20.02.2019

Verknüpfung der Erbenstellung mit einer Besuchspflicht ist sittenwidrig

Setzt ein Erblasser erbrechtliche Vermögensvorteile als Druckmittel für zu Lebzeiten durchzuführende Besuche seiner Enkelkinder ein, ist eine an die Besuchspflicht geknüpfte bedingte Erbeinsetzung der Enkel sittenwidrig und damit nichtig. Die Enkel sind unter Berücksichtigung des hypothetischen Willens des Erblassers auch ohne Erfüllung der Besuchspflicht Miterben.

OLG Frankfurt a.M. v. 5.2.2019 - 20 W 98/18
Der Sachverhalt:

Die Beschwerdeführer sind die Enkel des Erblassers. Ihr Großvater hatte in einem handschriftlichen Testament seine Ehefrau sowie einen Sohn aus erster Ehe zu jeweils 25 % als Erben eingesetzt. Hinsichtlich der restlichen 50 % hatte er verfügt, dass dieses Geld die beiden Enkel-Kinder eines anderen Sohnes zu gleichen Teilen bekommen sollten, "aber nur dann, wenn sie mich regelmäßig d.h. mindestens sechsmal im Jahr besuchen. Sollte das nicht der Fall sein, d.h. mich keiner besuchen, werden die restlichen 50 % des Geldes zwischen meiner Frau und meinem Sohn aufgeteilt".

Diese Erbregelung war den Familienangehörigen zu Lebzeiten des Erblassers bekannt. Die damals minderjährigen Enkel erfüllten die jährliche Besuchszahl nicht. Die Ehefrau des Erblassers sowie der Sohn beantragten die Erteilung eines Erbscheins, der sie als hälftige Miterben ausweisen sollte.

Das Nachlassgericht gab diesem Antrag statt. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführer änderte das OLG die Entscheidung ab und wies diesen Antrag. Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

Die Gründe:

Die vom Erblasser aufgestellte aufschiebende Bedingung, die die Erbenstellung der Beschwerdeführer von der Erfüllung einer ihnen auferlegten Besuchspflicht bei dem Erblasser abhängig macht, ist sittenwidrig und damit nichtig.

Grundsätzlich ist zwar die im GG geschützte Testierfreiheit eines Erblassers zu gewährleisten. Es muss möglich sein, die Erbfolge nach seinen eigenen Vorstellungen zu gestalten. Die Sittenwidrigkeit einer Bedingung kann nur in besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen angenommen werden. Die Grenze zu einem solchen Ausnahmefall ist dann überschritten, wenn die von dem Erblasser erhobene Bedingung unter Berücksichtigung der höchstpersönlichen oder wirtschaftlichen Umstände die Entschließungsfreiheit der bedingten Zuwendungsempfänger unzumutbar unter Druck setzt und durch das Inaussichtstellen von Vermögensvorteilen Verhaltensweisen bewirkt werden sollen, die regelmäßig eine freie innere Überzeugung des Handelnden voraussetzen. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls, die erkennen lassen müssen, ob der Erblasser durch einen wirtschaftlichen Anreiz in einer gegen das "Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßenden Weise ein bestimmtes Verhalten zu erkaufen sucht.

Hier stellen sich die eingeforderten regelmäßigen Besuche der Enkelkinder als Voraussetzung für die Erlangung der Erbenstellung als sittenwidrig dar. Grundsätzlich ist zwar nichts gegen den Wunsch einzuwenden, seine Enkelkinder in regelmäßigen Abständen zu sehen. In der hier gewählten Form hat der Großvater jedoch faktisch seine Enkelkinder - unter Zwischenschaltung der Eltern - durch Inaussichtstellen der Erbenstellung im Falle regelmäßiger Besuche dem Druck ausgesetzt, zur Erlangung eines Vermögensvorteils zwingend die im Testament genannten Besuchsbedingungen zu erfüllen.

Dabei waren die hier zu erlangenden Vermögensvorteile im oberen fünfstelligen Bereich auch erheblich. Der Erblasser wollte über dieses Druckmittel gerade ein Verhalten seine Enkelkinder erreichen, das regelmäßig deren innere, freie Überzeugung voraussetzt. Eine derartige Einflussnahme des Erblassers auf die Entschließungsfreiheit seiner Enkelkinder ist von der Rechtsordnung auch im Hinblick auf die Testierfreiheit des Erblassers nicht hinzunehmen und damit als sittenwidrig und somit nichtig einzuordnen.

Die Nichtigkeit der Besuchsbedingung führt jedoch nicht zur Nichtigkeit der Erbeinsetzung. Hätte der Erblasser gewusst, dass die von ihm testierte Besuchsbedingung unwirksam wäre, ist davon auszugehen, dass er seine beiden Enkelkinder trotzdem als Miterben eingesetzt hätte. Dafür spricht gerade die von ihm gewünschte enge Bindung zu den Enkeln.

OLG Frankfurt a.M.
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