17.10.2017

Verlust der Haftungsbeschränkung eines Frachtführers beim Gütertransport in der Binnenschifffahrt nach CMNI

Der Verlust des Rechts auf Haftungsbeschränkung des Frachtführers nach Art. 21 Abs. 1 S. 1 CMNI knüpft an eigenes qualifiziertes schuldhaftes Verhalten an; ein schuldhaftes Verhalten seiner Hilfspersonen wird ihm nicht zugerechnet. Der Absender kann vom Frachtführer den gem. Art. 20 Abs. 1 CMNI nach dem Gewicht der beschädigten Güter berechneten Betrag nur verlangen, wenn das Gewicht auch in der Frachturkunde steht; der Frachtführer ist nicht dazu verpflichtet das Gewicht einzutragen, wenn es ihm nicht schriftlich mitgeteilt worden ist oder den Absender auf eine solche Mitteilung hinzuweisen.

BGH 1.6.2017, I ZR 29/16
Der Sachverhalt:
Die E.S.M. und St. GmbH (Absenderin) beauftragte die Beklagte zu 1) damit, den in Rumänien neu gefertigten Schiffsrumpf des Tankschiffs "Mo." in die Niederlande zu schleppen. Für die Teilstrecke von Rumänien nach Österreich beauftragte die Beklagte zu 1) die Beklagte zu 2) mit der Durchführung des Transports. Dabei wurde der an der Steuerbordseite des Schiffs TMS Mi. der Beklagten zu 2) befestigte Schiffsrumpf im Verbund befördert. Am 18.10.2010 kam es auf der Teilstrecke zu einer Kollision mit dem zu Tal fahrenden Schiff "G.V.".

Die Absenderin hatte bei der Klägerin eine Baurisiko-Versicherung, aufgrund der für den eingetretenen Schaden Versicherungsschutz bestand. Die Mannheimer Versicherungs-AG trat die auf sie übergegangenen Ansprüche an die Klägerin ab. Mit ihrer Klage machte die Klägerin Schadensersatz von beiden Beklagten als Gesamtschuldnern i.H.v. rd. 250.000 € geltend.

Das LG wies die Klage ab. Das OLG gab der Klage teilweise statt, verurteilte die Beklagten zur Zahlung des Gegenwerts von rd. 700 Sonderziehungsrechten des Internationalen Währungsfonds in Euro, und wies die Klage im Übrigen ab. Die Revision der Klägerin und die Anschlussrevisionen der Beklagten hatten vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Beklagte zu 1) als Frachtführerin und die Beklagte zu 2) als ausführende Frachtführerin haften für die eingetretene Beschädigung des Schiffsrumpfes dem Grunde nach gem. den Bestimmungen des Budapester Übereinkommens über den Vertrag über die Güterbeförderung in der Binnenschifffahrt (CMNI).

Nach Art. 16 Abs. 1 CMNI haftet der Frachtführer für den Schaden, der durch Beschädigung der Güter in der Zeit von der Übernahme bis zur Ablieferung entsteht, sofern er nicht beweist, dass der Schaden durch Umstände verursacht worden ist, die ein sorgfältiger Frachtführer nicht hätte vermeiden können. Die Haftung gilt gem. Art. 4 Abs. 2 S. 1 CMNI auch dann, wenn der Frachtführer die Ausführung der Beförderung wie im Streitfall teilweise an einen anderen Frachtführer übertragen hat. Die Haftung des Frachtführers tritt dann neben die des ausführenden Frachtführers nach Art. 4 Abs. 2 S. 2 CMNI.

Auch wenn der Haftungsausschluss wirksam wäre, käme er nicht zur Anwendung, da der Schiffsführer des Motorschiffs "Mi. " einen leichtfertiger Navigationsfehler in dem Bewusstsein begangen hat, dass die Kollision mit dem entgegenkommenden Schiff mit einiger Wahrscheinlichkeit eintreten wird. Der besonders schwere Pflichtverstoß liegt zwar nicht schon in der Anwendung des aus Sicht des gerichtlichen Sachverständigen ungeeigneten Schiffsverbunds, sondern in dem Verzicht einer Positionierung eines Ausgucks auf dem Bug des die "Mi." der Höhe nach überragenden Kaskos. Dieses qualifizierte Verschulden des Schiffführers sorgt dafür, dass der Haftungsausschluss keine Wirkung entfalten kann. Dies folgt aus Art. 25 Abs. 2a CMNI.

Dennoch ist der von den Beklagten geschuldete Wertersatz nach Art. 19 Abs. 2 und 3 CMNI auf die in Art. 20 Abs. 1 S. 1 CMNI vorgesehene Haftungshöchstgrenze beschränkt, weil die Voraussetzungen für einen Verlust des Rechts auf Haftungsbeschränkung gem. Art. 21 Abs. 1 CMNI nicht vorliegen. Danach kommt es allein auf ein persönliches vowerfbares Verschulden des Frachtführers oder des ausführenden Frachtführers an. Es erfolgt keine Zurechnung eines Verschuldens von Hilfspersonen des Frachtführers wie im Streitfall des Schiffsführers des Schiffs Mi. Für ein persönliches Verschulden der Beklagten ist nichts ersichtlich. Es liegt kein unfallursächliches qualifiziertes Organisationsverschulden der Beklagten vor.

Für den Haftungshöchstbetrag nach Art. 20 Abs. 1 S. 1 CMNI ist nicht an das Gewicht das Schiffsrumpfes, sondern an die Ladungseinheit anzuknüpfen und die Haftung der Beklagten damit auf 666,67 Rechnungseinheiten beschränkt, da die Frachturkunde im Streitfall keine Angabe zum Gewicht des Schiffsrumpfes enthalten hat. Das Fehlen der Eintragung des Gewichts in die Frachturkunde stellt zudem auch keine Pflichtverletzung des Frachtführers dar, wenn die Angabe ihm gegenüber wie im vorliegenden Fall schriftlich unterlassen wurde. Die Beklagten waren auch nicht dazu verpflichtet, die Absenderin darauf hinzuweisen, dass sie das Gewicht schriftlich anzugeben hat. Die Verantwortung für das Vorliegen der Angaben liegt i.S.d. Art. 8 Abs. 1 CMNI beim Absender.

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