19.12.2023

Verletzung vorvertraglicher Informationspflichten durch Schaltfläche "Mietwagen"

Stellt eine Fluggesellschaft auf ihrer Website eine Möglichkeit zur Reservierung von Mietfahrzeugen zur Verfügung, aufgrund derer Verbraucher personenbezogene Daten zu Zwecken der Reservierung bereitstellen müssen, so sind die Informationspflichten nach Art. 246a EGBGB gem. § 312 Abs. 1a BGB daher auch dann zu erfüllen, wenn über das Reservierungsformular noch kein Vertrag mit dem Mietwagenunternehmer zustande kommt.

OLG Köln v. 8.12.2023 - 6 U 43/23
Der Sachverhalt:
Die Beklagte bietet im Internet Flugbuchungsmöglichkeiten an. Auf der Website besteht neben der Schaltfläche für Flüge auch eine Schaltfläche "Mietwagen". Der Reservierungsvorgang sieht vor, dass beim Anklicken einer Schaltfläche "Mietwagen" Anmietstation, Rückgabestation und Anmietzeitraum nebst Uhrzeit eingegeben und ein Mietwagen aus einer Liste ausgewählt werden können. Über der Auswahlliste findet sich der Hinweis "Mietwagenreservierung bereitgestellt durch unsere Partner", gefolgt von Geschäftslogos mehrerer Mietwagenunternehmen mit Preisangaben über diesen Mietwagen. Wird ein Mietwagen ausgewählt, besteht auf einer sich öffnenden weiteren Unterseite die Möglichkeit, Extras hinzu zu buchen.

Unter der Warenkorbanzeige findet sich der Hinweis "Mietwagenreservierung. Reservierungen (später bezahlen)". In einer Fußnote steht: "Es erfolgt eine unverbindliche Reservierung, mit der Sie noch keine Zahlungsverpflichtungen eingehen. Der Vertrag über die Anmietung kommt erst bei Abholung des Fahrzeuges zu Stande." In der nächsten Schaltfläche, die der Eingabe persönlicher Daten dient, können Allgemeine Geschäftsbedingungen abgerufen und bestätigt werden. In diesen AGB heißt es u.a. "Der Vertrag wird an der Mietwagenstation abgeschlossen. Es gelten die lokalen Geschäftsbedingungen. Nähere Informationen über Ihre spezielle Mietwagenstation finden Sie auf der Webseite des Mietwagenanbieters Ihrer Wahl". Dort wird auch die Website des Mietwagenunternehmens aufgeführt. Über den Eingabefeldern zur Eingabe der persönlichen Daten findet sich der Hinweis "Die Reservierung Ihres Mietwagens erfolgt direkt über unseren Partner ... Der Mietvertrag wird an der Station geschlossen. Die Zahlung erfolgt bei Anmietung des Fahrzeugs."

Der klagende Dachverband von Verbraucherzentralen war der Ansicht, die Beklagte verstoße gegen §§ 312d Abs. 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB, weil sie entgegen den dort normierten Informationspflichten dem Verbraucher nicht erläutere, welche Dienstleistung sie genau anbiete. Es bleibe unklar, ob sie ihre Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Angebot von Mietwagen als Suchmaschine, Preisvergleichsportal oder Vermittler anbiete. Da die meisten Mietwagenportale in ihren Buchungsbedingungen eine "no-show-Klausel" vorsähen und die Beklagte - hiervon sei der Kläger "überzeugt" - von den Mietwagenanbietern eine Provision erhalte, sei auch davon auszugehen, dass der Verbraucher sich mit der Mietwagenreservierung zur Zahlung eines Preises verpflichte.

Das LG hat die Unterlassungsklage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG die Entscheidung abgeändert und der Klage stattgegeben.

Die Gründe:
Der Unterlassungsanspruch folgt aus §§ 3 Abs. 1, 5a Abs. 1, 5b Abs. 4 UWG i.V.m. den unionsrechtlich angebundenen bürgerlich-rechtlichen Informationspflichten aus § 312d BGB.

Eine Haftung aus §§ 3 Abs. 1; 3a UWG i.V.m. mit den genannten Informationspflichten kommt nach neuerer Judikatur, der sich der Senat anschließt, nicht in Betracht. Die frühere Rechtsprechung, wonach die Verletzung unionsrechtlicher Informationspflichten sowohl die Verletzung einer Marktverhaltensnorm i.S.v. § 3a UWG als auch die Verletzung des § 5a Abs. 4 UWG früherer Fassung (jetzt § 5b Abs. 4 UWG 2022) begründen können, hat der BGH in der Entscheidung Knusper-Müsli II zugunsten der letztgenannten Vorschrift aufgegeben (BGH, Urt. v. 7.4.2022 - I ZR 143/19). Daher sind die Informationspflichten des Fernabsatzes nach den durch die UGP-Richtlinie harmonisierten Maßstäben und nicht mehr nach den nationalen Grundsätzen des § 3a UWG zu prüfen. Daraus folgt, dass es im Falle eines Verstoßes gegen die Informationspflicht nicht mehr auf das Spürbarkeitskriterium in § 3a UWG ankommt. Der diesbezügliche Einwand der Beklagten, dass ein etwaiger Verstoß nicht spürbar ist, geht daher ins Leere.

