03.09.2015

Verfassungskonforme Auslegung des Geldwäschetatbestandes bei Honorarannahme durch Strafverteidiger

Anknüpfend an ein Urteil des Zweiten Senats vom 30.3.2004 (BVerfGE 110, 226) hat das BVerfG klargestellt, dass auch der Vereitelungs- und Gefährdungstatbestand des § 261 Abs. 1 S. 1 StGB im Fall der Honorarannahme durch Strafverteidiger verfassungskonform auszulegen ist. Dabei bleibt es der Bestimmung durch die Fachgerichte vorbehalten, wie die verfassungskonforme Auslegung im Einzelnen zu verwirklichen ist.

BVerfG 28.7.2015, 2 BvR 2558/14 u.a.
Der Sachverhalt:
Bei den Beschwerdeführern handelt es sich um zwei Rechtsanwälte sowie ihre Mandantin, Frau K. Deren Ehemann wurde wegen gewerbsmäßigen Betrugs, Urkundenfälschung und Steuerhinterziehung im Rahmen eines Schneeballsystems zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Jahren und 8 Monaten verurteilt. Gelder aus diesen Straftaten flossen auch auf ein Konto bei einer Privatbank in der Schweiz, über das Frau K verfügungsbefugt war.

Im Dezember 2009 veranlasste Frau K - in Absprache mit den beiden Rechtsanwälten - eine Überweisung von 50.000 € auf das Kanzleikonto, um einen Honorarvorschuss für Strafverteidigung und zivilrechtliche Beratung zu leisten (Fall 1). Im August 2010 wandten sich die beiden Rechtsanwälte mit der Bitte um Auszahlung von 51.170 € für eine weitere Honorarrechnung an die Bank; jedoch war das Konto zuvor durch die schweizerische Staatsanwaltschaft in Folge eines Rechtshilfeersuchens aus Deutschland gesperrt worden (Fall 2).

AG und LG verurteilten die beiden Rechtsanwälte wegen vollendeter (Fall 1) und versuchter (Fall 2) Geldwäsche jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten zur Bewährung und Zahlung einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 120 €. Frau K wurde wegen Geldwäsche zur Zahlung einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 20 € (nur Fall 1) verurteilt. Der Verurteilung lag die Überzeugung zugrunde, die Rechtsanwälte und Frau K hätten in Bezug auf die Herkunft des Geldes aus Straftaten des Herrn K jeweils zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt. Das OLG hob das landgerichtliche Urteil gegen die Rechtsanwälte zwar im Rechtsfolgenausspruch auf, verwarf jedoch ihre Revision im Übrigen sowie die Revision von Frau K vollumfänglich.

Das BVerfG nahm die hiergegen gerichteten Verfassungsbeschwerden der Antragsteller nicht zur Entscheidung an.

Die Gründe:
Eine Verletzung der Berufsfreiheit ist nicht hinreichend substantiiert dargelegt worden; auch die weiteren Grundrechtsrügen hatten keinen Erfolg.

Zur Strafvorschrift der Geldwäsche in der Variante des Verschaffungstatbestandes nach § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB hat das BVerfG bereits entschieden (30.3.2004 - BVerfGE 110, 226), dass die Strafandrohung zur Erreichung des ihr gesetzten Zwecks im Grundsatz geeignet und erforderlich ist, deren uneingeschränkte Anwendung für den Adressatenkreis der Strafverteidiger jedoch gegen das Übermaßverbot verstoßen würde. Der mit der Strafvorschrift verbundene Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Strafverteidiger und in die Institution der Wahlverteidigung sind verfassungsrechtlich nur gerechtfertigt, wenn der Strafverteidiger im Zeitpunkt der Entgegennahme des Honorars (oder des Vorschusses) sicher weiß, dass dieses aus einer Katalogtat herrührt, weil er dann aus seiner Rolle als Organ der Rechtspflege heraustritt. § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB kann einschränkend ausgelegt werden und steht in dieser Auslegung mit der Verfassung in Einklang.

