehmer auf dessen Internetauftritten. Deshalb ist die Berechnung der Höhe des Lizenzschadensersatzes durch den Kläger im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Die angesetzten Vertragsstrafen von 2.500 € bzw. 4.500,- € für erschienen der Kammer angemessen, auch wenn der Beklagte nicht gewerblich tätig wäre. Denn im gewerblichen Bereich der Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke, insbesondere Lichtbilder und Lichtbildwerke, hält die Kammer grundsätzlich und nach ständiger Rechtsprechung Vertragsstrafen bei Erstverstößen ab 5.100 € für angemessen. Hier erfolgte für den Erstverstoß im Verhältnis dazu bereits ein moderater Ansatz von weniger als der Hälfte. Auch die Vertragsstrafe für den Zweitverstoß bleibt hinter diesem Wert zurück.
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Justiz NRW
Der Kläger ist Fotokünstler, u.a. für Aktfotografie. Seine Arbeit wurde mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet. Der Beklagte betrieb im Nebenerwerb eine Tätigkeit als Fotograf, er ist aktuell als Social-Media-Berater tätig. Er hat Accounts bei verschiedenen sozialen Netzwerken, u.a. Instagram und Pinterest, auf denen er eine Vielzahl von Fotografien bereithält, zum Teil selbst erstellte. Der Pinterest Account enthielt einen Link auf die URL: entfernt.com, deren Inhaber der Beklagte ist. Dieser Link wiederum führte zum Instagram Account des Beklagten mit der Bezeichnung "U", auf dem Aktfotografien abrufbar gehalten werden. Werke des Beklagten wurden in der Vergangenheit u.a. von einer Galerie vermarktet. So auch ein Bildband mit Aktfotografien zum Preis von 39,70 € bzw. 52,25 € erhältlich und bei Amazon gelistet.
Über den öffentlichen Pinterest Account des Beklagten waren von November 2018 bis November 2020 mehrere Lichtbilder des Klägers abrufbar. Dieser ließ den Beklagten deshalb am 27.11.2020 abmahnen. Der Beklagte unterwarf sich mit Schreiben vom 12.12.2020, das der Kläger am 14.12.2020 als Unterlassungserklärung annahm. Der Kläger machte dabei bereits Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche geltend. Am 22.12.2020 waren Lichtbilder des Klägers weiterhin im Internet über den Google Cache abrufbar. Deshalb ließ der Kläger den Beklagten am 22.12.2020 nochmals abmahnen und forderte eine neue Unterlassungserklärung sowie eine Vertragsstrafe von 2.500 €. Der Beklagte reagierte hierauf mit anwaltlichem Schreiben vom 20.1.2021, aber er unterwarf sich insoweit nicht. Am 10.3.2020 waren Lichtbilder des Klägers weiterhin auf dem Server von Pinterest gespeichert und abrufbar, außerdem war ein Lichtbild des Klägers weiterhin über eine Google Bildersuche auffindbar. Deshalb ließ der Kläger den Beklagten ein drittes Mal abmahnen und forderte eine weitere Vertragsstrafe i.H.v. 4.500 €. Der Beklagte verhielt sich wie zuvor. Er leistete auch keine Zahlungen.
Der Kläger behauptete, der Beklagte habe in seiner Eigenschaft als Fotograf, jedenfalls aber in gewerblicher Tätigkeit gehandelt. Er war der Ansicht, die Abrufbarkeit bei Pinterest stelle eine Vervielfältigung und eine öffentliche Zugänglichmachung seiner Lichtbilder dar. Er verlangte vom Beklagten gerichtlich Unterlassung, Schadenersatz i.H.v. 17.245 € sowie Vertragsstrafenzahlungen von insgesamt 7.000 €. Das LG hat der Klage überwiegend stattgegeben.
Die Gründe:
Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung der öffentlichen Zugänglichmachung der streitgegenständlichen Lichtbilder aus dem gemeinsamen Unterlassungsvertrag und aus §§ 97 Abs. 1, 19a, 2 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 UrhG. Jedoch ist der Tenor abweichend vom Klageantrag in der konkreten Verletzungsform anzupassen, weil er andernfalls angesichts der vorgerichtlich abgegebenen Unterlassungserklärung zu weitgehend wäre.
Ergänzend hierzu hat der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 97 Abs. 2 UrhG. In diesem Zusammenhang stützte sich der Kläger maßgeblich auf die Verletzung, zu der sich der Beklagte unterworfen hatte. Entgegen der Argumentation des Beklagten stellt die Abrufbarkeit bei Pinterest nicht nur eine zulässige Form des Verlinkens oder des Embeddings dar. Es steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Beklagte die Lichtbilder des Klägers aktiv in die Plattform Pinterest eingebracht und mit seinem Account verbunden hat. Es handelt sich nicht um einen sog. "Re-Pin" eines bereits von einem anderen Account in die Plattform eingebrachten Lichtbildes, das dann über eine plattformspezifische Funktion verlinkt und/oder embedded wird. Der Kläger hat hierzu nicht zugestimmt, die Nutzung war also rechtswidrig.
Im Rahmen der Schätzung nach § 287 ZPO hielt die Kammer es mangels konkreter Anhaltspunkte für angemessen, die MFM-Tabellen zumindest als Anhaltspunkt für die Schätzung heranziehen. Es kommt nicht entscheidend darauf an, ob der Beklagte gewerblich gehandelt hat. Zwar ist richtig, dass die MFM-Tabellen grundsätzlich den gewerblichen Lizenznehmer adressieren. Dies entwertet diese Tarife jedoch nicht grundlegend als Anhaltspunkt für die Schätzung nach § 287 ZPO auch im Verhältnis zu Privaten, wenn die Intensität der Nutzung einer gewerblichen Nutzung - wie hier - jedenfalls gleichsteht. Die ausgiebige Nutzung von Lichtbildwerken bei Pinterest, verbunden mit der guten Auffindbarkeit durch die Google Bildersuche betrifft hier den Kläger mindestens in gleicher Intensität wie eine Nutzung durch einen Unternehmer auf dessen Internetauftritten. Deshalb ist die Berechnung der Höhe des Lizenzschadensersatzes durch den Kläger im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Die angesetzten Vertragsstrafen von 2.500 € bzw. 4.500,- € für erschienen der Kammer angemessen, auch wenn der Beklagte nicht gewerblich tätig wäre. Denn im gewerblichen Bereich der Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke, insbesondere Lichtbilder und Lichtbildwerke, hält die Kammer grundsätzlich und nach ständiger Rechtsprechung Vertragsstrafen bei Erstverstößen ab 5.100 € für angemessen. Hier erfolgte für den Erstverstoß im Verhältnis dazu bereits ein moderater Ansatz von weniger als der Hälfte. Auch die Vertragsstrafe für den Zweitverstoß bleibt hinter diesem Wert zurück.
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