28.05.2024

Verkaufsprospekt für Containerschiffsfonds

Wenn der Verkaufsprospekt für einen Containerschiffsfonds eine Prognose zur Entwicklung der Containerschiffsflotte enthält, kann ein Prospektfehler nicht mit dem Fehlen von "aussagekräftigen" Orderbuchzahlen für Containerschiffe begründet werden.

BGH v. 26.3.2024 - XI ZB 25/22
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten im Rahmen eines Verfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) über die Fehlerhaftigkeit des am 20.12.2007 aufgestellten Prospekts zu den unter dem Begriff "L. F. F. " zusammengefassten Beteiligungen an zwei Einschiffgesellschaften (Fondsgesellschaften) und eine daraus resultierende Haftung der Musterbeklagten.

Seit dem Jahr 2016 haben zahlreiche Anleger Klagen gegen die Musterbeklagten erhoben. Das LG hat dem OLG Feststellungsziele zum Zweck der Herbeiführung eines Musterentscheids vorgelegt. Das OLG hat durch Musterentscheid verschiedene Feststellungsziele zurückgewiesen und den Vorlagebeschluss des LG teilweise für gegenstandslos erklärt. Die Rechtsbeschwerden von 13 Beigeladenen hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das Feststellungsziel 1.d), wonach im Prospekt eine Darstellung aussagekräftiger Orderbuchzahlen fehle, so dass es nicht möglich sei, das konkrete künftige Wachstum an Tonnage und die daraus resultierende weiterwachsende Übertonnage zu erkennen, ist unbegründet.

Der Senat legt das Feststellungsziel dahin aus, dass der Prospekt keine hinreichenden Angaben über die zum Zeitpunkt der Prospekterstellung bestehenden Orderbuchzahlen von Containerschiffen enthalte und dass diese Zahlen erforderlich seien, um den Anleger über die künftige Entwicklung der Tonnage und Übertonnage zu informieren. Das Feststellungsziel 1.d) ist seinem eindeutigen Wortlaut nach darauf gerichtet, eine Fehlerhaftigkeit des Prospekts wegen des Fehlens aussagekräftiger Orderbuchzahlen festzustellen, weil sich ohne solche Zahlen weder das künftige Wachstum an Tonnage noch die daraus resultierende weiterwachsende Übertonnage erkennen lasse. Bei der künftigen Entwicklung der Tonnage und Übertonnage handelt es sich um eine Prognose. Danach wird mit dem Feststellungsziel 1.d) im Ergebnis beanstandet, dass im Prospekt in Ermangelung aussagekräftiger Orderbuchzahlen eine Anknüpfungstatsache fehle, die für die für die Anlageentscheidung bedeutsame Prognose über die Tonnage der Containerschiffe erforderlich sei.

Das Fehlen einer Anknüpfungstatsache für eine für die Anlageentscheidung bedeutsame Prognose begründet allerdings keinen Prospektfehler, wenn der Prospekt die Prognose selbst enthält. Das Oberlandesgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass der Prospekt eine Prognose zur Flottenentwicklung enthält und ein Prospektfehler damit nicht mit dem Fehlen von "aussagekräftigen" Orderbuchzahlen begründet werden kann. Zu den Umständen, über die der Prospekt ein zutreffendes und vollständiges Bild zu vermitteln hat, gehören die für die Anlageentscheidung wesentlichen Prognosen über die voraussichtliche künftige Entwicklung des Anlageobjekts. Der Flottenzuwachs stellt einen solchen Umstand dar, der für den Anleger bei seiner Anlageentscheidung von Bedeutung ist. Denn ein Zuwachs der Flotte geht mit einem höheren Angebot an Containerstellplätzen einher, was sich in Abhängigkeit von der Nachfrage negativ auf die Position der Fondsschiffe am Containerschiffsmarkt auswirken kann. Um die zukünftige Marktposition der Fondsschiffe einschätzen zu können, muss der Prospekt den Anleger daher sowohl über die prognostizierte Nachfrage nach als auch über das prognostizierte Angebot an Containerstellplätzen informieren.

Wie das OLG zutreffend ausgeführt hat, enthält der Prospekt im Kontext mit der Darstellung der Entwicklungen in der Containerschifffahrt Angaben zum zukünftig zu erwartenden Umschlagsvolumen, zur aktuellen Zusammensetzung der Gesamtflotte und zum erwarteten Flottenwachstum bis zum Jahr 2011. Der Anleger wird außerdem über das deutliche Wachstum der Containerflotte in den vergangenen Jahren und über den Trend zu größeren Schiffen informiert. Ob die insoweit im Prospekt enthaltenen prognostischen Angaben durch Tatsachen gestützt und ex ante betrachtet vertretbar sind, ist nicht Gegenstand des Feststellungsziels 1.d).

Danach kann der Einwand der Rechtsbeschwerden, das Flottenwachstum sei aufgrund der Angabe auf Seite 29 des Prospekts, wonach "[n]ach Einschätzung des ISL [...] vor dem Hintergrund der Altersstruktur der Schiffe kaum davon auszugehen [ist], dass dieser Flottenzuwachs den erforderlichen Ersatzbedarf abdecken wird," ohne aussagekräftige Orderbuchzahlen unrichtig, jedenfalls aber irreführend dargestellt, von vornherein keinen Erfolg haben. Denn damit beanstanden sie, wie sie selbst in der Rechtsbeschwerdebegründung ausführen, letztlich die Vertretbarkeit der Prognose zum Verschrottungspotential. Ein solcher angeblicher Fehler der Prognose ist vom Feststellungsziel 1.d) allerdings nicht umfasst. Aus dem gleichen Grund können auch die Ausführungen der Rechtsbeschwerden zur Unvertretbarkeit der prognostizierten (Anschluss-)Charterraten keinen Erfolg haben. Denn auch sie lassen einen Bezug zum formulierten Feststellungsziel 1.d) vermissen.

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