Vaterschaftsanfechtung nach Embryonenspende
OLG Frankfurt a.M. 20.6.2018, 2 UF 194/16Der Antragsteller und die Mutter eines im Sommer 2013 geborenen Kindes waren seit 2002 verheiratet. Sie trennten sich im Sommer 2011 und sind seit Sommer 2014 geschieden. Das Kind wurde durch künstliche Befruchtung gezeugt. Samen und Eizelle stammten von dritten Personen ab. Der Embryo wurde der Kindesmutter in Tschechien eingepflanzt. Sie trug das Kind aus und hat es auch geboren.
Die geschiedenen Eheleute hatten sich bereits im Jahr 2008 in Deutschland zu einer künstlichen heterologen Insemination entschlossen, die jedoch keinen Erfolg hatte. Seinerzeit hatte der Ehemann in notarieller Form der reproduktionsmedizinischen Behandlung seiner Ehefrau zugestimmt. Kurz vor der Trennung der Eheleute im Jahr 2011 unterzeichneten beide einen Antrag auf künstliche Befruchtung mittels einer Embryonenspende in Tschechien. Der darauf folgende Befruchtungsversuch war nicht erfolgreich.
Der tschechischen Klinik wurden nachfolgend 2012 zwei weitere Antragsformulare übersandt, die Unterschriften des Antragstellers und der Kindesmutter zeigten. Ein daraufhin vorgenommener Embryonentransfer führte zur Geburt des Kindes, das wegen der weiter bestehenden Ehe rechtlich als Kind des Ehemannes galt. Dieser hat die Vaterschaft mit der Begründung angefochten, nicht leiblicher Vater zu sein und die Anträge aus dem Jahr 2012 nicht unterzeichnet zu haben.
Das AG gab dem Antrag des Antragstellers statt. Die Beschwerde der Kindesmutter hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Die Gründe:
Der Antragsteller konnte als nicht leiblicher Vater die rechtliche Vaterschaft wirksam anfechten, weil er nicht wirksam in die Zeugung des Kindes mittels einer Embryonenspende eingewilligt hat.
Die Vaterschaftsanfechtung ist hier nicht gesetzlich ausgeschlossen. Gem. § 1600 Abs. 4 BGB kann zwar eine Anfechtung durch den Vater nicht erfolgen, wenn er in die Zeugung durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten eingewilligt hat. Die Anfechtungssperre sichert das Wohl des betroffenen Kindes, indem sie Wunscheltern die Möglichkeit nimmt, die aus der bewussten Einwilligung in eine heterologen Insemination resultierenden Rechtspflichten durch nachträgliche Anfechtung wieder zu beseitigen. Dem Anfechtungsverbot nach § 1600 Abs. 4 BGB steht daher nicht entgegen, dass die hier vorgenommene Embryonentransferbehandlung in Deutschland unzulässig ist. Nach dem Willen des Gesetzgebers bedürfen vielmehr alle auf künstlichen Weg gezeugten Kinder in rechtlicher und sozialer Hinsicht des Schutzes, unabhängig davon, ob die Art und Weise der ärztlich assistierten Zeugung gegen deutsche Gesetze verstößt.
Tatsächlich liegt hier jedoch keine fortdauernde Einwilligung des Antragstellers zu der konkreten, zur Geburt des Kindes führenden Embryonenübertragung vor. Die Mutter konnte nicht nachweisen, dass der Antragsteller den Antrag für den dritten Befruchtungsversuch eigenhändig unterzeichnet hat. Die eingeholten graphologischen und daktyloskopischen Gutachten belegen dies nicht. Die früher erteilten Zustimmungen des Antragstellers entfalten keine Wirksamkeit für den späteren erfolgreichen Befruchtungsversuch. So bezog sich die Einwilligung aus dem Jahr 2008 allein auf eine heterologe Insemination, nicht jedoch auf die in Deutschland strafbewehrte Methode der Fremdembryonenspende.
Die zu Beginn des Jahres 2011 erteilte Einwilligung zur Embryonenspende erstreckt sich nicht auf die nachfolgenden Befruchtungsversuche. Dies ergibt sich bereits aus der Notwendigkeit aktueller unterzeichneter Anträge für jede erneute Behandlung. Maßgeblich ist, dass mit der Einwilligung in die künstliche Befruchtung die Übernahme der Verantwortung für das Kind verbunden ist. Diese Verantwortungsübernahme gründet auf der ehelichen Lebensgemeinschaft. Zum Zeitpunkt der erfolgreichen Befruchtung waren der Antragsteller und die Kindesmutter jedoch seit über einem Jahr getrennt. Die tatsächliche Grundlage für eine gemeinsame Elternschaft ist damit entfallen.
Die Mutter konnte angesichts der Beendigung der ehelichen Gemeinschaft nicht erwarten, dass der Antragsteller weiterhin mit ihr gemeinsame elterliche Verantwortung für ein Kind tragen wollte. Daher bedurfte es keines ausdrücklichen Widerrufs der Einwilligung des Antragstellers gegenüber der Kindesmutter.