Verantwortung des Rechtsanwalts bei Unterzeichnung eines Schriftsatzes für einen anderen Rechtsanwalt
BGH 14.3.2017, XI ZB 16/16Der Kläger verlangt von der beklagten Bank die Rückabwicklung eines mit ihr geschlossenen Fremdwährungsdarlehens. Das LG wies die Klage mit Urteil vom 17.11.2015, zugestellt am 25.11.2015, ab. Dagegen legte die Prozessbevollmächtigte des Klägers, eine u.a. aus den Rechtsanwälten Dr. S. und Sa. bestehende Rechtsanwaltspartnerschaft mbH, am 22.12.2015 Berufung ein und begründete diese am 25.2.2016 fristgerecht. Sowohl die Berufungsschrift als auch die Berufungsbegründung sind mit einer augenscheinlich von derselben Person herrührenden Unterschrift versehen, die unleserlich ist, aber individuelle und unterscheidungskräftige Züge aufweist. Unter der Unterschrift befindet sich jeweils der maschinenschriftliche Zusatz: "RA Dr. S. , Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht", von dem indes die beiden Unterschriften nicht stammen.
Nach Hinweis der Beklagten, dass die Berufungsschrift nicht ordnungsgemäß unterzeichnet und deshalb die Berufung als unzulässig zu verwerfen sei, erläuterte die Prozessbevollmächtigte des Klägers, die Unterschrift stamme von Rechtsanwalt Sa. , der von dem Kläger ebenfalls bevollmächtigt worden sei. Zugleich beantragte der Kläger vorsorglich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist, weil es ständige Praxis seiner Prozessbevollmächtigten gewesen sei, dass auch andere postulationsfähige Anwälte der Rechtsanwaltspartnerschaft bestimmende Schriftsätze mit einem "falschen" Namenszusatz unterzeichnet hätten, ohne dass dies bislang beanstandet worden sei.
Mit Beschluss vom 18.8.2016 wies das OLG den Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zurück und verwarf dessen Berufung als unzulässig. Die formwirksame Einlegung des Rechtsmittels scheitere daran, dass der Unterschrift von Rechtsanwalt Sa. der maschinenschriftliche Zusatz "RA Dr. S. " beigefügt gewesen sei, ohne deutlich zu machen, dass Rechtsanwalt Sa. in Vertretung für Rechtsanwalt Dr. S. unterschrieben habe. Aufgrund dessen sei der unbe-dingte Wille von Rechtsanwalt Sa. , die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen, nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht worden. Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers hob der BGH den Beschluss des OLG auf und verwies die Sache zur neuen Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Es ist vorliegend eine formgerechte Berufungsschrift eingereicht worden.
Der entsprechende Schriftsatz ist mit einem individuellen, nicht nur als Handzeichen oder Paraphe anzusehenden, sondern den Anforderungen an eine Unterschrift genügenden handschriftlichen Schriftzug unterzeichnet. Dieser Schriftzug rührt von Rechtsanwalt Sa. her, bei dem es sich um einen bei dem OLG postulationsfähigen Rechtsanwalt handelt. Zwar ist dies erst nach Ablauf der Berufungseinlegungsfrist erläutert worden, so dass für das OLG bis dahin nicht erkennbar war, welcher Rechtsanwalt unterschrieben hat. Darauf kommt es jedoch nicht an. Denn für die Prüfung der Frage, ob die Identität und die Postulationsfähigkeit des Unterzeichners eines derartigen Schriftsatzes feststeht, bzw. erkennbar ist, ist nicht auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungsfrist, sondern auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Zulässigkeit der Berufung abzustellen.
Entgegen der Auffassung des OLG scheitert die formwirksame Einlegung der Berufung nicht daran, dass der Unterschrift von Rechtsanwalt Sa. der maschinenschriftliche Zusatz "RA Dr. S. , Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht" beigefügt worden ist. Dieser Zusatz macht zunächst lediglich deutlich, dass die Berufungsschrift von diesem Rechtsanwalt erstellt worden ist. Auch wenn ein ausdrücklicher Zusatz, "für" diesen tätig zu werden, fehlt, lässt sich hier der Unterzeichnung durch einen anderen Rechtsanwalt gleichwohl entnehmen, dass er an dessen Stelle die Unterschrift leisten und damit als weiterer Hauptbevollmächtigter oder zumindest als Unterbevollmächtigter in Wahrnehmung des Mandats des Klägers auftreten wollte. Damit hat er zu erkennen gegeben, dass er zugleich die Verantwortung für den Inhalt der Berufungsschrift übernehmen wollte.
Für einen Rechtsanwalt versteht es sich im Zweifel von selbst, mit seiner Unterschrift auch eine entsprechende Verantwortung für einen bestimmenden Schriftsatz zu übernehmen und nicht lediglich als Erklärungsbote tätig zu werden. Soweit das OLG meint, dass vorliegend kein Rechtsanwalt die volle Verantwortung für den Schriftsatz übernommen habe, weil Rechtsanwalt Dr. S. den Schriftsatz nicht unterzeichnet und Rechtsanwalt Sa. sich nicht in eindeutiger Weise zu dem Schriftsatz bekannt habe, trifft dies daher nicht zu. Mit seiner Unterschrift hat Rechtsanwalt Sa. die Verantwortung für die Berufungsschrift wie im Übrigen auch für die Berufungsbegründung übernommen. Ist danach die Unterschrift unter die Berufungsschrift in diesem Sinne von Rechtsanwalt Sa. geleistet worden, durfte die Berufung nicht als unzulässig verworfen werden.
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