Verbrauchern steht beim Online-Erwerb einer BahnCard ein Widerrufsrecht zu
EuGH v. 12.3.2020 - C-583/18
Der Sachverhalt:
Die zum Deutsche-Bahn-Konzern gehörende beklagte DB Vertrieb GmbH vertreibt auf ihrer Website die BahnCard 25 und die BahnCard 50, die es ihren Inhabern ermöglichen, Rabatte von 25 oder 50 % auf die Zugfahrscheine von DB Fernverkehr in Anspruch zu nehmen. Über ein etwaiges Widerrufsrecht werden die Verbraucher auf der Website nicht informiert. Nach Ansicht der klagenden Verbraucherzentrale Berlin müssen die Verbraucher darüber informiert werden, dass sie ein Widerrufsrecht haben. Außerdem müsse ihnen ein Muster-Widerrufsformular zur Verfügung gestellt werden.
Das mit der Sache befasste OLG hat das Verfahren ausgesetzt und den EuGH in diesem Zusammenhang um Auslegung der EU-Richtlinie 2011/83 über die Rechte der Verbraucher ersucht. Nach dieser Richtlinie kann der Verbraucher einen im Fernabsatz geschlossenen Vertrag grundsätzlich innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen widerrufen. Zudem ist er vor Vertragsabschluss über dieses Recht zu informieren. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Richtlinie bzw. das darin vorgesehene Widerrufsrecht auf den Vertrag über den Erwerb der BahnCard überhaupt anwendbar ist. Der EuGH soll klären, ob dieser Vertrag einen Dienstleistungsvertrag i.S.d. Richtlinie (Art. 2 Nr. 6) darstellt und somit zumindest grundsätzlich in deren Geltungsbereich fällt.
Zudem soll der EuGH klären, ob der Vertrag über den Erwerb der BahnCard (nach Art. 3 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie) vom Geltungsbereich der Richtlinie teilweise ausgenommen ist (insbesondere von den Bestimmungen über das Widerrufsrecht), weil es sich womöglich um einen Vertrag über die Beförderung von Personen handelt. Das hat der EuGH in seinem Urteil verneint, so dass der in Rede stehende Vertrag in den Geltungsbereich der Richtlinie einschließlich ihrer Bestimmungen über das Widerrufsrecht fällt.
Die Gründe:
Art. 2 Nr. 6 der Richtlinie 2011/83 ist dahin auszulegen, dass der Begriff "Dienstleistungsvertrag" Verträge erfasst, die den Verbraucher zur Inanspruchnahme eines Rabatts beim späteren Abschluss von Personenbeförderungsverträgen berechtigen. In der Norm wird der Begriff "Dienstleistungsvertrag" weit definiert als "jede[r] Vertrag, der kein Kaufvertrag ist und nach dem der Unternehmer eine Dienstleistung für den Verbraucher erbringt oder deren Erbringung zusagt und der Verbraucher hierfür den Preis zahlt oder dessen Zahlung zusagt". Der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Vertrag, der den Verbraucher zur Inanspruchnahme eines Rabatts beim späteren Erwerb eines Fahrscheins berechtigt, betrifft nicht die Übertragung des Eigentums an Waren. Da er somit kein Kaufvertrag ist, fällt er unter den Begriff "Dienstleistungsvertrag" i.S.v. Art. 2 Nr. 6 der Richtlinie.
Art. 3 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2011/83 ist zudem dahin auszulegen, dass ein Vertrag, der den Verbraucher zur Inanspruchnahme eines Rabatts beim späteren Abschluss von Personenbeförderungsverträgen berechtigt, nicht unter den Begriff "Vertrag über die Beförderung von Personen" fällt und infolgedessen in den Geltungsbereich der Richtlinie einschließlich ihrer Bestimmungen über das Widerrufsrecht fällt. Ein Vertrag, der den Verbraucher zur Inanspruchnahme eines Rabatts beim späteren Abschluss von Personenbeförderungsverträgen berechtigt, und ein Vertrag über den Erwerb eines Fahrscheins für die Personenbeförderung stellen zwei rechtlich voneinander getrennte Verträge dar, so dass Ersterer nicht als ein mit Letzterem untrennbar verbundener Vertrag angesehen werden kann. Der Erwerb einer Karte, die es ihrem Inhaber ermöglicht, beim Erwerb von Fahrscheinen Rabatte in Anspruch zu nehmen, impliziert nämlich nicht zwangsläufig den späteren Abschluss eines Vertrags, der die Personenbeförderung als solche zum Gegenstand hat.
Mit der Existenz eines Widerrufsrechts nach Art. 9 der Richtlinie 2011/83 im Anschluss an den Erwerb einer Karte, die es ermöglicht, beim späteren Erwerb von Fahrscheinen für die Personenbeförderung einen Rabatt in Anspruch zu nehmen, sind für das Unternehmen, das die Personenbeförderung durchführt, keine unverhältnismäßigen Nachteile verbunden, die mit denen vergleichbar wären, die etwa bei der Ausübung des Widerrufsrechts im Rahmen eines Mietvertrags über ein Kraftfahrzeug auftreten. Wurde kein Fahrschein zu einem ermäßigten Entgelt erworben, erhält der Verbraucher nämlich im Fall des Widerrufs den als Preis für die Karte entrichteten Betrag zurück und verliert den Anspruch auf einen Rabatt beim späteren Kauf von Fahrscheinen für die Personenbeförderung. Wurde hingegen während der Widerrufsfrist ein solcher Fahrschein erworben, wäre es nach den im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof abgegebenen Erklärungen möglich, den Verbraucher zur Zahlung der Differenz zwischen dem ermäßigten Fahrscheinpreis infolge der Benutzung der Rabattkarte und dem normalen Fahrscheinpreis heranzuziehen.
