Verfassungsbeschwerden gegen zivilgerichtliche Entscheidungen zu regulierten Stromnetzentgelten erfolglos
BVerfG 26.9.2017, 1 BvR 1486/16Mit dem im Jahr 2005 in Kraft getretenen Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (EnWG) wurde der Wechsel zum System eines staatlich regulierten Netzzugangs vollzogen. Entgelte für den Netzzugang bedurften seither einer vorherigen Genehmigung durch die zuständige Regulierungsbehörde (§ 23a Abs. 1 EnWG). Die genehmigten Entgelte waren Höchstpreise, die nur unter besonderen Voraussetzungen überschritten werden durften. Diese rein kostenbasierte Regulierung der Stromnetzentgelte ist mit der im Jahr 2009 eingeführten Anreizregulierung weitgehend entfallen.
Die Beschwerdeführerin ist eine Anbieterin für Ökostrom und Ökogas in Deutschland, die zur Belieferung ihrer Kunden mit Strom die Verteilnetze von verschiedenen Stromnetzbetreibern nutzt. Sie hält die in den Jahren 2007 und 2008 von den beiden Netzbetreiberinnen verlangten Netzentgelte für unbillig überhöht, weshalb sie in den Ausgangsverfahren - im Ergebnis erfolglos - auf Rückzahlung des zu viel bezahlten Netzentgelts klagte. Mit ihren Verfassungsbeschwerden rügt die Beschwerdeführerin vornehmlich eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 3 Abs. 1 GG), der prozessualen Waffengleichheit (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) und des Justizgewährungsanspruchs (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) durch die fachgerichtlichen Entscheidungen.
Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen.
Die Gründe:
Nach Inkrafttreten der Anreizregulierungsverordnung kommt den Verfassungsbeschwerden schon keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu. Für außer Kraft getretenes oder geändertes Recht besteht im Regelfall kein über den Einzelfall hinausgehendes Interesse, seine Verfassungsmäßigkeit zu klären, selbst wenn die strittigen verfassungsrechtlichen Fragen noch nicht durch das Bundesverfassungsgericht entschieden worden sind. Die Annahme der Verfassungsbeschwerden ist aber auch nicht zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt, weil die Verfassungsbeschwerden keine hinreichende Aussicht auf Erfolg haben.
Die Beschwerdeführerin setzt sich nicht zureichend mit den angegriffenen Entscheidungen auseinander. Die konkrete und substantiierte Auseinandersetzung mit allen wesentlichen Erwägungen kann nicht durch pauschale Verweise auf die den Verfassungsbeschwerden beigefügten Schriftsätze aus den Ausgangsverfahren ersetzt werden. In der Sache lässt der Vortrag der Beschwerdeführerin eine mögliche Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten nicht hinreichend substantiiert erkennen. Die Beschwerdeführerin hat insbesondere nicht aufgezeigt, dass die konkret von ihr verlangten Darlegungen zur Erschütterung der Indizwirkung der Entgeltgenehmigungen und die an die Substantiierung gestellten Anforderungen auf sachfremden Erwägungen beruhen und eine unter keinen Umständen mehr zu vertretende Auslegung des § 315 Abs. 3 BGB darstellen könnten.
Darüber hinaus zeigt die Beschwerdeführerin das behauptete Informationsungleichgewicht nicht hinreichend substantiiert auf. Sie legt insbesondere nicht dar, welche konkreten Informationen ihr aus den Genehmigungsbescheiden oder anderen Zusammenhängen bekannt waren, welche Angaben in den Genehmigungsbescheiden geschwärzt waren und inwieweit deren Kenntnis für ihren Tatsachenvortrag notwendig gewesen wären, um die Indizwirkung zu erschüttern. Auch hat sich die Beschwerdeführerin mit entgegenstehenden Rechten wie dem Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der beklagten Netzbetreiberinnen nicht in der gebotenen Tiefe auseinandergesetzt.
Soweit die Beschwerdeführerin rügt, der BGH habe den Justizgewährungsanspruch dadurch verletzt, dass er konkreten Sachvortrag in ihren Revisionsbegründungen bzw. ihren Nichtzulassungsbeschwerden nicht berücksichtigt habe, verkennt sie, dass der BGH als letztinstanzliches Gericht verfassungsrechtlich nicht verpflichtet ist, jedes Vorbringen ausdrücklich zu bescheiden. Soweit die Beschwerdeführerin in der angenommenen Indizwirkung der Entgeltgenehmigung eine Erschwerung ihres Zugangs zu den Gerichten sieht, gelingt es ihr nicht, eine mögliche Verletzung von grundrechtsgleichen Rechten schlüssig aufzuzeigen.
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