02.02.2016

Verbot der Partnerschaftsgesellschaft von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern ist verfassungswidrig

Das Sozietätsverbot aus § 59a Abs. 1 S. 1 BRAO verletzt das Grundrecht der Berufsfreiheit, soweit es Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten eine gemeinschaftliche Berufsausübung mit Ärztinnen und Ärzten oder mit Apothekerinnen und Apothekern im Rahmen einer Partnerschaftsgesellschaft untersagt. Für die Sicherstellung der anwaltlichen Verschwiegenheit ist ein solches Verbot in weiten Bereichen nicht erforderlich und im Übrigen unangemessen.

BVerfG 12.1.2016, 1 BvL 6/13
Der Sachverhalt:
Die Antragsteller des Ausgangsverfahrens sind ein Rechtsanwalt sowie eine Ärztin und Apothekerin. Sie hatten eine Partnerschaftsgesellschaft gegründet und diese zur Eintragung in das Partnerschaftsregister angemeldet. Zum Gegenstand nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 PartGG hieß es in der Anmeldung u.a., dass die Ärztin und Apothekerin nur gutachterlich und beratend tätig werde und in der Partnerschaft weder die Heilkunde am Menschen ausüben, noch eine Apotheke betreiben soll.

AG und OLG wiesen die Anmeldung zurück. Danach stehe der Eintragung die abschließende Regelung des § 59a Abs. 1 S. 1 BRAO entgegen, in der die Berufe des Arztes und des Apothekers nicht aufgeführt seien. Der BGH hat das Verfahren ausgesetzt und dem BVerfG mit der Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 59a Abs. 1 BRAO in der Fassung vom 12.12.2007 mit  Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 u. Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar ist. Diese Frage hat das BVerfG nach Beschränkung der Frage hinsichtlich der betroffenen Berufe auf die Zusammenarbeit von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern sowie hinsichtlich der Form der Zusammenarbeit auf die Partnerschaftsgesellschaft bejaht.

Die Gründe:
Das Sozietätsverbot aus § 59a Abs. 1 S. 1 BRAO verletzt das Grundrecht der Berufsfreiheit, soweit es Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten eine gemeinschaftliche Berufsausübung mit Ärztinnen und Ärzten oder mit Apothekerinnen und Apothekern im Rahmen einer Partnerschaftsgesellschaft untersagt.

Zwar verfolgt der Gesetzgeber mit dem Eingriff in die freie Berufsausübung durch Begrenzung der sozietätsfähigen Berufe einen legitimen Zweck. Denn die Vorschrift soll die Beachtung der wesentlichen anwaltlichen Grundpflichten aus § 43a BRAO sichern. Für die Sicherstellung der anwaltlichen Verschwiegenheit ist das Sozietätsverbot mit Ärzten und Apothekern aber in weiten Bereichen nicht erforderlich und im Übrigen unangemessen.

Die Verpflichtung der Rechtsanwälte zur Verschwiegenheit ist nach Maßgabe des § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbewehrt. Der Gesetzgeber ist grundsätzlich nicht gehindert, solche Berufe von der gemeinschaftlichen Ausübung auszuschließen, für die ein ausreichendes Maß an Verschwiegenheit nicht gesichert erscheint. Diesem Ansatz folgend hat er solche Defizite nur bei den in § 59a Abs. 1 BRAO genannten Berufen nicht zugrunde gelegt und sie daher als sozietätsfähig zugelassen. Der hiernach erfolgte Ausschluss von Ärzten und Apothekern aus dem Kreis der sozietätsfähigen Berufe ist jedoch regelmäßig schon nicht erforderlich, um das Geheimhaltungsinteresse der Mandanten zu sichern.

Eine Weitergabe mandatsrelevanter Informationen an die nichtanwaltlichen Partner wird bei Beauftragung einer interprofessionellen Sozietät regelmäßig erwartet und stellt daher keine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht dar. Auch zum Schutz der anwaltlichen Verschwiegenheit gegenüber außenstehenden Dritten ist ein solches Sozietätsverbot zumindest in weiten Bereichen nicht erforderlich. Denn Ärzte sowie Apotheker sind gleich den Rechtsanwälten zur beruflichen Verschwiegenheit verpflichtet.

Soweit die Kenntnisse nicht bei der Berufsausübung als Arzt oder Apotheker anvertraut oder sonst bekannt geworden sind, besteht für den nichtanwaltlichen Partner zwar keine Verschwiegenheitspflicht. Gleichwohl ist das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne nicht mehr gewahrt, wenn das Sozietätsverbot allein darauf gestützt wird. Denn für eine qualifizierte Beratung, aber auch für den wirtschaftlichen Erfolg einer Anwaltskanzlei kann es entscheidend sein, anwaltliche Hilfe in spezialisierten Bereichen anzubieten und sich dauerhaft mit Angehörigen hierfür geeigneter Berufe zusammenzuschließen. Die hiermit verbundene zusätzliche Gefährdung der Verschwiegenheit ist gering und kann den erheblichen Eingriff in die Berufsfreiheit im Ergebnis nicht rechtfertigen.

Zur Sicherung der anwaltlichen Zeugnisverweigerungsrechte ist ein Verbot einer Partnerschaft von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern ebenfalls weitgehend nicht erforderlich, zumindest aber unangemessen. Auch die Sicherung der strafprozessualen Beschlagnahmeverbote, die ebenfalls dem Schutz der Vertrauensbeziehung zwischen Mandant und Rechtsanwalt dienen, macht ein Verbot der Partnerschaft mit Ärzten und Apothekern nicht erforderlich. Eine stärkere Gefährdung der Unabhängigkeit folgt auch nicht aus der hier in Frage stehenden Organisationsform. Die Berufsausübung in einer Partnerschaftsgesellschaft befreit den jeweiligen Berufsträger nicht von seinen berufsrechtlichen Pflichten.

Linkhinweis:

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BVerfG PM Nr. 6 vom 2.2.2016
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