Die vorvertraglichen Informationspflichten des § 312d BGB i.V.m. Art. 246, 246a Abs. 1 § 1 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB werden durch den streitgegenständlichen Internetauftritt der Beklagten verletzt. Die Frage, ob Stornogebühren ("no show") oder auch eine Provision zugunsten des Vermittelnden anfallen, stellt sich insoweit nicht. Denn auch ohne konkrete Preisverpflichtung sind die Informationspflichten aus Kapitel 1 und Kapitel 2 der §§ 312 BGB anwendbar, also auch § 312d BGB i.V.m. Art. 246, 246a EGBGB, wenn der Verbraucher personenbezogene Daten bereitstellt (§ 312 Abs. 1a BGB). Das ist hier der Fall. Stellt eine Fluggesellschaft auf ihrer Website eine Möglichkeit zur Reservierung von Mietfahrzeugen zur Verfügung, aufgrund derer Verbraucher personenbezogene Daten zu Zwecken der Reservierung bereitstellen müssen, so sind die Informationspflichten nach Art. 246a EGBGB gem. § 312 Abs. 1a BGB daher auch dann zu erfüllen, wenn über das Reservierungsformular noch kein Vertrag mit dem Mietwagenunternehmer zustande kommt.

Unstreitig muss der Verbraucher bei der hier gewählten Konstruktion personenbezogene Daten i.S.d. Art. 4 Nr. 1 DSGVO (Verordnung [EU] 2016/679) bereitstellen, wenn er ein Fahrzeug reserviert. Es müssen Name, E-Mail, ggf. auch Miles & More-Nummern und Telefonnummer, also Informationen, die auf eine individuelle Person hinweisen und diese identifizieren können, angegeben werden. Diese Daten werden vom Verbraucher selbst bereitgestellt, wenn er sie in die Maske eingibt, was nach § 312 Abs. 1a BGB genügt.

Die Informationspflichten aus Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB haben eine unionsrechtliche Grundlage in den Art. 6 bis 8 der Richtlinie 2011/73/EU (sog. Verbraucherrechte-Richtlinie). Die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Informationspflichten auf die Zurverfügungstellung personenbezogener Daten hat ihre Grundlage in Art. 4 Nr. 2b) der Richtlinie (EU) 2019/2161 v. 27.11.2019 (EU-Abl. L 328/7). Die Informationspflichten sind daher gem. § 5b Abs. 4 UWG wesentliche Informationen, die bei verbraucherbezogenen Angeboten bereitzustellen sind. Das Fehlen von Informationen über die Rolle der Fluggesellschaft beim Reservierungsvortrag betrifft eine wesentliche Information über eine Dienstleistung gem. §§ 5a Abs. 1, 5b Abs. 4 UWG, die der Verbraucher benötigt, um eine informierte Entscheidung darüber zu treffen, ob er die Reservierung vornehmen möchte, weil er Klarheit darüber erwartet, ob und inwieweit er den Dienstleister in Bezug auf die Dienstleistung in Anspruch nehmen kann.

Mehr zum Thema:

Beratermodul IT-Recht:
Die perfekte Online-Ausstattung für das IT-Recht (DSGVO/BDSG). Stets auf dem aktuellsten Stand mit den Inhalten aller Ausgaben von Computer und Recht und IT-Rechtsberater sowie den Updates von Redeker, Handbuch der IT-Verträge. Ihr Vorteil: Bearbeiten Sie zahlreiche bewährte Formulare mit LAWLIFT! 4 Wochen gratis nutzen!

Beratermodul Datenschutzrecht:
Die perfekte Online-Ausstattung für das Datenschutzrecht (DSGVO/BDSG). Jetzt mit Top-Inhalten zum Datenschutzrecht aus dem C.F. Müller Verlag. Hier das informative Rezensions- und Anwendungsvideo von RA Michael Rohrlich und Marc Oliver Thoma ansehen! Bearbeiten Sie zahlreiche bewährte Formulare mit LAWLIFT! 4 Wochen gratis nutzen!

Beratermodul Zeitschriften Wirtschaftsrecht:
Jetzt neu: Führende Zeitschriften zum Wirtschaftsrecht, Aktienrecht, Gesellschaftsrecht und Versicherungsrecht stehen hier zur Online-Recherche bereit. Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO bei ausgewählten Zeitschriften (GmbHR, ZIP, VersR). Wann immer es zeitlich passt: Für Fachanwälte bietet das Beratermodul Beiträge zum Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle und Fortbildungszertifikat. 4 Wochen gratis nutzen!
Justiz NRW
Zurück