14.02.2023

Verleihung und Publizierung von Ärzte-Siegeln durch den Focus irreführend

Die Verleihung und Publizierung sog. "Ärzte-Siegel" durch die Zeitschrift Focus gegen Entgelt an Ärzte verstößt gegen das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot. Mit den Siegeln wird der unzutreffende Eindruck erweckt, dass die betreffenden Ärzte, die als "Top-Mediziner" bezeichnet bzw. als "Focus-Empfehlung" angepriesen werden, aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung ausgezeichnet wurden und dadurch eine Spitzenstellung unter den Ärzten gleicher Fachdisziplin einnehmen.

LG München I v. 13.2.2023 - 4 HKO 14545/21
Der Sachverhalt:
Das Verfahren betrifft eine Unterlassungsklage der Wettbewerbszentrale hinsichtlich der Verleihung und Publizierung sog. "Ärzte-Siegel" durch die Zeitschrift Focus. Der Kläger beanstandet, dass der beklagte Verlag gegen Entgelt an Ärzte Siegel verleiht, die sie als sog. "Top Mediziner" bzw. "Focus Empfehlung" auszeichnen.

Einmal im Jahr erscheint bei der Beklagten das Magazin "Focus Gesundheit" unter dem Titel "Ärzteliste". Gegen eine zu bezahlende Lizenz i.H.v. rd. 2.000 € netto erhalten Ärzte ein Siegel unter der Rubrik "Focus Empfehlung", das sie sodann werbend benutzen können und dies auch (unter Angabe der Fachrichtung bzw. des Landkreises) tun.

Das LG gab der Klage statt. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

Die Gründe:
Die Beklagte verstößt durch die Vergabe der Siegel, die nach eigenen Angaben von den Ärzten werblich genutzt werden sollen, gegen das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot.

Mit den Siegeln wird bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt, dass die betreffenden Ärzte, die als "Top-Mediziner" bezeichnet bzw. als "Focus-Empfehlung" angepriesen werden, aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung ausgezeichnet wurden und dadurch eine Spitzenstellung unter den Ärzten gleicher Fachdisziplin einnehmen. Die von der Beklagten gegen Bezahlung einer nicht unerheblichen sog. Lizenzgebühr vergebenen Siegel haben die Aufmachung eines Prüfzeichens und werden in den vorgelegten Medien auch als solche werbend verwendet. Die angesprochenen Verkehrskreise würden die Siegel, die von der Beklagten lizenziert werden, ähnlich wie Prüfsiegel der Stiftung Warentest auffassen.

Nach der Lebenserfahrung hat der Hinweis auf ein Prüfzeichen für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers eine erhebliche Bedeutung. Der Verbraucher erwartet, dass ein mit einem Prüfzeichen versehenes Produkt oder eine Dienstleistung von einer neutralen und fachkundigen Stelle auf die Erfüllung von Mindestanforderungen anhand objektiver Kriterien geprüft wurde und bestimmte, von ihm für die Güte und Brauchbarkeit der Ware als wesentlich angesehener Eigenschaften aufweisen. Tatsächlich ist es hier aber selbst nach dem Vortrag der Beklagten so, dass sich die Qualität ärztlicher Dienstleistungen nicht mit Messgeräten im Testlabor ermitteln und vergleichen lässt. Bei den Kriterien, die von der Beklagten bei ihren Empfehlungslisten berücksichtigt werden, sind solche dabei, die auf ausschließlich subjektiven Elementen beruhten (z.B. Kollegenempfehlung oder Patientenzufriedenheit).

Die Argumentation der Beklagten, die Lizenzierung sog. Siegel sei ein unselbständiger, nachgelagerter Akt der Ärztelisten, der ebenfalls von der Pressefreiheit umfasst sei, überzeugt nicht. In der herangezogenen Entscheidung des BVerfG (NJW 2003, 277 - Juve-Handbuch) erstreckt sich die Pressefreiheit zwar auch auf die Refinanzierung der redaktionellen Inhalte. Diese Aussage des BVerfG bezog sich jedoch allein darauf, dass in dem dort zu entscheidenden Fall nicht festgestellt werden konnte, dass durch die Veröffentlichung von Ranglisten in sittenwidriger Weise auf die Aufgabe von Inseraten hingewirkt wurde und dass anzeigenfinanzierte Medien regelmäßig darauf angewiesen sind, zur Schaltung von Anzeigen zu motivieren.

Hiervon unterscheidet sich der Streitfall jedoch grundlegend. Die Wettbewerbswidrigkeit der Prüfsiegel ergibt sich vorliegend daraus, dass in irreführender Weise der Bereich des redaktionellen, wertenden Beitrags verlassen und der Eindruck erweckt wird, es finde eine Bewertung nach objektiven Kriterien statt. Hinzu kommt, dass Medien zwar regelmäßig darauf angewiesen sind, sich durch Anzeigen zu finanzieren, nicht jedoch durch die Vergabe von Prüfsiegeln gegen ein nicht unerhebliches Entgelt. Dass dies eine unübliche, nicht zwingend erforderliche Art der Finanzierung redaktioneller Beiträge ist, zeigt der eigene Vortrag der Beklagten, wonach die Verteilung der Siegel erst eine Reaktion auf den vor etwa zehn Jahren eingetretenen sog. "Wildwuchs" gewesen sei. Davor wurden die Magazine mit den Ärztelisten ganz offensichtlich anders finanziert.

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LG München PM Nr. 6 vom 13.2.2023
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