04.05.2017

Verbot jeglicher Werbung für Leistungen der Mund- und Zahnversorgung verstößt gegen EU-Recht

Ein allgemeines und ausnahmsloses Verbot jeglicher Werbung für Leistungen der Mund- und Zahnversorgung ist mit dem Unionsrecht unvereinbar. Die Ziele des Schutzes der öffentlichen Gesundheit und der Würde des Zahnarztberufs können es allerdings rechtfertigen, die Formen und Modalitäten der von Zahnärzten verwendeten Kommunikationsinstrumente einzugrenzen.

EuGH 4.5.2017, C-339/15
Der Sachverhalt:
Ein in Belgien niedergelassener Zahnarzt warb für Leistungen der Zahnversorgung. Zwischen 2003 und 2014 hatte er eine Stele mit drei bedruckten Seiten aufgestellt, auf denen sein Name, seine Eigenschaft als Zahnarzt, die Adresse seiner Website und die Telefonnummer seiner Praxis angegeben waren. Ferner hatte er eine Website erstellt, auf der die Patienten über die verschiedenen Arten der in seiner Praxis angebotenen Behandlungen informiert wurden. Außerdem schaltete er Werbeanzeigen in lokalen Tageszeitungen.

Aufgrund einer Beschwerde eines zahnärztlichen Berufsverbands wurden strafrechtliche Ermittlungen gegen den Zahnarzt eingeleitet. Das belgische Recht verbietet nämlich ausnahmslos jede Werbung für Leistungen der Mund- und Zahnversorgung und schreibt vor, dass ein an die Öffentlichkeit gerichtetes Zahnarztpraxisschild schlicht sein muss. Der Zahnarzt führt vorliegend zu seiner Entlastung an, dass die fraglichen belgischen Regelungen gegen das Unionsrecht, insbesondere gegen die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr und die im AEU-Vertrag vorgesehene Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV; Richtlinie 2000/31/EG), verstießen.

Das belgische Gericht erster Instanz für Strafsachen, bei dem das Verfahren anhängig ist, setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH verschiedene Fragen zur Vorabentscheidung vor.

Die Gründe:
Die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr steht Rechtsvorschriften entgegen, die - wie hier die belgischen Rechtsvorschriften - jede Form kommerzieller Kommunikation auf elektronischem Weg zur Werbung für Leistungen der Mund- und Zahnversorgung, auch mittels einer von einem Zahnarzt erstellten Website, verbietet. Inhalt und Form der kommerziellen Kommunikationen können zwar durch berufsrechtliche Regelungen wirksam eingegrenzt werden. Derartige Regelungen dürfen allerdings kein allgemeines und ausnahmsloses Verbot jeder Form von Online-Werbung zur Förderung der Tätigkeit eines Zahnarztes enthalten.

Ferner steht die Dienstleistungsfreiheit nationalen Rechtsvorschriften entgegen, die allgemein und ausnahmslos jegliche Werbung für Leistungen der Mund- und Zahnversorgung verbieten. Insoweit ist ein Werbeverbot für eine bestimmte Tätigkeit geeignet, für die diese Tätigkeit ausübenden Personen die Möglichkeit einzuschränken, sich bei ihren potenziellen Kunden bekannt zu machen und die Dienstleistungen, die sie ihnen anbieten möchten, zu fördern. Ein solches Verbot stellt damit eine Beschränkung der Dienstleistungsfähigkeit dar.

Die Ziele der in Rede stehenden Rechtsvorschriften, d.h. der Schutz der öffentlichen Gesundheit und die Würde des Zahnarztberufs, stellen zwingende Gründe des Allgemeininteresses dar, die eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen können. Ein intensives Betreiben von Werbung oder die Wahl von Werbeaussagen, die aggressiv oder sogar geeignet sind, die Patienten hinsichtlich der angebotenen Versorgung irrezuführen, kann nämlich dem Schutz der Gesundheit schaden und der Würde des Zahnarztberufs abträglich sein, indem das Image des Zahnarztberufs beschädigt, das Verhältnis zwischen den Zahnärzten und ihren Patienten verändert und die Durchführung unangemessener oder unnötiger Behandlungen gefördert wird.

Allerdings geht ein allgemeines und absolutes Verbot jeglicher Werbung über das hinaus, was zur Erreichung der verfolgten Ziele erforderlich ist. Diese könnten mit weniger einschneidenden Maßnahmen erreicht werden, die - ggf. stark - eingrenzen, welche Formen und Modalitäten die von Zahnärzten verwendeten Kommunikationsinstrumente annehmen dürfen.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 45 vom 4.5.2017
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