EuGH online
Die zum Deutsche-Bahn-Konzern gehörende beklagte DB Vertrieb GmbH vertreibt auf ihrer Website die BahnCard 25 und die BahnCard 50, die es ihren Inhabern ermöglichen, Rabatte von 25 oder 50 % auf die Zugfahrscheine von DB Fernverkehr in Anspruch zu nehmen. Über ein etwaiges Widerrufsrecht werden die Verbraucher auf der Website nicht informiert. Nach Ansicht der klagenden Verbraucherzentrale Berlin müssen die Verbraucher darüber informiert werden, dass sie ein Widerrufsrecht haben. Außerdem müsse ihnen ein Muster-Widerrufsformular zur Verfügung gestellt werden.
Das mit der Sache befasste OLG hat das Verfahren ausgesetzt und den EuGH in diesem Zusammenhang um Auslegung der EU-Richtlinie 2011/83 über die Rechte der Verbraucher ersucht. Nach dieser Richtlinie kann der Verbraucher einen im Fernabsatz geschlossenen Vertrag grundsätzlich innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen widerrufen. Zudem ist er vor Vertragsabschluss über dieses Recht zu informieren. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Richtlinie bzw. das darin vorgesehene Widerrufsrecht auf den Vertrag über den Erwerb der BahnCard überhaupt anwendbar ist. Der EuGH soll klären, ob dieser Vertrag einen Dienstleistungsvertrag i.S.d. Richtlinie (Art. 2 Nr. 6) darstellt und somit zumindest grundsätzlich in deren Geltungsbereich fällt.
Zudem soll der EuGH klären, ob der Vertrag über den Erwerb der BahnCard (nach Art. 3 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie) vom Geltungsbereich der Richtlinie teilweise ausgenommen ist (insbesondere von den Bestimmungen über das Widerrufsrecht), weil es sich womöglich um einen Vertrag über die Beförderung von Personen handelt. Das hat der EuGH in seinem Urteil verneint, so dass der in Rede stehende Vertrag in den Geltungsbereich der Richtlinie einschließlich ihrer Bestimmungen über das Widerrufsrecht fällt.
Die Gründe:
Art. 2 Nr. 6 der Richtlinie 2011/83 ist dahin auszulegen, dass der Begriff "Dienstleistungsvertrag" Verträge erfasst, die den Verbraucher zur Inanspruchnahme eines Rabatts beim späteren Abschluss von Personenbeförderungsverträgen berechtigen. In der Norm wird der Begriff "Dienstleistungsvertrag" weit definiert als "jede[r] Vertrag, der kein Kaufvertrag ist und nach dem der Unternehmer eine Dienstleistung für den Verbraucher erbringt oder deren Erbringung zusagt und der Verbraucher hierfür den Preis zahlt oder dessen Zahlung zusagt". Der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Vertrag, der den Verbraucher zur Inanspruchnahme eines Rabatts beim späteren Erwerb eines Fahrscheins berechtigt, betrifft nicht die Übertragung des Eigentums an Waren. Da er somit kein Kaufvertrag ist, fällt er unter den Begriff "Dienstleistungsvertrag" i.S.v. Art. 2 Nr. 6 der Richtlinie.
Art. 3 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2011/83 ist zudem dahin auszulegen, dass ein Vertrag, der den Verbraucher zur Inanspruchnahme eines Rabatts beim späteren Abschluss von Personenbeförderungsverträgen berechtigt, nicht unter den Begriff "Vertrag über die Beförderung von Personen" fällt und infolgedessen in den Geltungsbereich der Richtlinie einschließlich ihrer Bestimmungen über das Widerrufsrecht fällt. Ein Vertrag, der den Verbraucher zur Inanspruchnahme eines Rabatts beim späteren Abschluss von Personenbeförderungsverträgen berechtigt, und ein Vertrag über den Erwerb eines Fahrscheins für die Personenbeförderung stellen zwei rechtlich voneinander getrennte Verträge dar, so dass Ersterer nicht als ein mit Letzterem untrennbar verbundener Vertrag angesehen werden kann. Der Erwerb einer Karte, die es ihrem Inhaber ermöglicht, beim Erwerb von Fahrscheinen Rabatte in Anspruch zu nehmen, impliziert nämlich nicht zwangsläufig den späteren Abschluss eines Vertrags, der die Personenbeförderung als solche zum Gegenstand hat.
Mit der Existenz eines Widerrufsrechts nach Art. 9 der Richtlinie 2011/83 im Anschluss an den Erwerb einer Karte, die es ermöglicht, beim späteren Erwerb von Fahrscheinen für die Personenbeförderung einen Rabatt in Anspruch zu nehmen, sind für das Unternehmen, das die Personenbeförderung durchführt, keine unverhältnismäßigen Nachteile verbunden, die mit denen vergleichbar wären, die etwa bei der Ausübung des Widerrufsrechts im Rahmen eines Mietvertrags über ein Kraftfahrzeug auftreten. Wurde kein Fahrschein zu einem ermäßigten Entgelt erworben, erhält der Verbraucher nämlich im Fall des Widerrufs den als Preis für die Karte entrichteten Betrag zurück und verliert den Anspruch auf einen Rabatt beim späteren Kauf von Fahrscheinen für die Personenbeförderung. Wurde hingegen während der Widerrufsfrist ein solcher Fahrschein erworben, wäre es nach den im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof abgegebenen Erklärungen möglich, den Verbraucher zur Zahlung der Differenz zwischen dem ermäßigten Fahrscheinpreis infolge der Benutzung der Rabattkarte und dem normalen Fahrscheinpreis heranzuziehen.