06.01.2020

Verbraucherdarlehensvertrag: Zur Verwirkung des Rechts auf Widerruf

Der BGH hat sich mit der Frage der Verwirkung des Rechts auf Widerruf einer auf Abschluss eines beendeten Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers befasst.

BGH v. 22.10.2019 - XI ZR 203/18
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf den Abschluss zweier Verbraucherdarlehensverträge gerichteten Willenserklärungen der Beklagten. Die Parteien schlossen im Februar 2008 zwei Darlehensverträge, zum einen über 130.000 € (Endnummer -045) mit einem bis zum 31.1.2018 festen Nominalzinssatz von 4,78 % p.a. und zum anderen über 40.000 € (Endnummer -359) mit einem bis zum 30.3.2018 festen Nominalzinssatz von 4,80 % p.a. Ob die Verträge unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen wurden, hat das OLG offengelassen. Zur Sicherung der Ansprüche der Klägerin diente eine Buchgrundschuld über 170.000 €. Bei Abschluss der Darlehensverträge belehrte die Klägerin die Beklagten über ihr Widerrufsrecht.

Die Beklagten erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen. Im Mai 2015 einigten sich die Parteien auf eine vorzeitige Beendigung der Darlehensverträge. Die Beklagten leisteten Aufhebungsentgelte. Die Klägerin gab die Sicherheit frei. Unter dem 29.2.2016 widerriefen die Beklagten ihre auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass sich die näher bezeichneten Darlehensverträge durch den Widerruf vom 29.2.2016 nicht in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt hätten.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Die Überlegungen, die das OLG zu dem Resultat geführt haben, das Widerrufsrecht sei bei Ausübung nicht verwirkt gewesen, weisen Rechtsfehler auf.

Das gilt zunächst für das vom OLG gegen eine Verwirkung angeführte Argument, aus dem Wunsch nach vorzeitiger Beendigung des Darlehensvertrags gegen ein Aufhebungsentgelt könne i.S.d. Umstandsmoments nichts abgeleitet werden, weil der Darlehensnehmer hätte er um sein Widerrufsrecht gewusst nicht abgelöst, sondern widerrufen hätte. Das OLG hat damit der Sache nach unterstellt, der tatrichterlichen Würdigung, der Darlehensnehmer habe das Widerrufsrecht entgegen § 242 BGB ausgeübt, stehe es entgegen, dass der Darlehensgeber im Zuge der Verhandlungen über die vorzeitige Beendigung des Darlehensvertrags keine Nachbelehrung erteilt habe. Die Nachbelehrung hat indessen nicht den Zweck, den Darlehensnehmer in Fällen der vorzeitigen Beendigung des Darlehensvertrags vor der Entrichtung eines Aufhebungsentgelts zu bewahren.

Der Darlehensgeber hat die Möglichkeit, nicht eine Verpflichtung zur Nachbelehrung. Die Verpflichtung, den Darlehensnehmer deutlich über sein aus § 495 Abs. 1 BGB folgendes Widerrufsrecht nach Maßgabe des bis zum 10.6.2010 geltenden Rechts zu belehren, ist keine Dauerverpflichtung, die ab dem Vertragsschluss als Verpflichtung zur Nachbelehrung gleichsam ständig neu entstünde. Mit der Präzisierung der Modalitäten einer Nachbelehrung im Zuge der Einführung des § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB in der Fassung des OLG-Vertretungsänderungsgesetzes vom 23.7.2002 wollte der Gesetzgeber vielmehr befürchtete Härten für die Unternehmer aus der zeitgleichen Einführung des § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB kompensieren.

Das Berufungsurteil steht weiter in Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung, soweit das OLG ausgeführt hat, "nach der Abwicklung des Vertragsverhältnisses" müsse, damit das Umstandsmoment erfüllt sei, "eine längere Zeitspanne verstrichen" sein, wobei eine Zeitspanne von neun Monaten nicht genüge. Der Zeitraum zwischen der Beendigung des Verbraucherdarlehensvertrags und dem Widerruf kann zwar gerade im Hinblick auf die Rechtsfolgen des Widerrufs bei der Prüfung des Umstandsmoments Berücksichtigung finden. Insofern gelten aber zugunsten des Darlehensnehmers keine Mindestzeitspannen.

Das OLG hat überdies verkannt, dass die Freigabe von Sicherheiten oder der weitere Einsatz der vom Darlehensnehmer erlangten Mittel in Konstellationen wie der vorliegenden durchaus geeignet sein können, auch für sich ein schutzwürdiges Vertrauen des Darlehensgebers zu begründen. Sie gewinnen anders als vom OLG angenommen nicht erst dann Relevanz, wenn eine Mindestzeitspanne zwischen der Beendigung des Darlehensvertrags und dem Widerruf verstrichen ist oder der Darlehensgeber davon ausgehen kann, der Darlehensnehmer habe in die vorzeitige Beendigung in Kenntnis der Möglichkeit eines Widerrufs seiner auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung eingewilligt.
BGH online
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