Es ist jedoch nicht nur eine einschränkende Auslegung des § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB, sondern auch des vorliegend angewandten Vereitelungs- und Gefährdungstatbestandes aus § 261 Abs. 1 S. 1 StGB geboten, die den Besonderheiten bei der Honorierung von Strafverteidigern Rechnung trägt. Für den (im Streitfall nicht einschlägigen) Verschleierungstatbestand des § 261 Abs. 1 S. 1 StGB geht die überwiegende Auffassung davon aus, dass angesichts der im Gesetzeswortlaut verwendeten "finalen Tätigkeitsworte" eine "manipulative Tendenz" des Täters erforderlich sei. Bei einem solchen Tatbestandsverständnis besteht von Verfassungs wegen kein Bedürfnis, zum Schutze des redlichen Strafverteidigers weitere Einschränkungen vorzusehen. Beim Vereitelungs- und Gefährdungstatbestand des § 261 Abs. 1 S. 1 StGB hingegen werden die objektive Gefährdung oder Vereitelung einerseits und die Tatbegehung mit bedingtem Vorsatz andererseits überwiegend für ausreichend erachtet, ohne dass ein heimliches Verhalten, eine "Finalität" oder eine "manipulative Tendenz" als notwendig angesehen werden. Dieses Verständnis liegt auch den angegriffenen Entscheidungen zugrunde.

Allerdings ließe ein solches Verständnis des § 261 Abs. 1 S. 1 StGB, das im Falle der Honorierung eines Strafverteidigers keinerlei Restriktionen im subjektiven Tatbestand vorsieht, eine Gefährdung der tragenden Erwägungen der in BVerfGE 110, 226 veröffentlichten Senatsentscheidung besorgen, die verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar ist. Dass der Geldfluss an den Strafverteidiger objektiv-tatbestandlich als Angriff auf eine Sicherstellung gewertet wird, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Da jedoch der Verfall von Vermögen aus einer rechtswidrigen Tat grundsätzlich zwingend und die vorbereitende Sicherstellung die Regel ist, wäre in Fällen, in denen eine Strafbarkeit nach § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB aus den Gründen dieser Entscheidung ausscheidet, eine Strafbarkeit zumindest wegen Gefährdung des Verfalls oder der Sicherstellung von bemakeltem Vermögen gem. § 261 Abs. 1 S. 1 StGB eröffnet.

Die vom Senat für erforderlich erachteten Restriktionen in Bezug auf die Kenntnis des Strafverteidigers von der deliktischen Mittelherkunft liefen - ohne dass dies sachlich gerechtfertigt wäre - weitgehend leer, wenn im Hinblick auf diese Tatbestandsvariante einschränkungslos bedingter Vorsatz bzgl. der Herkunft des Vermögens oder gar Leichtfertigkeit genügten. Soweit demnach eine verfassungskonforme Auslegung geboten ist, macht das BVerfG allerdings keine Vorgaben, welcher von mehreren Auffassungen, die zur Erzielung eines mit dem GG in Einklang stehenden Verständnisses denkbar sind, einfachrechtlich der Vorzug zu geben ist; dies obliegt den Fachgerichten.

Vorliegend bleiben die Rügen einer Verletzung des Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG jedoch deshalb ohne Erfolg, weil sie den verfassungsprozessualen Darlegungsanforderungen nicht gerecht werden. Weder legen die Verfassungsbeschwerden den Sachverhalt schlüssig dar noch erfolgt eine zureichende Auseinandersetzung mit den angegriffenen Entscheidungen. Soweit die Fachgerichte den Zugriff auf Auslandsvermögen als "Vereitelung der Sicherstellung" gewertet haben, ist ein Verstoß gegen das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG nicht festzustellen.

Linkhinweis:

  • Der Volltext ist auf der Homepage des BVerfG veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BVerfG PM Nr. 65 vom 3.9.2015
Zurück